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Kommentar: ESG-Strategien bieten langfristig Mehrwert

Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien und CO2-Fußabdruck im Investmentprozess dient nicht nur Gesellschaft und Umwelt. Richtig implementiert, schützen geeignete Filter das Portfolio gleichzeitig vor häufig unterschätzten Risiken und eröffnen neue Investmentchancen.

Carmine De Franco

Umwelt, Soziales und Unternehmensführung spielen für immer mehr Investoren weltweit eine wichtige Rolle: Immer häufiger werden ESG-Kriterien in die Analyse von Wertpapieren und die darauf fußenden Investmententscheidungen integriert. Mittlerweile gehen fast zwei Drittel der institutionellen Investoren davon aus, dass die Berücksichtigung von ESG-Kriterien innerhalb der kommenden fünf Jahre Standard bei allen Asset Managern sein wird. Das ergibt der Global Survey of Institutional Investors der französischen Fondsgesellschaft Natixis Investment Managers.

Regulierung, öffentliche Meinung und ein gewachsenes Bewusstsein hinsichtlich der Bedeutung von ESG für das langfristige Unternehmensergebnis seitens der Investoren haben diesen Paradigmenwechsel in den vergangenen Jahren stark befördert. Hinzu kommt die für eine Begrenzung des Klimawandels nötige und von der Gesellschaft zurecht eingeforderte massive Reallokation von Kapital in Richtung einer ressourcenschonenden Wirtschaft. Sie verlangt von Investoren eine komplette Neubewertung der Standard-Risiko-Ertrags-Kalkulation bei der Portfolio-Konstruktion.

So gilt es zunehmend, im Portfolio verborgene Emissionsrisiken, das so genannte Carbon Risk, zu identifizieren und entsprechend zu managen. Schließlich führt das erklärte politische Ziel, Treibhausgas-Emissionen zu verringern, zu entsprechenden Steuerinitiativen rund um den Globus, die die Ergebnisse CO2-intensiver Unternehmen zunehmend belasten. Gelingt der Übergang zu einer Low-Carbon-Economy, dürften sich viele ihrer Geschäftsmodelle als obsolet erweisen.

Eines der prägnantesten Beispiele ist der Öl- und Gas-Sektor: Der Marktwert der im Sektor enthaltenen Unternehmen hängt stark vom Öl- beziehungsweise Gaspreis und ihren nachgewiesenen und ökonomisch förderbaren Reserven ab. Was aber, wenn sich diese Reserven am Ende nicht nutzen lassen? Der britische Zentralbankchef Mark Carney beispielsweise nennt sie gestrandete Vermögenswerte. Nicht unwahrscheinlich ist, dass er richtig liegt: Um eine 50%ige Chance darauf zu wahren, dass der globale Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts zwei Grad Celsius nicht übersteigt, dürften nur noch zwischen einem Fünftel und einem Drittel der nachgewiesenen Öl- und Gasreserven genutzt werden, hat der Weltklimarat IPCC errechnet.

Das hätte klarerweise eine massive Verschiebung der Öl- und Gaspreise zur Folge, die Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle etlicher Unternehmen weit über den Sektor hinaus entfaltete. Die damit verbundenen kurz- wie langfristigen Risiken lassen sich auf Investorenseite durch eine kluge Kombination aus Kohlenstoffeffizienz- und ESG-Kriterien indes gut handhaben.

Denn beide Aspekte gehen Hand in Hand: Es ist zu erwarten, dass die Verschwendung von Ressourcen durch Unternehmen von der Gesellschaft und der öffentlichen Meinung zunehmend als unethisch geächtet werden wird; das sollte zu einer engen Beziehung von Kohlenstoff-Effizienz und einem positiven ESG-Score zur langfristigen Performance sorgen.

Nicht ohne Grund zählen daher die Berücksichtigung von ESG-Kriterien und die Formulierung ehrgeiziger Klimaschutzziele auf Portfolioebene heute zu den meist diskutierten Themen innerhalb der Finanzbranche. Noch empfinden viele Investoren das als eine doppelte Herausforderung: Einerseits sind sie angehalten, diesen Zielen über höhere ESG-Scores und strikte Begrenzung der CO2-Emissionen auf Portfolioebene immer besser gerecht zu werden. Auf der anderen Seite gilt es, auch weiterhin jederzeit den Verbindlichkeiten gerecht zu werden und entsprechende Erträge zu erwirtschaften.

Drei Aspekte sind damit in Einklang zu bringen: ein klar definiertes Risiko-Ertrags-Profil mit belastbaren Performance-Treibern; die Berücksichtigung von ESG-Kriterien auf globaler Ebene; und schließlich ein ambitioniertes Ziel für die Verringerung von Treibhausgas-Emissionen.

Tatsächlich lässt sich zeigen, dass der vielfach gefürchtete Trade-off häufig ausbleibt. Vielmehr lassen sich ESG- und Emissionsreduktions-Kriterien so in die Portfolio-Konstruktion integrieren, dass sich am Rendite-Risiko-Profil allenfalls marginal etwas ändert. So lässt sich etwa für unterschiedliche Aktien-Portfolios nachweisen, dass die Implementierung von sorgfältig gewählten ESG- und Low-Carbon-Filtern die Performance kaum beeinträchtigt. Um das ursprüngliche Portfolio-Profil weitestgehend zu erhalten, sollte dabei die Diversifikation über Länder, Sektoren und weitere Risikofaktoren erhalten werden.

Konkret kann für Standard-Aktienindizes im Lage-Cap-Segment belegt werden, dass ein stringenter ESG-Ansatz mit Ausschlusskriterien und einem Best-in-Class-Filter in Kombination mit einer Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 50% auf Jahressicht allenfalls einige Zehntelprozentpunkte an Performance kostet.

Gleiches gilt auch für Smart-Beta-Strategien: Auch wenn man ESG- und Kohlenstoff-Kriterien berücksichtigt, lassen sich Alternative-Beta-Performancequellen extrahieren. Allerdings sind bei den bekannten Ansätzen wie etwa Minimum-Varianz- oder Value-Strategien die entsprechenden Filter mit besonderer Vorsicht zu wählen und einzusetzen, damit die Risikoprämien erhalten bleiben.

Ohnehin gibt es aber nicht den einen erfolgversprechenden ESG-Ansatz. Neben dem Ausgangsportfolio, auf das er angewendet werden soll, sind insbesondere auch unterschiedliche Moralvorstellungen und Unternehmenskulturen auf Investorenseite zu berücksichtigen.

Zusammenfassend lässt sich aber in jedem Fall festhalten: Die Einbeziehung von ESG-Kriterien vervollständigt die existierenden Risiko-Management-Techniken und wird sich jedenfalls mittel- bis langfristig positiv auf die Performance eines Portfolios auswirken. Das gleiche gilt für CO2-Ziele. Hier könnte der Zeitrahmen sogar noch kürzer sein.

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*) PhD Carmine De Franco ist Head of Fundamental Research bei Ossiam.