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Kommentar Unternehmensanleihen: Solide Entwicklung im Jahr 2012 erwartet

Der aktuelle Expertenkommentar aus dem Hause DB Advisors wirft einen Blick auf den Markt für europäische Unternehmensanleihen mit Investment Grade-Rating. Wir erwarten sowohl im Finanz- als auch im Industriesektor sinkende Risikoaufschläge für das Jahr 2012.

Thomas Höfer

Start mit attraktivem Bewertungsniveau
Mit über 300 Basispunkten Risikoaufschlag gegenüber Bundesanleihen notieren Corporate Bonds nahe ihrer Spread-Höchststände seit Ausbruch der europäischen Schuldenkrise. Obwohl Anleihen aus dem Finanzsektor seit Jahresbeginn gegenüber Industrieanleihen eine deutliche Outperformance gezeigt haben, bleibt die Spread-Differenz zwischen den beiden großen Sektoren innerhalb des Unternehmensanleihesegments auf erhöhtem Niveau.

Finanzsektor: Solide Entwicklung bei kurzlaufenden Anleihen
Zahlreiche Faktoren sollten sich stark stützend auf die Bewertung von Bankanleihen auswirken. So setzt die Europäische Zentralbank ihre außergewöhnlich lockere Geldpolitik verstärkt fort. Sie führt zwei langfristige Refinanzierungsoperationen mit einer Laufzeit von je drei Jahren durch und hat außerdem die Anforderungen an die zu hinterlegenden Sicherheiten deutlich gesenkt. Zusätzlich können italienische Banken staatsgarantierte Anleihen an sich selbst begeben, die sie als Sicherheiten bei der EZB hinterlegen können. Dies vergrößert den Pool an verfügbaren Sicherheiten nochmals und könnte auch für andere Länder als Blaupause dienen. Dank der Kombination dieser Maßnahmen sollten Banken in der Lage sein, ihren gesamten kurz- und mittelfristigen Refinanzierungsbedarf zunächst über die Europäische Zentralbank decken zu können. Die Primärmarktaktivität im laufenden Jahr dürfte daher größtenteils auf solide Emittenten beschränkt sein, die längere Laufzeiten platzieren. Die oben erwähnte Reduzierung risikobehafteter Aktiva wird darüber hinaus den Refinanzierungsbedarf der Banken weiter senken. Wir erwarten daher für 2012 ein negatives Nettoneuemissionsvolumen.

Im Schatten der europäischen Schuldenkrise
Die europäische Schuldenkrise wird unserer Einschätzung nach auch im laufenden Jahr einen maßgeblichen Einfluss auf die Spreads von Unternehmensanleihen, speziell aus dem Finanzbereich, haben. Obwohl mittlerweile Einigkeit darüber herrscht, dass es keine schnelle Lösung für die Europeripheriekrise geben wird, könnten unerwartete negative Nachrichten aus den schuldengeplagten Ländern auch weiterhin insbesondere Bankanleihen unter Druck geraten lassen. Zudem werden die Ratings von Banken nicht zuletzt durch die jüngste Downgrade-Welle bei Staaten, als beispielsweise Frankreich von S&P auf AA+ herabgestuft wurde, beeinflusst. Die Anzahl von Banken im BBB-Bereich wird wachsen, im AA-Bereich verbleiben dagegen nur wenige.

Kapitallücken werden nicht toleriert
Auch in Bezug auf das regulatorische Umfeld bleibt die Unsicherheit des Marktes vorerst erhalten. Europäische Banken müssen bis Ende Juni 2012 eine Kernkapitalquote von 9% der risikogewichteten Aktiva aufweisen, wobei Staatsanleihebestände per Ende des dritten Quartals 2011 bei der Berechnung der risikogewichteten Aktiva berücksichtigt werden müssen. Die European Banking Association hat einen kumulierten Kapitalbedarf in Höhe von rund 115 Mrd. Euro festgestellt. Die meisten betroffenen Banken planen jedoch, die Kapitallücken durch die Verwendung einbehaltener Gewinne und die Reduzierung risikogewichteter Aktiva zu schließen. Die Mehrheit der Banken dürfte ihren Kapitalbedarf auf diese Weise problemlos decken können. Es verbleiben zwar Restrisiken in Bezug auf schwächere Emittenten und unidentifizierte Kapitallücken, eine Optimierung der Kapitalstruktur zum jetzigen Zeitpunkt dürfte den Banken jedoch helfen, den Basel III Kriterien in der Zukunft zu entsprechen.

Ein weiterer Einflussfaktor auf die Spreads von Bankanleihen wird die Implementierung von Restrukturierungsgesetzen auf EU- und nationaler Ebene sein. Die geplante Abstufung von vorrangigen unbesicherten Bankanleihen im Vergleich zu Kundeneinlagen dürfte die Risikoaufschläge von Bankanleihen auf Niveaus verharren lassen, die deutlich über ihrem langfristigen Durchschnitt liegen, genauso wie die niedrige Visibilität in Bezug auf das Bail-in von vorrangigen unbesicherten Anleihen.

Rückgang der Risikoaufschläge im Finanzsektor
Wir erwarten 2012 einen Rückgang der Risikoaufschläge von Anleihen aus dem Finanzsektor. Das geringere Neuemissionsvolumen sowie die außergewöhnlichen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank bleiben wichtige Einflussfaktoren für die Spreads. Durch die Aktivitäten der EZB wird jedoch auch das tatsächliche Ausfallrisiko für vorrangige, unbesicherte Finanztitel minimiert, da die Banken aufgrund der fast unbegrenzten Liquiditätsbereitstellung einer Restrukturierung entgehen können sollten. Besonders kurzlaufende Anleihen sollten daher eine solide Entwicklung zeigen.

Im Hinblick auf nachrangige Bonds ist unseres Erachtens jedoch Vorsicht geboten, da hier weiterhin Risiken in Bezug auf Kuponausfall und Nominalherabsetzung bestehen. Das Hauptrisiko für unser Szenario ist eine Eskalation der europäischen Schuldenkrise, die durch einen ungeordneten Zahlungsausfall Griechenlands und eine darauf folgende Ansteckung größerer Euroländer verursacht werden könnte.

Dank des jüngst erreichten Einvernehmens zwischen der griechischen Regierung und den öffentlichen und privaten Geldgebern bleiben große Verwerfungen an den Unternehmensanleihemärkten zunächst aus. Unternehmensanleihen weisen bisher eine hohe Widerstandsfähigkeit auf Unternehmensanleiheemittenten außerhalb des Finanzsektors befinden sich zu Beginn des Jahres in einer soliden fundamentalen Situation. Die Bilanzen sind in guter Verfassung, und hohe Cash-Positionen sowie sinkende Verschuldungsgrade lassen eine gute Widerstandsfähigkeit gegen einen wirtschaftlichen Abschwung vermuten. Eine erwartete leichte Rezession in der Eurozone sollte durch ein weiterhin robustes Wirtschaftswachstum in Deutschland abgemildert werden.

Stabiles Wachstum in Schwellenländern
Die Volkswirtschaften der Schwellenländer werden sich nicht komplett von den entwickelten Märkten abkoppeln können. Dennoch sollten sie  ein stabiles Wachstum und eine zunehmende Verbrauchernachfrage aufweisen können. Dies wird insbesondere Emittenten mit globalen Aktivitäten stützen. Investoren unterscheiden allerdings nach wie vor zwischen Unternehmensanleihe-Emittenten aus Kerneuropa und aus der Europaperipherie. Der Rating-Druck hat Kerneuropa zwar schon lange erfasst, aber dennoch bleiben Peripherie-Anleihen besonders volatil. Angesichts der jüngsten Herabstufungen europäischer Staaten sollte sich der negative Rating-Trend auch bei Unternehmensanleiheemittenten fortsetzen. Allerdings preist der iTraxx Europe für Investment-GradeUnternehmen bei einer angenommenen Wiedergewinnungsrate von 40% auf dem aktuellen Spread-Niveau eine durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit von 2,24% pro Jahr über einen Zeitraum von fünf Jahren ein. Dies scheint das tatsächliche Ausfallrisiko im Investment-Grade zu überzeichnen, da beispielsweise die von der Rating-Agentur Moody's berechnete Ausfallrate für Unternehmen außerhalb des Investment-Grade-Bereichs im Jahr 2011 2,7% betrug.

Fazit:
Die Neuemissionstätigkeit sollte auch im Anleihebereich außerhalb des Finanzsektors im Jahr 2012 unterdurchschnittlich bleiben, da zahlreiche Emittenten keinen aktuellen Liquiditätsbedarf haben. Neuemissionen weisen teils attraktive Aufschläge gegenüber dem Sekundärmarkt auf, so dass wir einen Positionsaufbau über den Primärmarkt empfehlen. Die allgemeine Marktliquidität könnte im Laufe des Jahres nachteilig von der in den USA geplanten Implementierung der Volcker Rule, die Banken den Eigenhandel größtenteils verbietet, betroffen sein. Dies wird aber nicht nur den Handel in Unternehmensanleihen negativ beeinflussen, sondern auch die Profitabilität von Banken einschränken. Angesichts fiskalischer Sparsamkeit , dem Fremdkapitalabbau bei Banken und einer nachlassenden Wirtschaftskraft in der Eurozone sollten sich die Fundamentaldaten von Industrieunternehmen voraussichtlich nicht mehr stark verbessern, sich jedoch aber auf ihren aktuellen hohen Niveaus halten. Der zunehmende Mangel an Safe-Haven-Investments im Eurouniversum sollte jedoch die Nachfrage nach Anleihen hoher Bonität im Industriebereich fördern. Wir erwarten daher auf Jahressicht sowohl im Finanz- als auch im Industriesektor sinkende Risikoaufschläge.


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*) Thomas Höfer, Portfolio Manager, Head of Financial Credit Europe, DB Advisors.
Kontakt: thomas.hoefer(at)db.com bzw. Tel. +49 (69) 71 706 – 3190