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Kommentar: Schwäche der Schwellenländer nur kurzfristig

Braut sich eine Krise zusammen oder erleben wir nur eine überfällige Marktkorrektur? Das ist die große Frage für alle, die im Jahr 2018 in Emerging-Market-Anleihen investieren.

In US-amerikanische Dollar denominierte Anleihen sind gemessen am J.P. Morgan EMBI Global Diversified Index seit Jahresbeginn um fünf Prozent gesunken und auch Lokalwährungsanleihen haben gemessen am J.P. Morgan GBI-EM Global Diversified Index in US-Dollar bis zum 11. Juni um vier Prozent verloren. Doch vor dem Hintergrund, dass die Märkte im vergangenen Jahr ein zweistelliges Wachstum verzeichnen konnten, dürfte es sich wohl eher um eine vorübergehende Schwächephase handeln.

Generell ist der derzeitige Ausverkauf auf mehrere miteinander verbundene Entwicklungen zurückzuführen. So sind zum Beispiel die Renditen für US-Staatsanleihen auf drei Prozent gestiegen. Gleichzeitig hat der US-Dollar an Stärke gewonnen. Folglich sank der Wert einiger Schwellenländerwährungen und zugleich die Attraktivität einiger Anleihen. Das Vertrauen in die Assetklasse mag zuletzt gesunken sein, doch letztlich ist es den Märkten gelungen, länderspezifische Schwächen zu erkennen. Ein gutes Beispiel hierfür ist Argentinien. Das Land steht hohen kurzfristigen Schulden gegenüber, es herrscht ein starker Inflationsdruck und die Währung ist gegenüber dem US-Dollar verhältnismäßig hoch bewertet. Aus diesem Grund – aber insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Regierung bislang keinen Willen signalisiert hat, die Probleme auf lange Sicht sinnvoll anzugehen – scheint die höhere Rendite des Landes durchaus berechtigt. Trotzdem kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die schlechte Stimmung, die aktuell vor allem Argentinien und Brasilien betrifft, auch auf andere Emerging Markets übergreift. Und auch die Volatilität könnte aufgrund verschiedener Faktoren in den Markt zurückkehren. Folglich sollten Anleger einige Dinge besonders im Auge behalten: Das sind zum einen die zunehmenden Handelskonflikte, zum anderen aber auch die Zwischenwahlen in den USA oder die Präsidentschaftswahlen in Brasilien. Insgesamt sollten Anleger deswegen auch kurzfristig vorsichtig agieren.

Düstere Stimmung dürfte sich aufhellen
Trotz alledem gibt es noch immer genügend Gründe optimistisch zu bleiben: Zu allererst einmal sind die Fundamentaldaten vieler Schwellenländer gut und auch die Rohstoffpreise sind derzeit stabil und scheinen nicht übertrieben. Zudem befinden sich die Schuldenstandsquoten durchweg in einem akzeptablen Rahmen. Im direkten Vergleich ist die Schuldenlast in den Emerging Markets sogar deutlich niedriger als in manchem Industrieland. Auch ist die Anfälligkeit der Schwellenländer für politische Risiken oder steigende US-Zinsen geringer als oft vermutet: Denn eine bessere Schuldenstruktur kann höheren Renditen einiges entgegensetzen. Zugleich orientieren sich die Notenbanken vieler Schwellenländer stark am Wachstum und der Inflation im eigenen Land. Zu guter Letzt dürfte aber auch das synchrone Weltwirtschaftswachstum die Emerging-Market-Bonds weiter stützen – selbst wenn dieses nicht mehr ganz so hoch ist, wie im vergangenen Jahr.



Auch die steigenden US-Zinsen müssen nicht zwangsläufig zu einem Ausverkauf von Schwellenländeranleihen führen. Insbesondere wenn der Zinsanstieg den Ankündigungen der amerikanischen Notenbank Fed entspricht und folglich auch den Markterweiterungen, dürften keine Probleme für die Emerging Markets entstehen. Denn ein ausgewogenes Wachstum der Schwellenländer ist viel relevanter als die Entwicklung der US-Zinsen. Außerdem werden heutzutage insgesamt weniger Anleihen in US-Dollar ausgegeben als noch vor einigen Jahren. Zur Verdeutlichung: Heute dominiert der Anteil an Lokalwährungsanleihen mit 1,2 Billionen US-Dollar gegenüber den US-Dollaranleihen mit 0,9 Billionen US-Dollar. Deswegen sind Schwellenländeranleihen mittlerweile auch weniger stark von Erhöhungen der US-Zinsen betroffen. Damals als Emerging-Markets-Bonds noch überwiegend in US-Dollar denominiert waren, verkauften die Investoren ihre Anleihen bei Zinserhöhungen schnellstmöglich. Dieses Muster dürfte sich aufgrund der Verschiebung jedoch nicht wiederholen.



Im derzeitigen Umfeld scheint es für Investoren sinnvoll zu sein, sich auf Lokalwährungsanleihen zu konzentrieren. Bei der Wahl der Laufzeiten sollten Investoren auf ein Gleichgewicht zwischen höher verzinslichen Lokalwährungsanleihen, die unter fünf Jahren laufen, und länger laufenden Investmentgrade-Titel setzen. Besonders attraktiv sind Staatsanleihen aus Ländern mit guten Wachstumsperspektiven und politischer Stabilität, oder aber auch nachlassenden politischen Risiken. Auch eine klare Notenbankpolitik und eine Wirtschaft für die länderspezifischen Entwicklungen wichtiger sind als externe Faktoren, können vielversprechend sein. Derzeit attraktive Märkte sind unter anderem Indien, Südafrika und Mexiko sowie viele afrikanische Staaten. Insgesamt hatte die jüngste Volatilität nämlich auch einen Vorteil: Sie hat das Ertragspotenzial vieler Länder steigen lassen – und das obwohl ihre Fundamentaldaten noch immer so gut wie vor den unruhigen Zeiten sind. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass amerikanische High-Yield-Anleihen so enge Spreads besitzen, wie seit zehn Jahren nicht mehr, könnten Schwellenländeranleihen für Investoren interessant sein. Denn sie bieten ähnlich hohe laufende Erträge und können das Aktienportfolio noch etwas besser diversifizieren.

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*) Kirstie Spence ist Anleihenportfoliomanagerin bei der Capital Group.