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Kommentar: Eine zweite Chance für Roy – Die Portfoliotheorie überdenken

Kennen Sie den Ökonomen Andrew D. Roy? Nein? Kein Wunder. Sein einziger Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte – ein Aufsatz über die richtige Portfoliozusammensetzung – ist heute vollkommen vergessen. Man findet ihn in der 1952er Ausgabe des renommierten Econometrica-Journals. Danach ging der Autor bald zur britischen Kommunalverwaltung und blieb dort bis zu seiner Pensionierung. Zu den wenigen Lesern seines Aufsatzes gehörte übrigens ein junger Amerikaner, der gerade am selben Thema arbeitete. Harry Markowitz veröffentlichte zur gleichen Zeit eine ähnliche, wenngleich mathematisch anspruchslosere Arbeit mit dem Titel Portfolio Selection. Sie machte ihn berühmt und reich.

Der Unterschied zwischen beiden Werken bestand vor allem darin, dass Roy anders als Markowitz von der Annahme ausgegangen war, Anleger wollten quasi als Bedingung der Investition so genannte „Desaster“, also katastrophale Wertentwicklungen, ausscheiden. In der Wirtschaftswunderstimmung der 50er Jahre passte Roys „Safety first-“Ansatz weniger als die offensivere Optimierung der Durchschnittswerte von Markowitz zum Zeitgeist. So wurde Roy vergessen und Markowitz Nobelpreisträger.

Die Optimierung von durchschnittlicher Ertrags- und Risikoerwartung durch die Auswahl möglichst nicht korrelierter Wertpapiere haben sich seit Markowitz viele Institutionen auf die Fahne geschrieben. In aller Konsequenz haben diesen Ansatz vor allem Total Return-Fonds und besonders amerikanische Stiftungsfonds, etwa die Yale-University, umgesetzt. Sie konstruieren Ihre Depots fast ausschließlich aus riskanten Papieren inklusive Hedge-Fonds und Private Equity  und suchen dadurch Risiko und Rendite zu versöhnen. Die Erfolge dieser Strategie können sich langfristig, das heißt auf Zehn-Jahres-Frist, sehen lassen. In Krisen, das haben die letzten Beispiele gezeigt, schützen Mischungen nach Markowitz dagegen kaum vor heftigen Verlusten.

Nach New Economy-Blase, dem 11. September und inmitten der großen Finanzkrise sind Portfolioansätze wie die von Roy heute wieder stärker ins Bewusstsein vieler Anleger gerückt. Vermögensverluste in allen Marktphasen möglichst unmöglich zu machen, ist der Ansatz etwa von Absolute Return- oder Garantiestrukturen. Insbesondere für Deutsche Stiftungen sind solche Strategien konstitutierend. Ihnen ist der Substanzerhalt sogar gesetzlich vorgeschrieben.

Portfolios nach dem Muster Roys werden heute nach dem Baukastensystem errichtet. Einzelne Depotbestandteile sorgen dabei für die Einhaltung der Ziele. Der Stiftungsfonds Westfalen A erreicht die Safety First Maßgaben, indem er  einen sogenannten Core-Satellite-Ansatz umsetzt. Die Core-Bestandteile sind dabei defensive Werte wie Geldmarktpapiere, Anleihen oder Immobilienfonds. Zu den Renditebringern des Fonds zählen dagegen sogenannte Satelliten, die für sich genommen  überdurchschnittliches Rendite- und Risikopotenzial haben. Unternehmensanleihen gehören dazu und natürlich Aktien. Der Erfolg der Strategie zeigte sich etwa letztes Jahr durch eine Rendite von 15 Prozent, die mit einem Aktienanteil unter drei Prozent und fast ganz ohne strukturierte Produkte wie Zertifikate oder Derivate erreicht wurde.  

Selbstverständlich berücksichtigen auch die Safety-First-Anhänger das Gebot, nicht alle Eier in einen Korb zu legen. Aber sie trauen weniger als Markowitz der Kraft der Mischung. Im Gegenteil fürchten sie den Sog der Krise, der regelmäßig Papiere mit nach unten reißt, die sich in guten Zeiten ganz unabhängig zu entwickeln schienen. Dieses Misstrauen hat sich auch in der Finanzkrise als berechtigt erwiesen, wie nicht zuletzt die guten Ergebnisse der deutschen und die eher enttäuschenden Ergebnisse der amerikanischen Stiftungsfonds bewiesen haben. Deswegen ist es Zeit, Andrew D. Roy eine zweite Chance zu geben.

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*) Bernd Hashemian berät den Stiftungsfonds Westfalen A, der im vergangenen Jahr eine Rendite von 15% erzielen konnte und damit zu den erfolgreichsten Stiftungsfonds zählt.