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Kommentar: Wachsende Unsicherheit für Weltwirtschaft und Kapitalmärkte in Zeiten von Trump

Nach den US-Präsidentschaftswahlen hat die Hoffnung auf einen Konjunkturaufschwung die Aktienmärkte beflügelt. Die Investoren nahmen vor allem die vielleicht wachstumsfördernden Maßnahmen in Trumps Wahlprogramm wahr, insbesondere Infrastrukturinvestitionen, Steuerreformen und Deregulierung. Schnell war man sich einig, dass solche wirtschaftsfreundlichen Reformen das Wachstum stärken und letztlich zu einer „guten Inflation“ führen würden. Nun nach den ersten Wochen im Amt hat sich Trumps Fokus hin zu Teilen seiner Agenda verlagert, die sich am Ende als wachstumshemmend herausstellen könnten, einhergehend mit „schlechter“ Inflation.

Erik Weisman

In den ersten Tagen seiner Amtszeit hat sich der neue Präsident vor allem der Themen Außenhandel und Einwanderung angenommen. Die Sorgen wachsen, dass massive Änderungen der derzeitigen Außenhandels- und Einwanderungspolitik die USA unattraktiver für ausländische Arbeitskräfte und ausländisches Kapital machen könnten. Wie auch immer die Fiskalpolitik der neuern Regierung letztlich ausgerichtet sein wird, ihre positive Wirkung könnte länger auf sich warten lassen und weniger stark ausfallen, als es bislang von den Märkten eingepreist wurde.

Präsident Trump hat schnell eine Reihe von Dekreten erlassen. Er erklärte den Rückzug aus der Transpazifischen Partnerschaft, trieb seine Pläne für eine Mauer an der Grenze zu Mexiko voran und schränkte mit verschiedenen Maßnahmen die Einwanderung ein. Viel war auch von Importzöllen die Rede, gerichtet gegen Amerikas größte Handelspartner. Angesichts des abnehmenden Wirtschaftswachstums und der Alterung der US-Erwerbsbevölkerung könnte weniger Einwanderung sowohl dem wirtschaftlichen Potenzial der USA als auch der langfristigen Dynamik schaden. Wer in die USA einwandert, ist meist jung, und die meisten Einwanderer bemühen sich sofort um Arbeit.

Nach Angaben des Pew Research Center sind die meisten Einwanderer Hispanics. Sie sind jünger und ihre Partizipationsquote am Arbeitsmarkt ist höher als der Median der US-Bevölkerung. Aktuelle Studien zu den Arbeitsmärkten der Industrieländer kommen zu dem Schluss, dass mit der Alterung der Erwerbsbevölkerung auch Produktivität, Dynamik und Unternehmergeist nachlassen. Sorgen macht auch eine mögliche Reform des H-1B-Visumprogramms. Amerikanischen Technologieunternehmen fiele es dann schwerer, im Ausland gut ausgebildete Mitarbeiter zu gewinnen. Bislang ist die US-Demografie aufgrund der bisherigen Einwanderung besser als die Demografie der meisten anderen Industrieländer. Wenn sich die Politik aber drastisch ändert, könnten die USA schon bald ähnlich überaltert sein wie der Euroraum und Japan.

Eine restriktivere Außenhandelspolitik könnte auch dem Wachstum schaden, in den USA wie weltweit. Trump hat Mexiko mit einem 20-prozentigen Importzoll bedroht, vor allem wohl um seinem Wahlversprechen Nachdruck zu verleihen, dass Mexiko die versprochene Grenzmauer bezahlen soll. Im Laufe der Jahrzehnte hat der US-Kongress eine Reihe von Kompetenzen in der Außenhandelspolitik an die Exekutive abgetreten. Das Kapitol dürfte Trumps Protektionismusplänen daher wohl nicht viel entgegenzusetzen haben, zumindest kurzfristig. Ein Importzoll hätte große Auswirkungen auf die mexikanische Wirtschaft und würde wohl auch multinationalen US-Konzernen mit Fabriken südlich des Rio Grande schaden. Hinzu kommt, dass Mexiko mit 13% Anteil am Außenhandel der drittgrößte Handelspartner der USA ist. Wenn US-Zölle auf mexikanische Importe den Warenaustausch zwischen den beiden Ländern deutlich schwächen, könnten hunderttausende von Stellen in beiden Ländern bedroht sein. Außerdem würden viele Güter in den USA teurer.

Darüber hinaus hat die Trump-Administration China, Japan und Deutschland der Währungsmanipulation bezichtigt. Alle Länder haben sich dagegen verwahrt, wobei China die stärksten Argumente hat. In den letzten 18 Monaten hat das Land fast eine Billion US-Dollar ausgegeben, um den Yuan zu stützen. Japan hat erklärt, die G20-Vereinbarung gegen einen Abwertungswettlauf einzuhalten. Die Geldpolitik habe ausschließlich binnenwirtschaftliche Gründe; man wolle die Deflation überwinden. Bundeskanzlerin Merkel ließ verlauten, dass die EZB für die Geldpolitik zuständig sei und Deutschland ihre Unabhängigkeit nicht in Frage stellen werde. Die Rhetorik der neuen US-Administration lässt Währungskriege wahrscheinlicher werden, oder schlimmer: ein ausgewachsener Handelskrieg, in dem sich die USA gegen alle anderen Länder stellen.

Aufgrund des schwachen Weltwirtschaftswachstums und der recht hohen Verschuldung ist durchaus vorstellbar, dass Handelskriege die Welt wieder in die Rezession treiben oder es vielleicht noch schlimmer kommt. Risikobehaftete Wertpapiere würden dann in Turbulenzen geraten – und das zu einer Zeit, in der die Notenbanken ihr Arsenal weitgehend verschossen haben. Es mag zwar nicht sehr zeitgemäß klingen, aber Zölle müssen nicht immer Schaden anrichten. In den ersten 150 Jahren ihrer Geschichte waren die USA sehr protektionistisch, wurden am Ende aber dennoch zu einer Supermacht. Gerade erst haben die asiatischen Tigerländer einen ähnlichen Weg beschritten. Weltweit sind die Zölle zurzeit aber sehr niedrig, sodass ein Richtungswechsel massive Folgen haben kann. Maßnahmen zugunsten eines faireren internationalen Wettbewerbs und neue Ziele in der Einwanderungspolitik sind also nicht zwangsläufig unvernünftig. Dennoch hoffen wir, dass die neue Administration über die möglichen Konsequenzen einer überhasteten Politik nachdenkt. Die rasche Einführung von Zöllen birgt die Gefahr, dass weniger Arbeitskräfte in die USA kommen und weniger Kapital ins Land fließt – oder dass es gar zu Auswanderung und Kapitalabflüssen kommt. Dabei haben Einwanderer und ausländisches Kapital die USA zu einer der dynamischsten und flexibelsten Volkswirtschaften der entwickelten Welt gemacht.

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*) Erik Weisman ist Chefökonom des globalen Vermögensverwalters MFS Investment Management.