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Kommentar: Börsencrash statt Inflation – überleben und Gedeihen am Ende des Konjunkturzyklus

Langsam, aber stetig schleicht sich bei Anlegern ein ungutes Gefühl ein: Wie lange kann der derzeitige Konjunkturzyklus noch anhalten? Investoren stehen in solch einer Endphase vor einigen Herausforderungen, und sowohl die Länge als auch der Verlauf des aktuellen Zyklus machen es nicht gerade einfacher. Dennoch gibt es Wege, wie Anleger klug mit dieser Situation umgehen können: Neubewertung der strategischen Asset-Allokation, konjunkturunabhängige Investments und ausreichend Liquidität sind hier der Schlüssel zum Erfolg.

Erik L. Knutzen

Wenn das Ende des Konjunkturzyklus kurz bevorsteht, ist die Portfoliopositionierung oft recht klar: risikobehaftete Titel untergewichten und Staatsanleihen – die klassischen sicheren Häfen – übergewichten. Wenn die Wirtschaft dann wieder Fahrt aufnimmt, kann es sich anbieten, kleinere Credit-Positionen hinzuzufügen. Und wenn die Erholung weitergeht, haben sich Übergewichtungen aller Arten risikobehafteter Titel meist bewährt. Das gilt auch für zyklische Aktien.

Diesmal ist die Endphase aber komplexer. Die Unternehmensfinanzen mögen schwächer werden, aber das letzte Hurra der Unternehmensgewinne kann für steigende Kurse sorgen. Wer dies verpasst, schadet seiner Langfristperformance. Doch oft gehen die letzten Gewinne mit höherer Volatilität und einer engen Korrelation von Aktien und Anleihen einher. Die fundamentale Herausforderung am Zyklusende ist, auf Wachstum zu setzen, ohne dass das Portfoliorisiko außer Kontrolle gerät.

Und die Komplexität nimmt weiter zu. Weil das verarbeitende Gewerbe und die Schwerindustrie in den Industrieländern an Bedeutung verloren haben, sind die Konjunkturzyklen länger geworden. Zusammen mit den geld- und fiskalpolitischen Interventionen nach der Finanzkrise führte dies dazu, dass der aktuelle Konjunkturzyklus in den USA und vielen anderen Ländern der längste der Geschichte ist. Solche langen Zyklen enden aber oft mit Börsencrashs statt wie früher mit Inflation oder Energiekrisen.

Und genau dieses Szenario scheint am wahrscheinlichsten: ein vielleicht noch 18- bis 24- monatiges schwaches Wachstum, gefolgt von einem nicht sehr starken, aber langen Abschwung. Aus unserer Sicht lohnt es sich vielleicht nie, sich zum Zyklusende ausschließlich defensiv zu positionieren. Die Märkte werden aber weiter volatil sein, und das Risiko von Börsenkrächen steigt. Deshalb sind die Herausforderungen für Investoren diesmal so groß.

In diesem Umfeld sollten Anleger daher vier Grundsätze beachten:
*Unterscheidung von wahren Signalen und bloßem Marktrauschen
*Neubewertung der strategischen Asset-Allokation
*Identifikation von konjunkturunabhängigen Investmentthemen
*Bereitstellung von Liquidität

Unterscheidung von Signalen und bloßem Marktrauschen
Die Kombination aus niedrigem Wachstum und begrenzter Liquidität könnte zu Fehlsignalen führen, etwa zu inversen Zinsstrukturkurven und ungewöhnlichen Volatilitätsmustern. Umso wichtiger ist es, zwischen Signalen und „Marktrauschen“ zu unterscheiden. Unter Umständen müssen Konjunkturmodelle neu berechnet werden und Investoren müssen Hinweise auf fundamentale Probleme der Weltwirtschaft ernst nehmen. Zurzeit spricht viel dafür, dass sich die US-Wirtschaft noch in der Mitte des Zyklus befindet – manchen Zahlen zufolge sogar erst am Anfang. Außerhalb der USA ist das Zyklusende den Daten zufolge sogar noch weiter entfernt. Am sorgfältigsten sollten Anleger aber auf die Unternehmensverschuldungen und einen möglichen Abschwung in China achten.

Neubewertung der strategischen Asset-Allokation
Wenn die Volatilität und die Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen steigen, muss die strategische Asset-Allokation neu bewertet werden. Entscheidend ist die Diversifikation, doch in einer Welt mit niedrigen Anleiherenditen ist sie deutlich schwieriger. An dieser Stelle soll noch einmal auf die Bedeutung einer echten und nicht nur einer kosmetischen oder theoretischen Diversifikation hingewiesen werden: Anleger sollten Ausschau halten nach Alternativen zu niedrig verzinslichen Anleihen und bedenken, dass einige der sogenannten Alternativen Investments mit hohen Marktrisiken einhergehen. Sie sollten daher unbedingt übergreifend in verschiedene Asset-Klassen diversifizieren, aber auch in unterschiedliche Regionen – außerhalb des Heimatmarkts sind die Bewertungen vielleicht günstiger. Wichtig ist auch eine Diversifikation nach Stilen – die geringere Volatilität höher kapitalisierter Qualitätsaktien könnte durch günstig bewertete kleinere oder volatilere Titel ausgeglichen werden. Schließlich bietet sich auch eine Diversifikation in Marktsegmente mit einer geringeren Nachfrage an. Mit Collateralized Put Writes – verkaufte Puts mit Barsicherung – können Anleger beispielweise bei geringerer Volatilität von Aktien profitieren und Insurance-Linked-Strategien können von den Finanzmärkten unabhängige Ertragsströme erwirtschaften.

Identifikation von konjunkturunabhängigen Investmentthemen
Ein Portfolio lässt sich zum Teil auch dadurch diversifizieren, dass man auf möglichst konjunkturunabhängige Investmentthemen setzt. Langfristige Wachstumsthemen verändern die Wirtschaft grundlegend, sodass das Bild von einem sogenannten normalen Konjunkturzyklus revidiert werden muss. So sind die Emerging Markets einerseits sehr konjunktursensitiv, weil sie stark von den internationalen Lieferketten abhängen. Andererseits durchlaufen sie aber eigene Megazyklen und steigen in der internationalen Wertschöpfungskette auf. Sie produzieren heute nicht nur, sondern konsumieren auch in großem Stil und führen grundlegende Reformen durch. Themen wie der Klimawandel sind nicht nur große gesellschaftliche Herausforderungen, sondern sorgen für ein milliardenschweres Anlagepotenzial. Andere Themen wie Big Data, Künstliche Intelligenz, 5G-Konnektivität und autonomes Fahren können Auswirkungen auf fast alle Lebensbereiche haben. Solche Entwicklungen sind von der Konjunktur unabhängig und ein Abschwung kann ihnen wenig abhaben. Daher sind sie eine wichtige Ergänzung im Portfolio.

Bereitstellung von Liquidität
Des Weiteren sollten Investoren für Liquidität sorgen. Der nächste Abschwung wird der erste seit der Finanzkrise sein. Durch allerlei neue Regulierungen seit der Krise sind die Märkte heute wesentlich illiquider als früher, sodass es bisweilen zu einer heftigen Volatilität und Problemen bei der Preisstellung kommen kann. Die Fähigkeit, sich geschickt opportunistisch zu bewegen, Volatilität aufzunehmen und nicht auf Zwangsverkäufe zurückzugreifen, könnte einen großen Unterschied machen, wenn sich die Stimmung vor diesem Hintergrund verschlechtert. Für Stabilität können liquide Anlagen und ein Schwerpunkt auf liquiden sowie illiquiden Anlagen mit hohen Cashflows sorgen. Dazu zählen kurzlaufende Credits, Commercial Mortgage Backed Securities (CMBS), also durch Gewerbeimmobilien gedeckte Wertpapiere sowie Residential Mortgage Backed Securities (RMBS) – durch private Immobilien gedeckte Wertpapiere – mit schrittweiser Tilgung und die Mezzanintranchen von CLOs.

Fazit
Investieren am Ende des Zyklus braucht eine stabile Basis. Jeder Konjunkturzyklus ist anders und besteht aus unterschiedlichen Phasen. Dennoch: Diese vier Regeln –kluge Asset-Allokation, echte Diversifikation, Risikobewusstsein und flexible Umsetzung können ein gutes Fundament sein. Bei Neuberger Berman sind wir der Ansicht, dass Investoren mit einer unerwartet negativen Entwicklung zurechtkommen können, wenn man diese Regeln beachtet. Außerdem bieten solche Entwicklungen die Aussicht auf Erfolg bei begrenzter Liquidität, hoher Volatilität und einem schwachen Wachstum, wie es für den nächsten Abschwung zu erwarten ist. Wenn Anleger in dieser Zeit ihrer Portfoliostrategie treu bleiben, stehen sie danach vermutlich auf sichererem Boden, und das ganz unabhängig von der Konjunktur.

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*) Erik L. Knutzen ist Chief Investment Officer Multi-Asset Class bei Neuberger Berman.