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Kommentar: Wechselstimmung am amerikanischen Anleihemarkt

Von Anlagestrategen und Ökonomen ist derzeit überwiegend zu hören, jetzt sei nicht der richtige Zeitpunkt zum Kauf von Rentenpapieren. Die meisten raten dazu, abzuwarten, vor allem bei Staatsanleihen. Nach dem sogenannten „Taper Tantrum“ im letzten Jahr, als allein die mögliche Reduzierung der Anleihekäufe durch die US-Notenbank die Märkte massiv verunsicherte, gehen viele Experten davon aus, dass das Ende der ultralockeren Geldpolitik, kurz QE, einen Ausverkauf am US-Rentenmarkt auslösen könnte – fallende Kurse und steigende Renditen inklusive. Dieses Szenario könnte schon im Oktober Realität werden.

Anthony Doyle

Ein solcher Richtungswechsel ist allerdings nicht so gewiss, wie Anleger glauben. Wer sich etwa den Verlauf 10-jähriger US-Treasuries ansieht, erkennt, dass deren Kurse und Renditen nicht nur von der Notenbank beeinflusst werden. Vielmehr werden drei wesentliche Faktoren sichtbar, die dauerhaft Druck auf die Renditen ausüben und vor denen Anleger auf der Hut sein sollten. Nennen wir sie im Folgenden „Renditedämpfer“.

Renditedämpfer 1: Niedrige Leitzinsen
In den vergangenen 30 Jahren haben sich die US-Leitzinsen im Schnitt immer weiter nach unten bewegt. Gründe dafür waren etwa die rückläufige Inflation und die wachsende Unabhängigkeit der Fed von der jeweiligen Regierung. Gleichzeitig wuchsen jedoch die Kredite der US-Wirtschaft über das gesunde Maß hinaus. Heute ist die Verschuldung von Haushalten, Unternehmen, Banken und Staat rund dreieinhalb Mal so hoch wie das gesamte BIP der USA. Diese in mehr als 30 Jahren aufgebaute übermäßige Verschuldung kann die US-Wirtschaft nur dann abbauen, wenn die Zinsen niedrig bleiben. Anders ausgedrückt: In einer Welt mit wesentlich höheren Zinssätzen können die USA nicht mithalten, die Wirtschaft würde wieder in die Rezession abrutschen. Selbst wenn Zinsen und Renditen gegenüber dem aktuellen Niveau noch steigen, werden sie daher wohl kaum das Vorkrisenniveau erreichen.

Renditedämpfer 2: Unsichere Wirtschaftsdaten
In jüngster Zeit sind die Anleihekurse vor allem aufgrund der rückläufigen Inflationsprämie gestiegen, die Anleger für den Besitz von Staatsanleihen verlangt haben. Diese gehen davon aus, dass die Inflation noch für lange Zeit niedrig bleibt oder sogar noch weiter fällt – wie sich an der Wertentwicklung langfristiger Staatsanleihen in diesem Jahr ablesen lässt. Das passt zu den schwächelnden Konjunkturdaten, die seit Februar größtenteils unter den Prognosen der Wirtschaftsexperten liegen. Die Fed hat ihrerseits mehrmals betont, dass sie die Straffung der Geldpolitik von den Wirtschaftsdaten abhängig macht. Zurzeit ist die lockere geldpolitische Haltung der Fed also noch gut vertretbar.

Renditedämpfer 3: Die globale Ersparnisschwemme
Eine dritte, nicht zu unterschätzende Ursache für die niedrigen Anleiherenditen ist die „globale Ersparnisschwemme“, ein Begriff, den schon der frühere Fed-Chef Ben Bernanke prägte. Ausgelöst wird diese durch das starke Sparmotiv in Industriestaaten mit alternder Bevölkerung wie Deutschland und Japan und andererseits durch wachsende Investitionen und Anleihekäufe der Schwellenländer befeuert.

Pensionsfonds, sowohl öffentliche als auch betriebliche, schichten gleichzeitig verstärkt aus Aktien in Anleihen um, nachdem sie das Tal der Finanzkrise überwunden haben: Manager von Pensionsplänen mit fester Leistungszusage agieren grundsätzlich vorsichtig. Für sie ist entscheidend, dass sie genug Geld erwirtschaften, um das Leistungsversprechen gegenüber der Belegschaft einhalten zu können. Daher war ihre Allokation in sicherere Vermögenswerte – wie Anleihen – historisch stets relativ hoch.

Denn zu Beginn des Jahrtausends waren viele Pensionspläne überfinanziert; die Manager leistungsorientierter Pläne konnten nachts gut schlafen. Das änderte sich jedoch nach der Finanzkrise 2008, als die Renditen der Aktienpositionen vieler Fonds in den negativen Bereich abrutschten. Die Erinnerungen an diese Zeit sind noch frisch, und viele Manager haben sich geschworen, die Risiken aus ihren Portfolios zu nehmen, sollten sie jemals wieder die Volldeckung erreichen.

Aktuell kämpfen sich viele Pensionspläne zurück zu einer Kapitaldeckung von 100%. Ihre Manager werden nun die „Rückwärtsumschichtung“ aus Aktien heraus und in Anleihen hinein fortsetzen. Ihre Anlagestrategie konzentriert sich nun auf die sogenannten „Liability Driven Investments“, um die Erfüllung zukünftiger Zahlungsverpflichtungen sicherzustellen.

Wie sicher ist der Richtungswechsel?
Die Analyse zeigt: Wer darauf hofft, dass die Renditen von US-Treasuries bei Straffung der Geldpolitik wieder auf das Vorkrisenniveau zurückkehren, kann durchaus enttäuscht werden. Auch in Europa wirken ähnliche Renditedämpfer mit entsprechenden Auswirkungen auf die Attraktivität anderer Rentenpapiere wie Investment-Grade- und Hochzins-Unternehmensanleihen. Deshalb gilt vorerst: Extrem niedrige Geldmarktzinsen und ein stabiles Zinsumfeld sind günstig für Unternehmensanleihen – denn was Anleger vor allem suchen, sind positive reale Erträge.

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*) Anthony Doyle ist Investment Director & Head of Fixed Income Investment Specialists bei M&G.