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Kommentar: Rotation aus institutioneller Perspektive

Ein Großteil der institutionellen Investoren vermeidet einen sogenannten „Rotation Trade“, also eine Umschichtung aus Anleihen in Aktien. Die Begründung hierfür lautet häufig: Langfristig orientierte Investoren verfolgen ein klares Ziel und sollen sich nicht von kurzfristigen Marktentwicklungen beeinträchtigen lassen. Oftmals ist dadurch auch tatsächlich kein Renditevorteil zu erzielen. Trotzdem kann es sinnvoll und notwendig sein, einen Blick auf die Märkte zu werfen, wenn es um Entscheidungen für oder gegen eine auf lange Sicht angelegte Investition geht.

Tim Gardener

Die meisten institutionellen Fonds müssen ihre Anlageziele erreichen, die sich aus Verbindlichkeiten und Risiken definieren. So besteht das Ziel eines leistungsbezogenen (Defined Benefit) Pensionsfonds darin, seine Pensionsverpflichtungen bei Fälligkeit erfüllen zu können. Der „Least-Risk-Approach“ ist jener, der Forderungen und Verbindlichkeiten exakt aufeinander abstimmt; das Risiko wird im Verhältnis dazu definiert. Andere Investoren haben ein absolutes Anlageziel.

Die Risikopositionierung ist das entscheidende Kriterium
Letztlich unterscheiden sich die Risiken einzelner Investoren erheblich voneinander, und Veränderungen der Asset-Allokation hängen im Wesentlichen von dem – für den betreffenden Anleger – damit verbundenen Risiko und der aktuellen Risikopositionierung ab. Dabei richtet sich das Risiko nach dem Ausmaß, in dem die Vermögensstrukturierung des betreffenden Fonds von der am wenigsten risikoreichen Asset-Allokation abweicht.

Grundsätzlich gilt: Risiko ist kein einheitliches Konzept und nicht alle Risiken betreffen alle Investoren. Für einige Anleger ist Risiko die Wahrscheinlichkeit einer dauernden Beeinträchtigung ihres Vermögens. Für andere ist Volatilität eine Chance, billig einzukaufen und teuer zu verkaufen. Illiquidität ist nur dann ein Risiko, wenn man verkaufen muss, doch eine Chance für langfristig orientierte Investoren.


Die Risikotoleranz variiert
Der Eindruck, dass eine veränderte Wahrnehmung des relativen Risiko-Ertrags-Verhältnisses zwischen Anleihen und Aktien massive Zahlungsströme von einer Anlageform zu anderen auslöst, macht sich zwar gut als Schlagzeile, ist aber zu simpel. Es mag sein, dass bestimmte Gruppen von Investoren beträchtliche Summen bewegen, aber das gilt sicherlich nicht für alle Kapitalanleger. Eine Versicherungsgesellschaft reagiert beispielsweise sensibler auf bestimmte Risiken als eine Stiftung. Sogar innerhalb derselben Anlegerkategorie variiert die Risikotoleranz je nach Portfolio oder auch finanzieller Leistungsfähigkeit des Fondsinitiators. So könnte beispielsweise ein Anleger, der noch weit von seiner mit dem geringsten Risiko verbundenen Allokation entfernt ist, eine Preisänderung zwar zum Anlass nehmen ein etwaiges De-Risking zu verschieben, jedoch nicht, um sich noch weiter von der betreffenden Allokation zu entfernen. Im Gegensatz dazu mag ein Investor, der seiner Risikoposition bereits nahe ist und über einen leistungsfähigen Sponsor verfügt, seine Allokation in Richtung risikoreicherer Werte ausrichten.

Dem Marktkonsens vorgreifen
Man geht allgemein davon aus, dass die Zinsen in den nächsten Jahren steigen werden. In der Folge würden die Anleihekurse fallen und diese Assetklasse negative Renditen abwerfen. Gleichfalls wird mehrheitlich die Meinung vertreten, dass Aktien mittelfristig einen angemessenen stabilen Wert bieten. Institutionelle Investoren mit langfristiger Ausrichtung, die dieser Überzeugung sind und keine Verbindlichkeiten haben, könnten ihre Kapitalanlagen dementsprechend von Anleihen in Aktien umschichten. Da ein solcher Investor aber diese Einschätzung von Aktien und Anleihen auch im vergangenen Jahr vertreten haben wird, ist es wahrscheinlicher, dass er Kapital bereits dann umgeschichtet hat, als Medien und andere Marktbeobachter noch von einer „Risk-off-Phase“ sprachen. Institutionelle Investoren wissen, dass von öffentlichen Aufrufen zur Portfolioumschichtung nur die Market-Maker profitieren, die an den Transaktionskosten gut verdienen. In der Regel lohnt es sich, dem Marktkonsens vorzugreifen: Man kauft, wenn die Preise niedrig sind.

Der Spielraum für Rotation ist eng
Die meisten institutionellen Investoren haben, wie erwähnt, Verbindlichkeiten. Daher sind es meistens die Marktaufsicht, Wirtschaftsprüfer und/oder Versicherungsmathematiker, die festlegen, wie der Barwert dieser Verbindlichkeiten zu berechnen ist. Sie bestimmen damit praktisch die am wenigsten risikoreiche Asset-Strategie. Hinzu kommt, dass es zunehmend die Marktaufsicht ist, die bestimmt, wie stark ein Investor von der am wenigsten risikoreichen Vermögensstrategie abweichen darf. Dies bedeutet: Sowohl bei Versicherungsgesellschaften als auch bei leistungsorientierten Pensionsfonds stützt sich die mit den geringsten Risiken verbundene Asset-Strategie vornehmlich auf Anleihen. Zurzeit geht etwaiger aufsichtsrechtlicher Druck dahin, die Gewichtung von Anleihen noch zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund besteht entweder kein Spielraum für eine Rotation oder – im Falle leistungsorientierter Pensionsfonds – der Eindruck, dass Aktien bereits übergewichtet sind. Relative Bewertungen könnten diese Kapitalanleger unter Umständen davon abhalten, sich stärker in Anleihen zu engagieren, eine Rotation aus der Anlageform Anleihen ist dagegen unwahrscheinlich. Dazu müssten Marktaufsicht, Wirtschaftsprüfer und Versicherungsmathematiker erst noch Risiko sowie Bewertung von Verbindlichkeiten neu definieren.

Fazit: keine grundsätzliche Tendenz zur Erhöhung des Aktienanteils
Die meisten institutionellen Fonds, bei denen sich der Wert der Verbindlichkeiten nach den Anleihekursen richtet, bemühen sich bereits um eine Verringerung ihres Exposures gegenüber den Langfristzinsen. Gleichwohl besteht keine grundsätzliche Tendenz, den Aktienanteil zu erhöhen: Die Tatsache, dass Anleihen – absolut gesehen – überteuert sind, bedeutet nicht zwangsläufig, dass Aktien unterbewertet sind. Diejenigen institutionellen Investoren, bei denen sich der Wert ihrer Verbindlichkeiten generell nach den Anleihekursen richtet, sehen nur insofern Handlungsbedarf, als dass sie sicherstellen müssen, dass die Duration ihrer Aktivseite unter der ihrer Passivseite liegt. In einigen Fällen werden daher weitere Aktienverkäufe einstweilen verschoben. Sofern es zu Umschichtungen kommt, finden diese in eher geringem Maße statt – es sei denn, dass sich bei der Bewertung von Verbindlichkeiten etwas geändert hat.


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*) Tim Gardener ist Head of Institutional Client Strategy bei AXA Investment Managers.