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Kommentar: Verschuldung – Überschuldung – Entschuldung

Die Hypothekenkrise in den USA ist ein Symptom von Kapitalfehlallokation. Sie äußert sich als eine der vielen Nebenwirkungen von einem jahrzehntelangen Eingriff in den Preisfindungsmechanismus des wichtigsten Preises der Volkswirtschaft: Dem Zins.

 

Nachdem die Folgen dieser Fehlallokation nicht mehr von den privatwirtschaftlichen Subjekten geregelt werden konnten, mussten die Banken von den Staaten und die Staaten von den Notenbanken am Leben gehalten werden. Dies zeigt sich sehr deutlich in der Bilanz der Notenbank der Weltreservewährung US-Dollar (vgl. Abbildung 1 im Anhang).

Ein Kaufkraftverlust des US-Dollar ist die Folge, welche sich ebenfalls im rapiden Anstieg des Goldpreises widerspiegelt. Auch im politisch gewünschten, aber wirtschaftlich sehr heterogenen und unorganisierten Währungsraum der Eurozone zeigt sich anhand der Kaufkraftentwicklung des Euro, dass Probleme vorhanden sind (vgl. Abbildung 2).

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Vertrauensverlustes der Gläubiger in ihre Schuldner bzw. in die Fähigkeit der Politik, den Problemen angemessen zu begegnen und dem künstlich niedrigen Zins sollte erwartet werden, dass die Rolle „Eigentümer eines Unternehmens“ interessanter erscheint. In der Theorie sollten zum Beispiel Aktien eine Risikoprämie verdienen, die eine Vermögensmehrung oberhalb der Inflationsrate ermöglicht. Betrachtet man aber die Realität, so lässt sich für den deutschen Aktienmarkt festhalten, dass diese Zielrendite in den vergangenen 10 Jahren deutlich verfehlt wurde (vgl. Abbildung 3).

Im neuen Jahrtausend zeigt sich, dass die in den 80er und 90er Jahren entwickelte „buy and hold“ Theorie für Investitionen in den liquidesten Sachwert, die Aktie, nicht länger als sinnvoll gelten kann. So scheint die alte Weisheit „Aktien kaufen und sich schlafen legen“ überholt - und dies sogar für eingefleischte Langschläfer. Als zusätzliches Problem ist zu berücksichtigen, dass der aktuelle Niedrigzins und die liquiditätsgetriebene Vermögenspreismehrung eine ausreichende Risikostreuung schwierig machen.

Status quo
Im Laufe der letzten 15 Jahre ergaben sich grundlegende Umwälzungen in den Abhängigkeitsstrukturen zwischen verschiedenen Anlageformen. Während in den 80er und 90er Jahren eine positive Korrelation zwischen Aktien- und Rentenindizes bestand, sind die Korrelationen in den letzten Jahren durchweg negativ (vgl. Abbildung 4). Die Erklärung dafür ist relativ einfach: Wurden früher sinkende Zinsen als positives Signal für die Wirtschaft betrachtet („billiges Geld für Investitionen“), gibt es heutzutage eine Schwemme an Liquidität, so dass dieser Effekt weniger Beachtung findet. Vielmehr wird in unruhigen Börsenzeiten das Geld lieber in Staatsanleihen investiert („sicherer Hafen“).

Neben diesem Phänomen kann beobachtet werden, dass die linearen Abhängigkeiten zwischen Sachwerten in den letzten Jahren stark zugenommen haben. So bewegte sich die Korrelation zwischen DAX und S&P 500 früher in einem Korridor zwischen 0 und 0,3. Heute schwankt sie dagegen zwischen 0,4 und 0,8 – wobei sie in letzter Zeit konstant über 0,7 lag. Somit sind kaum noch Diversifikationseffekte zu erzielen. Da analoge Aussagen auch für Rohstoffindizes und andere Aktienindizes gelten, wird eine Diversifikation innerhalb von Sachwerten immer schwieriger. Daneben ist es interessant zu beobachten, dass beide Veränderungen nahezu zeitgleich eingesetzt haben (vgl. Abbildung 4).

Wie bereits erwähnt, sind die linearen Abhängigkeiten zwischen Sachwerten in den letzten Jahren stark angestiegen. Zusätzlich haben sich aber auch die Zyklen der Marktbewegungen verändert. Einerseits scheinen die Zyklen immer häufiger zu wechseln, andererseits werden sie aber auch immer ausgeprägter. Abbildung 5 zeigt den Verlauf der Volatilität der letzten Jahre für verschiedene Indizes. Besonders beim S&P 500 fällt auf, dass unruhige Phasen immer häufiger auftreten und dabei die Volatilität zunimmt. Dieser Sachverhalt lässt sich auch statistisch untermauern. Betrachtet man DAX, S&P500 und den CRB-Rohstoffindex, so gab es in den 80er Jahren elf Strukturbrüche. In den 90er Jahren waren es 15. In den ersten 10 Jahren des neuen Jahrtausends waren es sogar 23. Dabei bezeichnet hier ein Strukturbruch die signifikante Änderung der Volatilität, was als guter Indikator für Börsenzyklen verwendet werden kann.

Implikationen für das Risikomanagement und die Geldanlage
Die bisher aufgezeigten Sachverhalte zeigen eindeutig, dass eine verstärkte Investition in Sachwerte notwendig ist, dabei jedoch die Kontrolle des Risikos eine anspruchsvolle Kernaufgabe darstellt. Gerade für den mittel- und kurzfristigen Anlagehorizont ist es entscheidend, die Schwankungen des Portfolios zu minimieren. Hierbei spielt die Auswahl der richtigen quantitativen Werkzeuge eine entscheidende Rolle.

Die Kombination von klassischer Portfoliooptimierung (z.B. Markowitz-Ansatz) mit modernen Trend- bzw. Parameterschätzern (Tests auf Strukturbrüche) scheint eine vielversprechende Lösung für die aktuellen Herausforderungen zu sein. So ergänzen sich beide Ansätze sehr gut und beheben die Schwächen, die bei Verwendung nur eines Ansatzes auftreten. Der Prozess ist dabei wie folgt:

In einem ersten Schritt werden die einzelnen Zeitreihen der Anlagen auf Strukturbrüche getestet. So wird festgestellt, in was für einem Zyklus bzw. einer Marktphase sich die Anlage gerade befindet und welche Parameter (u.a. Volatilität und Korrelationen) aktuell für diese Phase gelten. Diese Parameter gehen dann in die klassische Portfoliooptimierung ein, um eine möglichst risikoarme Zusammensetzung des Portfolios zu erreichen.

Zusätzlich zu den bekannten Vorteilen einer breiten Diversifikation bietet dieses Vorgehen zwei große Vorteile: So werden automatisch geeignete Zeitpunkte für eine Umschichtung ausgegeben. Während in der Praxis die Frage nach dem optimalen Umschichtungszeitpunkt oft hemdsärmlich beantwortet wird (Hier hört man meistens die Antwort „alle 3 Monate“, oder auch „6 bzw. 12 Monate“ - suchen Sie sich was aus. Noch abenteuerlicher ist sogar die, nicht seltene, Antwort „wenn der Lenkungsausschuss tagt“), geben Strukturbrüche hier eine klare Antwort. Es muss dann umgeschichtet werden, wenn die alte Struktur nicht mehr gültig ist, sich also die Eingangsparameter für die Optimierung signifikant geändert haben. Sollte an solchen Zeitpunkten keine Neuoptimierung durchgeführt werden, beruht die alte Optimierung auf Annahmen bzw. Parametern, die nicht mehr gültig sind – somit ist das Ergebnis auch nicht mehr valide.

Ein weiterer großer Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass verschiedenste Limite an Anlageklassen automatisch berücksichtigt werden können, damit eine grundsätzliche Vermögensstruktur eingehalten wird. Sollte beispielsweise eine Vermögensstrukturanalyse ergeben, dass zwei Drittel des Kapitals in Sachwerte investiert werden müssten, so lässt sich dies einfach über Limite steuern. Dabei kann der Anleger trotzdem sicher sein, dass das resultierende Portfolio die risikominimale Zusammenstellung der Anlagen innerhalb der Rahmenbedingungen ist.

Fazit:
Eine Geldanlage im heutigen Umfeld birgt viele Risiken, bedarf einer fundierten Analyse und muss ständig überwacht werden. Dabei stellen niedrige Zinsen, volatile und hoch korrelierte Börsen und das über allem schwebende Damoklesschwert Entschuldung die größten Herausforderungen dar. Diese können nur durch effiziente Anlageprozesse und ein konsequentes Risikomanagement gemeistert werden. Gelingt dies aber, ergeben sich durch die wachsende Volatilität überproportionale Chancen innerhalb der nächsten Jahre.


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*) Autoren: Dr. Daniel Ziggel ist Geschäftsführer der quasol GmbH, einem Spin-off der Ruhr-Universität Bochum. quasol beschäftigt sich mit quantitativen Themen aus den Be-reichen Portfoliooptimierung und Risikomanagement. Christoph Leichtweiß ist Geschäftsführer der YPOS-Consulting GmbH. Diese entwickelt Beratungs-, Anlage- und Investmentprozesse für Finanzdienstleister und Vermögensverwalter.