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Kommentar Unternehmensanleihen: Auflockerung der Kaufzurückhaltung

Die konkreten Ergebnisse des EU-Gipfels übertrafen am Ende die Markterwartungen deutlich. Zwar bleiben Implementierungsrisiken bestehen, doch wird die Handlungsfreude am Markt positiv aufgenommen. Wir

gehen von weiter sinkenden Risikoaufschlägen aus.

Thomas Höfer

Rückblick
Im Juni war an den Euro-Unternehmensanleihemärkten eine moderate Spread-Einengung zu beobachten. Der Asset Swap Spread auf Indexebene steht bei 207 Basispunkten (Bp.) und damit 8Bp. niedriger als Ende Mai. Dies entspricht einem Mehrertrag von 75Bp. im Vergleich mit durationsadjustierten Bundesanleihen. Die Performance wurde vom Finanzsektor mit einem Mehrertrag von 134Bp. angeführt, wobei der Nachrang- bereich sich besonders gut entwickelte.

Mit Anleihen außerhalb des Finanzsektors war im Durchschnitt kein Mehrertrag gegenüber Bunds zu erzielen. In allen Bereichen zeigte sich jedoch eine geografische Aufspaltung. Während sowohl Finanz- als auch Industrieanleihen aus Kernländern der Eurozone eine deutliche Rally verzeichneten, sind die Spreads der meisten Anleihen aus Peripherieländern heute weiter als noch vor einem Monat.

Die Unternehmensanleihemärkte waren im Juni dominiert von politischen Ereignissen. Spanien beantragte Finanzhilfen für den Bankensektor und bekam Hilfen im Umfang von bis zu 100 Mrd. Euro in Aussicht gestellt. Nach der griechischen Neuwahl konnte eine „eurofreundliche“ Regierung gebildet werden, die trotz ihres sofortigen Wunsches, die Bedingungen des laufenden Hilfsprogrammes neu zu verhandeln, die Wahrscheinlichkeit für einen sofortigen Austritt aus der Eurozone, deutlich verringert.

Die auf diese Nachrichten folgenden Erleichterungsphasen an den Credit-Märkten dauerten  jeweils kaum länger als einen halben Tag, die Marktteilnehmer waren offensichtlich nicht von der Nachhaltigkeit der Lösungen überzeugt. Dementsprechend niedrig waren auch die Erwartungen in Bezug auf den Ende Juni stattfindenden EU-Gipfel, und umso überraschter waren die Marktteilnehmer, dass die Entscheidungsträger diesmal mit Ergebnissen vor die Presse traten.

Positives Momentum nutzen
Der ESM soll Banken zukünftig direkt rekapitalisieren können, ohne den Umweg über den Staat zu nehmen. Im Gegenzug soll es eine EU-weite Bankenaufsicht unter der Kontrolle der EZB geben. Der ESM soll außerdem gleichrangig mit anderen Gläubigern behandelt werden, zusätzlich werden die Bedingungen für Länder, deren Anleihen vom ESM aufgekauft werden sollen, gelockert. Gefühlt ist dies das erste Mal seit langer Zeit, dass ein EU-Gipfel tatsächlich konkrete Ergebnisse bringt, so dass die Markterwartungen damit deutlich übertroffen wurden. Obwohl die Implementierung dieser Maßnahmen alles andere als leicht sein dürfte und zudem viel Zeit in Anspruch nehmen wird, hat sich die gefühlte Ausfallwahrscheinlichkeit für Banken durch die Gipfelbeschlüsse verringert.

Im Vergleich zu anderen "Rallys" in den vergangenen Wochen scheint das positive Momentum in diesem Fall auch etwas länger anzuhalten. Dies beweist auch die Flut an Neuemissionen, die Anfang Juli im Anschluss an den EU-Gipfel an den Primärmarkt kam. Es wurden zahlreiche Anleihen aus dem Finanzsektor platziert, deren Laufzeiten hauptsächlich im kurzen, teils aber auch im längeren Bereich lagen. Aus dem Versicherungs- und Bankbereich kamen mehrere nachrangige Transaktionen, nicht zuletzt eine Lower Tier 2-Anleihe von Generali, deren Emission noch im Juni undenkbar gewesen wäre.

Ausblick
Die positive Entwicklung der Credit-Märkte von Anfang Juli scheint sich zunächst fortsetzen zu können. Obwohl Implementierungsrisiken in Bezug auf die jüngsten EU-Beschlüsse bleiben, wird die neue Handlungsfreude der Entscheidungsträger am Markt positiv wahrgenommen. Paradoxerweise können sogar negative Wirtschaftsdaten aus den USA wie z.B. ein Einkaufsmanagerindex von unter 50 als positiv aufgefasst werden, da dies die Wahrscheinlichkeit auf weitere quantitative Lockerungsmaßnahmen erhöht.

Insgesamt dürfte die Kaufzurückhaltung, die Investoren in den vergangenen Wochen zeigten, aufgrund der EU-Beschlüsse aufgelockert werden, so dass wir in den kommenden Wochen trotz hoch bleibender Volatilität von weiter sinkenden Risikoaufschlägen ausgehen.


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*) Thomas Höfer, Portfolio Manager, Head of Financial Credit Europe, DB Advisors.
Kontakt: thomas.hoefer(at)db.com bzw. Tel. +49 (69) 71 706 – 3190