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Kommentar: Der Absturz an den Anleihemärkten fällt aus

Der mehr als fünf Jahre währende Ausnahmezustand an den Finanzmärkten geht zu Ende. Damit werden die Renditen auf ihre fundamental gerechtfertigten Niveaus zurückkehren. Davon ist Dr. Harald Preissler, Chefvolkswirt des Anleihemanagers Bantleon überzeugt.

In den vergangenen Jahren galten deutsche Bundesanleihen als zuverlässige Ertragsbringer. Abgesehen von einigen Unterbrechungen kannten die Renditen nur den Weg Richtung Süden, im Gegenzug erfreuten sich viele Investoren an den üppigen Kursgewinnen. An dem langfristigen Zinsabwärtstrend konnten nach Ausbruch der Finanzkrise weder anziehendes Wirtschaftswachstum noch steigende Inflationsraten etwas ändern. Sogar die Leitzinserhöhungen der EZB im Frühjahr 2011 wurden problemlos weggesteckt. Sobald nur ein Haar in der Suppe zu finden war, sei es auf makroökonomischer oder (geo-)politischer Seite, stürzten sich die Anleger sofort auf die bewährten Bundesanleihen und trieben damit die Renditen immer weiter in den Keller.

Dieser Trend scheint jetzt vorbei zu sein: Nach dem Renditetiefstand 10-jähriger Bundesanleihen von 1,14% im Sommer 2012 folgte eine ausgedehnte Konsolidierung, die im Frühjahr 2013 sukzessive in einen steigenden Trend überging. Der jüngste Renditeschub führte die Langläufer bis auf 2,00%, einen anderthalbjährigen Höchststand. Auch in den USA, Großbritannien und der Schweiz erreichten die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen mehrjährige Höchststände. Dies bescherte vielen Anlegern empfindliche Kursverluste in ihren Anleiheportfolios.

Stehen wir jetzt vor der großen Zinswende, droht gar ein Blutbad an den Anleihenmärkten, wie mancher Kapitalmarktexperte in den vergangenen Monaten gewarnt hat? Wir würden eher von einer großen Normalisierung sprechen: Der mehr als fünf Jahre währende Ausnahmezustand an den Finanzmärkten geht zu Ende und das bedingt ein Auspreisen der Safe-Haven-Prämien sowie die Rückkehr der Renditeniveaus auf ihre fundamental gerechtfertigten Niveaus.

Was aber ist ein »fundamental gerechtfertigtes« Zinsniveau? Die wichtigste
Orientierungsgröße in diesem Kontext ist und bleibt das nominelle Wirtschaftswachstum, das wir für die Währungsunion mit rund 2,5% bis 3,0% veranschlagen. Darin enthalten sind eine Inflationsannahme von 1,5% bis 2,0% p.a. sowie ein realer Wachstumstrend von rund 1,0% p.a. Das bedeutet: Auf längere Sicht sollten die Renditen um 2,75% herum schwanken – wobei die Abweichungen nach oben und unten seit 1990 (auf Quartalsbasis) im Regelfall bei ±1,0 Prozentpunkten beziehungsweise maximal bei ±1,50 Prozentpunkten lagen. Folgerichtig sollte das Renditeband der kommenden Jahre im Regelfall zwischen 1,75% und 3,75% verlaufen, im Ausnahmefall sind 1,25% bis 4,25% möglich.

Der Renditeschub der vergangenen Monate hat gemessen daran gerade einmal ausgereicht, um uns vom unteren historischen Rand an den unteren Rand der üblichen Range zu befördern. Damit dürfte zwar der Großteil der auf die »Safe Haven Flows« zurückzuführenden Überbewertung deutscher Bundesanleihen abgebaut sein – mehr aber auch nicht.

Wenn sich die Konjunkturdynamik in den kommenden Monaten weiter verbessert, wovon wir ausgehen, oder/und die Inflation nach oben dreht – wir rechnen zumindest mit einer Bodenbildung – oder/und die Leitzinsen angehoben werden (schließen wir aus), wird die Rendite deutscher Bundesanleihen ihren Aufwärtstrend fortsetzen. Zugleich erwarten wir jedoch, dass die Luft jenseits von 2,25% dünn wird, und sehen den zyklischen Renditehochpunkt Anfang 2014 bei maximal 2,50%.

Dass der Trend nicht über 2,50% hinausreichen sollte, liegt zum einen an unserer Konjunkturprognose. Unseren eigenen Frühindikatoren zufolge, die einen markanten Vorlauf vor den öffentlich verfügbaren Indikatoren haben, dürfte der zyklische Gipfel im Frühjahr 2014 erreicht sein. Das Zeitfenster für steigende Renditen beginnt sich folglich Anfang 2014 allmählich zu schließen.

Zum anderen spielt die abwartende Haltung der EZB sowie der Fed eine Rolle, an der sich in überschaubarer Zukunft nichts ändern dürfte. Entsprechend bleibt das kurze Ende der EUR-Zinskurve bei 0,5% verankert. Renditen am langen Ende von 2,50% implizieren einen Kurvenspread (10J vs. 3M) von 2,00 Prozentpunkten – ein durchaus üppiger Risikopuffer. Auch aus diesem Blickwinkel betrachtet sehen wir keinen Grund für ein Überschießen der Renditen. Das Erreichen oder Überschreiten der 2,75%-Marke sollte daher dem nächsten konjunkturellen Aufschwung vorbehalten sein.

Mit Blick auf die kommenden Monate sehen wir die sicheren Häfen aber weiter in der Defensive. Das gilt für deutsche Bundesanleihen ebenso wie für US-Treasuries und Schweizer Eidgenossen. Die Renditen der US-Langläufer erwarten wir in der Spitze bei 3,50% – was ein markanter Anstieg wäre, der allerdings ebenfalls nicht ganz bis an den nominellen Wachstumstrend (etwa 4,0%) heranreichen würde. Derweil sollten Schweizer Staatsanleihen Anfang 2014 bei 1,50% rentieren, auch sie blieben damit unterhalb ihres langfristigen fairen Werts von 2,00%.

Während die sicheren Häfen perspektivisch unter Druck bleiben, bieten Staatsanleihen der Euro-Zonen-Peripherie nach wie vor attraktive Ertragschancen. Die Spreads fünfjähriger italienischer, spanischer und irischer Staatsanleihen konnten ihren übergeordneten Abwärtstrend Ende Juni wieder aufnehmen und sind aus ihren Seitwärtsranges mittlerweile nach unten ausgebrochen.

Angesichts der unerwartet guten Wirtschaftsdaten aus den Krisenländern und der strukturellen Fortschritte dürfte das Interesse der Investoren an den attraktiven Renditen der Peripheriestaaten nicht nur groß bleiben, sondern weiter zunehmen. Hinzu kommt das schwindende Ratingrisiko. Dies gilt insbesondere für Spanien, das sich am unteren Rand des Investment-Grade-Spektrums befindet, was viele Anleger bislang von einem Engagement abgehalten hat. Die Gefahr einer weiteren Herabstufung hat sich zuletzt deutlich verringert und könnte damit den spanischen Markt für große Investorenkreise wieder zugänglich machen.

Wir gehen daher unverändert davon aus, dass sich die Aufschläge der großen Peripheriemärkte bis zum 2. Quartal des kommenden Jahres bei mittleren Laufzeiten einengen werden. Längerfristig halten wir sogar deutlich niedrigere Niveaus für denkbar – sofern der Reformeifer im Zuge der großen Normalisierung nicht gänzlich erlischt oder der Rückfall in alte Gewohnheiten einkehrt.

Für einen markanten Zinsanstieg sehen wir mit Blick auf die Euro-Zone auch langfristig keinen Grund. Der Wachstumstrend der Euro-Zone wird in den nächsten Jahren angesichts der dürftigen Produktivitätszuwächse und der extrem ungünstigen demografischen Rahmenbedingungen ausgesprochen flach verlaufen. Gleichzeitig sind in der mehrjährigen Wirtschaftskrise enorme Überkapazitäten entstanden, die ein wahres Bollwerk gegen aufkommenden Inflationsdruck darstellen. Das ist definitiv nicht das Umfeld für eine große Zinswende oder gar ein Blutbad an den Anleihemärkten.


Der Beitrag erscheint auch bei unseren Kooperationspartner alternative investor information (<link http: www.altii.de>www.altii.de).


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Dr. Harald Preissler ist Chefvolkswirt und Leiter Anlagemanagement des Anleihemanagers Bantleon. Noch während seiner Promotion begann er 1999 als Senior Analyst bei Bantleon. Im Jahr 2011 wurde er zum Leiter der Kapitalmarktanalyse, 2005 zum Chefvolkswirt ernannt.