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Kommentar: US-IG-Unternehmensanleihen - Richtig investiert, sind die Aussichten positiv

In den vergangenen Jahren haben Investoren, die US-Dollar-Anleihen gegen Währungsrisiken absichern wollten, häufig Abstand von US-amerikanischen Unternehmensanleihen genommen, obwohl dieser Markt als der vielfältigste in Bezug auf die Zahl der Sektoren, als der tiefste gemessen an der Anzahl an Einzelwerten pro Sektor und als der liquideste mit Blick auf das Handelsvolumen gilt. Das Volumen an ausstehenden Anleihen ist mit mehr als sechs Billionen US-Dollar mehr als doppelt so groß wie der Markt von Euro-denominierten Investmentgrade-Unternehmensanleihen und die Zahl der Einzelwerte liegt bei über 6.000. Grund für die geringe Attraktivität des Marktes waren die hohen Absicherungskosten gegenüber Euro, Pfund Sterling und anderen Währungen.

Peter Becker

Im Zuge der deutlichen Zinssenkungen der US-amerikanischen Zentralbank (Fed) als Reaktion auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben sich die Verhältnisse nun jedoch gewandelt. Die Absicherungskosten für Euro-Investoren sind in einem geringen Zeitraum um 2,5%-Punkte gefallen und liegen nun deutlich unter 1%. Darüber hinaus profitiert der US-Investment Grade-Markt von umfangreichen Kaufprogrammen durch die Fed. Da mit einer Normalisierung der Geldpolitik wohl erst in einigen Jahren zu rechnen ist und sich dies in den kommenden Jahren positiv auf die Absicherungskosten auswirken sollte, könnten sich Anlegern Möglichkeiten bieten, ihre Unternehmensanleihen-Positionen zu diversifizieren und aufzustocken. Entscheidend ist jedoch, wie in den Markt investiert wird.

Geldpolitische Programme stärken den Markt
Nach den turbulenten Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kapitalmärkte haben die amerikanische Zentralbank und mit etwas Verzögerung auch die Europäische Zentralbank sowie die Bank of England mit deutlichen geldpolitischen Maßnahmen – etwa einem beispiellosen Kaufprogramm für Wertpapiere – das Finanzsystem und so auch die Credit-Märkte gestärkt. Die rasche Reaktion der Fed war eine deutliche Wahrnehmung ihrer Aufgabe als Lender of Last Resort. Sie hat sogar angekündigt, sogenannte gefallene Engel zu kaufen, also auf High Yield herabgestufte Anleihen. Sie reduzierte damit die Refinanzierungsrisiken dieser Unternehmen, so dass sich Investoren insbesondere im stark gewachsenen Segment der Investmentgrade-Anleihen mit BBB-Rating weniger Sorgen machen mussten.

Ein erneuter dauerhafter Anstieg der Spreads, etwa auf Werte deutlich über 200 bps ist in der aktuellen Krise unwahrscheinlich – zum einen signalisieren Credit Spreads über diesem Niveau erheblichen Stress im Finanzsystem und dies kam in den vergangenen 30 Jahren selten vor, zum anderen, weil die amerikanische Zentralbank neben ihrer deutlichen Intervention auch darüber hinaus noch aktiver werden könnte, wenn sie es denn muss. Ob die Spread-Normalisierung nachhaltig ist, hängt schlussendlich von der Kreditverfügbarkeit und den Kreditkosten der Unternehmen ab. Neben den Anleihenprogrammen der Fed, die die Refinanzierungsrisiken verringert haben, kommt Investoren außerdem zugute, dass viele der hoch verschuldeten BBB-Emittenten Blue Chips sind. Diese haben mehr Möglichkeiten ihr Investmentgrade-Rating zu bewahren – etwa durch Dividendenkürzungen und eine Verringerung der Aktienrückkäufe. Dies würde die Position der Anleihengläubiger gegenüber den Aktionären weiter stärken und die Spreads stützen. Natürlich kann eine erneute Spread-Ausweitung aufgrund von erneuten oder länger anhaltenden Lockdowns im Zuge deutlicher Anstiege der Infektionsraten nicht ausgeschlossen werden, diese Ausweitungen sollten sich jedoch im Rahmen halten, da Zentralbanken wie auch Regierungen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen werden, um einen Kollaps des Finanzsystems zu vermeiden.

Nachdem sich zu Beginn der Corona-Krise die Spreads von US-Dollar-denominierten Unternehmensanleihen gegenüber Euro-Anleihen deutlich geweitet hatten, führten die geldpolitischen Maßnahmen der Fed zu einer Normalisierung der relativen Bewertungen dieser beiden Märkte zueinander. Betrachtet man jedoch die Renditeniveaus der beiden Märkte zueinander, erscheinen US-Investment Grade-Unternehmensanleihen als attraktiver. Denn aufgrund der gefallenen Hedging Kosten bietet der US-Markt nach Währungsabsicherung einen Renditeaufschlag von rund 0,5% relativ zum Euro Markt. Und man investiert zugleich in einen Markt, der liquider ist und mehr Diversifikationsmöglichkeiten aufweist.



In turbulenten Märkten muss mit Bedacht ausgewählt werden
Um als Investor jedoch die Potenziale von in US-Dollar denominierten Unternehmensanleihen auszuschöpfen, ist die richtige Auswahl der Titel entscheidend. Insbesondere in turbulenten Marktphasen, beinhalten passive Anlagevehikel erhebliche Risiken – sowohl für den Markt im Gesamten als auch für die Portfolioentwicklung individueller Anleger. Mitte März waren ETFs zu einem großen Teil dafür verantwortlich, dass der Ausverkauf eskalierte, was die Problematik dieses Anlagevehikels in extremen Marktphasen unterstreicht. Die Kursverzerrungen und die Liquiditätsknappheit selbst bei US-Staatsanleihen hatten viel mit den massiven Mittelabflüssen aus ETFs zu tun, die aufgrund ihres Volumens heute großen Einfluss auf die Marktentwicklung haben. Während in den Wochen der Krise die Märkte fast austrockneten, mussten ETFs mit Mittelabflüssen zurechtkommen. Die Liquiditätsdifferenz zwischen ETFs und ihren Anlagen führte dazu, dass ETF-Kurse von ihren Nettoinventarwerten (NAV) abwichen: Viele wurden mit hohen Abschlägen gegenüber ihrem NAV gehandelt. Als die Fed dann ihr Wertpapierkaufprogramm auf ETFs ausweitete und sich die Märkte erholten, wurden ETFs mit Aufschlägen gegenüber ihrem NAV gehandelt. Im Ergebnis mussten passive Investoren daher doppelt büßen: Zuerst mussten bei Verkäufen in der Zeit des Abschwungs niedrigere Preise akzeptiert werden, im Aufschwung waren die Preise von ETFs dann deutlich erhöht, als Investoren günstig nachkaufen wollten.

Anders als passive Investoren, können aktive Manager von großen Marktverzerrungen und heterogenen Kursentwicklungen profitieren. Während sich passive ETFs an Indizes orientieren, können aktive Manager schneller auf Veränderungen am Markt reagieren. Bahnen sich Abstufungen an, müssen passive Investoren lange an einzelnen Positionen festhalten. In der Regel gehen Kurse allerdings bereits vor der faktischen Herabstufung zurück. Für aktive Manager, die sich rechtzeitig von solchen Titeln trennen, kann dies Mehrertragschancen bieten. In turbulenten Marktphasen ist es daher umso wichtiger, Sektoren und Emittenten zu verstehen und valide einschätzen zu können, ob die Management-Boards von Unternehmen willens und fähig sind, Herabstufungen zu vermeiden. Fundamentale Einzelwertanalysen bieten dazu die beste Möglichkeit.

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*) Peter Becker ist Investment Director für Fixed Income bei Capital Group.