Foundation | Welcome

Menu


Kommentar: Neue Schlüsselrolle der Asset Manager als Fremdkapitalgeber

Vermögensverwalter für Alternative Anlagen lösen die traditionelle Bankfinanzierung ab. Das eröffnet institutionellen Investoren neue Chancen.

William Nicoll

Unmittelbar nach der Finanzkrise vor zehn Jahren suchten viele Unternehmen nach neuen Finanzierungsquellen, da die Banken als Kreditgeber auf dem Rückzug waren. Inzwischen haben sich neue Strukturen am Markt etabliert. Zwar wird der Kreditmarkt in Europa nach wie vor von Banken dominiert. Doch wird mittlerweile ein erheblicher Teil des Finanzierungsvolumens von Asset Managern und Pensionskassen bereitgestellt. Dabei handelt es sich in der Regel um Kredite an wirtschaftlich gesunde Unternehmen. Sie wollen entweder bestehende Bankkredite refinanzieren oder benötigen neues Kapital, um ihre Geschäftstätigkeit auszuweiten.

Die Asset Manager spielen auch eine wichtige Rolle bei komplexeren Finanzierungen, für die Banken weniger Risikobereitschaft zeigen. Dementsprechend gewinnt die zunehmende Verfügbarkeit langfristigen Kapitals institutioneller Investoren am europäischen Markt für Finanzierungen an Bedeutung. Für Asset Manager, die über die notwendigen Ressourcen verfügen und imstande sind, ungewöhnliche oder komplexe Anlagen entweder mit eigenen Kapazitäten oder mittels Partnerschaften zu tätigen, bieten sich Chancen: So bei Direktkrediten an Unternehmen, gewerblichen Hypotheken, Infrastrukturanleihen, Finanzierungen für Unternehmen in wirtschaftlichen Notlagen oder Sondersituationen und bei Asset Backed Securities.

Die seit Jahren extrem niedrigen Zinsen stellen eine Herausforderung für Pensionskassen, Versicherungen und andere institutionelle Anleger dar, die verlässliche Ertragsströme und Renditen zur Erreichung ihrer langfristigen Ziele suchen. Die Verfügbarkeit vielfältiger Finanzierungsquellen mit oft flexibleren Bedingungen und längeren Laufzeiten hat sich dabei auch als attraktiv für die Kreditnehmer erwiesen.

Verstärkte direkte Kreditvergabe
Insbesondere Direktkredite sind für Finanzierungsgeber außerhalb des Bankensektors ein wichtiges Betätigungsfeld geworden, nachdem sich viele Banken aus dem Kreditgeschäft mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen zurückgezogen haben. Solchen „Direct Lending“-Strategien sind in den vergangenen fünf Jahren in stark erhöhtem Umfang Mittel zugeflossen, was die zunehmende Präsenz von Kreditgebern außerhalb des Bankensektors und verstärkten Wettbewerb in vielen Bereichen des Mittelstands widerspiegelt. In den letzten 22 Quartalen wurden 1.381 Kredittransaktionen für mittelgroße Unternehmen verzeichnet, wie aus dem Deloitte Alternative Deal Tracker-Report im ersten Quartal 2018 hervorgeht. Dabei entfiel der größte Anteil auf Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Im übrigen Europa, vor allem in der Schweiz, war die Entwicklung nicht ganz so dynamisch.

Der Fokus aber liegt inzwischen nicht mehr auf der herkömmlichen Direktkreditvergabe. Stattdessen haben sich einige Finanzgeber außerhalb des Bankensektors in eigenen Nischen etabliert und spezialisiert, andere sind innovative Partnerschaften mit Banken eingegangen, um an Anlageobjekte zu gelangen. Der Kreditmarkt befindet sich in permanentem Wandel: Die besten Gelegenheiten lassen sich häufig in nicht standardisierten, komplexen und von nur wenigen Anbietern abgedeckten Bereichen finden.

Chancen der Spezialfinanzierungen
In den letzten Jahren haben sich institutionelle Kapitalgeber verstärkt Bereichen zugewandt, die einst eine typische Domäne der Banken waren. So ermöglicht der Bereich Spezialfinanzierungen ein Engagement in ordnungsgemäß bedienten Krediten, die von europäischen Banken an Privatkunden und Kleinunternehmen vergeben wurden. Diese eröffnen institutionellen Anlegern die Aussicht auf attraktive Renditen und Kapitalzuwachs in Verbindung mit der Möglichkeit, gegebenenfalls auf Sicherheiten zugreifen zu können.

In der Vergangenheit haben Banken stets eine Reihe von Mechanismen genutzt, um einen Sekundärfinanzierungsmarkt zu schaffen und darüber Kapital für mehr Kredite freizusetzen. Inzwischen ist es Kreditgebern außerhalb des Bankensektors – dank regulatorischer und technologischer Entwicklungen – erstmals möglich, „gesunde“ Kreditportfolios im großen Stil zu erwerben.

Notleidende Kredite oder laufende Darlehen in Randbereichen wurden von Banken zwar seit jeher veräußert. Allerdings weist der Verkaufspreis notleidender Vermögenswerte in der Regel erhebliche Abschläge zum Buchwert auf. Der Verkauf großer notleidender Kreditpakete kann deshalb hohe Verluste auslösen und damit genau jene Eigenkapitalquoten verschlechtern, deren Verbesserung die Banken aufgrund regulatorischer Anforderungen anstreben.

Die Banken bemühen sich deshalb vermehrt darum, auch Portfolios ordnungsgemäß bedienter Kredite weiterzureichen. Dabei stellen sie vor allem Forderungen zum Verkauf, bei denen die regulatorischen Kapitalanforderungen gestiegen sind, der Marktwert aber recht stabil geblieben ist. Solche Portfolios umfassen Kredite an Privatkunden, wie zum Beispiel Eigenheimhypotheken, Kreditkartenforderungen, Autokredite, Privatdarlehen und Überziehungskredite, sowie Kredite an kleine Unternehmen, vor allem zur Betriebsmittelfinanzierung, zum Leasing oder als Unternehmensdarlehen.

Diese Kreditportfolios können für Investoren, die nicht denselben Kapitalvorgaben wie die Banken unterliegen, attraktive Renditen im Vergleich zum eingegangenen Risiko bieten. Ihr Kauf kann demnach sowohl dem Erwerber als auf dem Verkäufer Nutzen stiften.

Umfassende Kreditanalyse nötig
Diese neue Assetklasse erfordert aufgrund ihrer Komplexität ein hohes Maß an Expertise und Erfahrung bei der Identifikation interessanter Anlagechancen. Kreditanalysten sollten daher bei den jeweiligen Krediten eine umfassende Due Diligence-Prüfung durchführen und sich bei der Evaluierung des Risikos nicht nur auf gängige Kennzahlen verlassen, wie etwa die Loan-to-Value-Ratio im Fall von Eigenheimhypotheken. Eine darüber hinaus gehende Analyse sowohl auf Ebene der einzelnen Kredite als auch in Bezug auf den gesamten Kredit-Pool ist die entscheidende Voraussetzung dafür, die entscheidenden Risiken einer solchen Transaktion zu verstehen. Die Werthaltigkeit der Kredite sollte bei einer Investmententscheidung stets im Vordergrund stehen.

---
*) William Nicoll ist Co-Head des Bereichs Alternative Credit bei M&G Investments.