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Kommentar Emerging Markets: Dynamik ist ungebrochen

Die Krisen in den Industrieländern fördern den Trend in die Schwellenmärkte. Diese Einschätzung vertritt Dr. Nicolas Schlotthauer, Head of Emerging Markets Debt bei DB Advisors. Die Experten von DB Advisors kommentieren ab sofort monatlich Chancen und Herausforderungen, die die weltweiten Märkte bieten. Aktuell: Investmentmöglichkeiten in den Schwellenländern

 

Dr. Nicolas Schlotthauer

Im Zuge der westeuropäischen Schuldenkrise rücken zunehmend Anleihen aus Schwellenländern in den Fokus der Finanzindustrie und der Investoren. Derzeit gibt es etwa fünfzig Nationen im Anlagenuniversum bei Staatsanleihen. Allein im vergangenen Jahr flossen weltweit sechzig Milliarden US-Dollar in Emerging Markets-Anleihen. Mittlerweile stellen die Schwellenländer mehr als vierzig Prozent des weltweiten Pro-Kopf-Einkommens. Was sind die Treiber hinter dieser Entwicklung? Was spricht für ein Engagement in die aufstrebenden Länder im Hinblick auf die makroökonomische Situation der Industrienationen?

Die Makroebene
Trotz der Unsicherheit an den globalen Finanzmärkten haben sich Emerging Markets-Anleihen auch zum Abschluss des ersten Halbjahres 2011 gut entwickelt. Die stabilen makroökonomischen Indikatoren vieler Länder stütze die Anlageklasse. Dennoch können sich Bonds der aufstrebenden Länder nicht komplett  von asynchronen Entwicklungen in den verschiedenen Regionen der Weltwirtschaft lösen. Drei Themen dominierten und verstimmten das Investitionsklima auf den globalen Finanzmärkten.

Zunächst bewirkte die vorübergehende Sorge, dass Griechenland keine weiteren Hilfszahlungen bekommen könnte, für deutlich stärkere Schwankungen an den globalen Finanzmärkten. Eine Beruhigung stellte sich hier erst ein, nachdem das griechische Parlament einem umfassenden Sparpaket zugestimmt hatte.

Darüber hinaus beherrschten auch diverse Meldungen aus den USA die Schlagzeilen -  es kam zu einer weiteren Eintrübung der realwirtschaftlichen Frühindikatoren. Auch die Zentralbank hob den gemischten Ausblick für das Wirtschaftswachstum in der größten Volkswirtschaft der Welt in ihrem monatlichen Statement hervor.

Die gleichzeitig zu beobachtende moderate Entwicklung von realwirtschaftlichen Indikatoren in wichtigen Volkswirtschaften Europas und Asiens sorgte insgesamt für wachsende Unsicherheit hinsichtlich des Ausblicks für die Weltwirtschaft.

Hartwährungsanleihen
Der Index von Emerging Markets-Anleihen in US-Dollar lieferte im Juni eine Performance von 0,9%. Aufgrund der Unsicherheit im Zusammenhang mit Griechenland zeigten sich Investoren generell etwas vorsichtiger.

Ein überdurchschnittlicher Ertrag war bei Venezuela und Weißrussland zu beobachten. Im Falle von Venezuela waren Spekulationen über den Gesundheitszustand von Präsident Chavez der Treiber hinter dem Preisanstieg. In Weißrussland setzte eine Erholung bei den Anleihen ein, nachdem die Regierung sich mit verschiedenen Institutionen auf wirtschaftsunterstützende Hilfszahlungen geeinigt hatte.

Lateinamerikanische Staaten mit positiver Ratingentwicklung (Uruguay, Panama, Brasilien) konnten sich ebenfalls behaupten.

Die Gruppe der "Underperformer" wurde von Belize (-20,4%) angeführt. Sorgen über eine massive Verschlechterung des Staatshaushaltes aufgrund der geplanten Nationalisierung einer Elektrizitätsgesellschaft führten zum Abverkauf der Anleihen. Aber auch andere weniger stabile Emittenten, deren Anleihen zudem geringe Liquidität aufweisen, kamen unter Druck (Pakistan, Irak, Georgien).

Zudem liefen einzelne Schwellenländer mit höherem Rating und geringerer Risikoprämie (Chile, Malaysia, Polen) schlechter als der Vergleichsindex.

Lokale Bondmärkte von Schwellenländern
Die lokalen Bond-Märkte von Emerging Markets-Ländern mussten im Juni einen Rückschlag hinnehmen. Sie lieferten einen Ertrag von -0,6% (in Euro). Die negative Performance wurde durch eine schwächere Entwicklung der  Emerging Markets-Währungen gegenüber dem Euro hervorgerufen.

Ein Teil der negativen Währungsentwicklung gegenüber dem Euro resultierte aus der Abwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro (1,0%), welche sich auch bei einigen Währungen aus Lateinamerika und Asien zeigte.

Darüber hinaus kam es zu stärkeren Währungsabwertungen in der Türkei und in Thailand. Während die türkische Lira unter den Sorgen der Investoren über das Defizit in der Leistungsbilanz litt, sorgten die bevorstehenden Wahlen in Thailand für stärkere Schwankungen am Währungsmarkt.

Im Gegensatz zu den Währungen war für die lokalen Anleihen von Schwellenländern in Landeswährung ein positiver Ertrag zu verzeichnen. Kursverluste ergaben sich nur für Bonds aus Thailand und Kolumbien.

In vielen anderen Ländern kam es zu teils deutlichen Renditerückgängen und entsprechenden Kursgewinnen. Dies reflektiert auch die zuletzt viel moderatere Inflationsentwicklung in zahlreichen Ländern und die Tatsache, dass bei vielen lokalen Bondmärkten schon stärkere Erwartungen über Zinserhöhungen in den Preisen berücksichtigt worden waren.

Rohstoffmärkte
Wichtig bei Investments in Emerging Markets-Anleihen ist auch die Betrachtung der Preisentwicklungen im Rohstoffbereich. Im Monat Juni gab es zudem stärkere Schwankungen bei vielen Rohstoffpreisen.

Dies wurde einerseits durch die Diskussion über den globalen Wachstumsausblick getrieben. Andererseits gab es aber auch aus einigen Industrieländern überraschende Nachrichten zum Ölmarkt. Einige Regierungen gaben bekannt, dass ein Teil der strategischen Ölreserven zum Verkauf an den Märkten freigegeben werden sollen. Dies kann als Versuch angesehen werden, den Ölpreis zu stabilisieren, um die Nachfrage zu stützen. Allerdings kam es nur kurzzeitig zu einem Rückgang des Ölpreises, zum Monatsende lag er schon wieder auf einem vergleichbaren Niveau wie zu Beginn dieser überraschenden Maßnahme.

Die Tatsache, dass sich die Rohstoffpreise insgesamt auf hohem Niveau halten, wirkt sich fortlaufend positiv auf die Leistungsbilanzen vieler Emerging Market-Länder aus.

Inflationstrend
Bei der Inflationsentwicklung in Schwellenländern zeigt sich ein eher uneinheitliches Bild. In einigen Ländern wie Brasilien und Ungarn liegt die Inflationsrate weiterhin über dem Ziel oder bewegt sich deutlich nach oben wie aktuell im Falle der Türkei. Während sich die Kommentare der brasilianischen Zentralbank entsprechend geändert haben und kritischer geworden sind, ist eine entsprechende Reaktion in der Türkei und Ungarn bisher ausgeblieben.

Daneben gibt es aber auch zahlreiche Emerging Market-Länder, in denen sich die Inflationsentwicklung moderat zeigt und allenfalls ein leichter Anstieg innerhalb eines akzeptablen Rahmens zu beobachten ist. Zu dieser Gruppe zählen Kolumbien, Malaysia, Mexiko, Polen und Südafrika. In diesen Ländern sind zudem die Zentralbanken auch sehr aktiv in ihrer Kommunikation und haben teilweise bereits durch Zinserhöhungen eine aktive Rolle bei der Steuerung der Inflationserwartungen eingenommen.

Ähnlich zeigt sich der geldpolitische Kurs in China, auch wenn dort der Anstieg der Inflation etwas stärker ausgefallen ist. Nichtsdestotrotz ist auch im Reich der Mitte keine Destabilisierung zu erwarten, da die Behörden durch ein breit gestreutes Set an Maßnahmen auf die stärker steigenden Konsumentenpreise reagieren.

Ein vollständig anderes Bild zeigt sich hingegen in Ländern wie Indonesien, wo zuletzt sogar ein Rückgang der Inflationsrate zu beobachten war.

Fazit:
Die leichte Abschwächung des globalen Wirtschaftswachstums sollte nur bei einzelnen Staaten der Emerging Markets zu spürbaren Bremseffekten führen. Wesentlich wichtiger für die Kursentwicklung an den Finanzmärkten ist die globale Risikoneigung, die vor allem durch Ereignisse in Westeuropa und den USA beeinflusst wird. Den in einigen Volkswirtschaften zu beobachtenden Inflationsanstieg können die Zentralbanken durch eine Straffung der Geldpolitik entgegenwirken, ohne dass dies das Wirtschaftswachstum gängelt. Darüber hinaus profitieren viele Länder von einer stabilen Entwicklung der außenwirtschaftlichen Indikatoren. Dies wird unter anderem durch einen anhaltenden Anstieg der Währungsreserven vieler Zentralbanken der Emerging Markets reflektiert, wodurch sich die Kreditwürdigkeit der entsprechenden Staaten weiter verbessert. Angesichts des weiterhin stabilen oder sogar zulegenden Wirtschaftswachstums in vielen Emerging Markets-Ländern ist die Perspektive für diese Volkswirtschaften aber weiterhin positiv.


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*) Dr. Nicolas Schlotthauer, Head of Emerging Markets Debt, DB Advisors (Kontakt: <link>nicolas.schlotthauer@db.com bzw. +49 (69) 71 706 34 85).