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Kommentar: Wertpotenzial bei Distressed Credit ausnutzen

Niedrigere Rohstoffpreise, das schwächere Wachstum in den Schwellenländern, die auseinanderdriftende Politik der Zentralbanken sowie ein enormes Wachstum in den Sektoren Hochzinsanleihen und Leveraged Loans kennzeichnen das globale Umfeld. Daraus ist ein großer, attraktiver Markt für chancenorientierte Anleger in Kreditpapieren entstanden. Viele hoch verschuldete Unternehmen, die wenigstens noch über so viel Flexibilität verfügen, um sich an geschäftliche Herausforderungen anzupassen, spüren den Effekt der gestiegenen Volatilität. An den Leveraged-Finance-Märkten sind zwar immer mehr Verwerfungen erkennbar, doch sind die Einstiegsbewertungen nun attraktiver. Daraus ergeben sich Chancen, in Schuldpapiere mit hohen Barrenditen zu investieren, die auch von der Erholung der Unternehmenswerte profitieren können.

In den vergangenen Jahren haben die expansiven monetären Bedingungen eine extrem hohe Risikobereitschaft begünstigt. An den Finanzmärkten waren die Bewertungen nach oben verzerrt, da einige Anleger die Risiken falsch bewerteten. In der Realwirtschaft spielte sich Ähnliches ab, da die lockere Geldpolitik zu extrem hohen Investitionen und einer Inflation der Vermögenspreise in Schlüsselbereichen wie dem Energie- und Rohstoffsektor sowie in den Schwellenländern führte. Die Schwäche bei Hochzins-Unternehmensanleihen betrifft nicht allein den Rohstoffsektor; in jeder Branche kann es für hoch verschuldete Kreditnehmer schwierig sein, ihre Kapitalstruktur wieder ins Lot zu bringen, erweisen sich die modellierten Wachstumsannahmen doch als zu optimistisch. Anleger sollten nicht nur auf die höhere Volatilität und das derzeit erheblich größere Volumen der Märkte für Leveraged Finance achten – in den USA und Europa sind sie um 50% von 2,1 Billionen US-Dollar im Jahr 2010 auf fast drei Billionen im Jahr 2015 gewachsen (siehe Abbildung 1) –, sondern vor allem auch auf die aggressiver gestalteten Kapitalstrukturen und die höhere Verschuldung.

Nun scheint sich der Zyklus umzukehren. Es kommen Risiken zum Vorschein, die von den Marktteilnehmern nicht in voller Höhe eingerechnet wurden. Gründe für die Unsicherheit sind unter anderem der Effekt der Maßnahmen der US-Notenbank zur Zinsnormalisierung, der außergewöhnlich starke Rückgang der Rohstoffpreise – der selbst im Falle einer Stabilisierung oder Erholung vergangenes Jahr bedeutende Auswirkungen gehabt hat –, die Abschwächung der chinesischen Konjunktur und die Zweifel an Chinas Fähigkeit, sich von einer export- zu einer konsumorientierten Wirtschaft zu wandeln, der regulatorische Druck (unter anderem durch Finanz- und andere Reformen) sowie geopolitische Ereignisse. Diese Unsicherheitsfaktoren verstärken sich für gewöhnlich gegenseitig. Bei einer zunehmenden Verschlechterung der Stimmung droht die abnehmende Marktliquidität die Volatilität an den Finanzmärkten zu erhöhen und größere Verwerfungen zu verursachen.

Die Märkte für Leveraged Finance werden derzeit auf eine harte Probe gestellt. Das Volumen öffentlich gehandelter notleidender Anleihen beträgt in den USA aktuell 445 Mrd. US-Dollar ein Wert, der nur während der Rezession 2008 höher war.

Während die breiteren Märkte für Leveraged Finance von den Schwierigkeiten, die vor allem den Rohstoffbereich belasteten, im Jahr 2015 noch einigermaßen verschont blieben, hat sich die Lage nun in deutlich mehr Branchen angespannt. Ein rohstoffbezogenes Engagement ist der wichtigste Faktor, der für Druck sorgt, doch nach Angaben von UBS gilt das nur für eine Minderheit von rund 25% der notleidenden Papiere. Zu den weiteren massiv unter Druck geratenen Sektoren zählen Telekommunikation/Medien, Dienstleistungen, Technologie, Chemie, Verteidigung und Einzelhandel. Am Markt für Unternehmensanleihen schwingt das Pendel derzeit von einer hohen zurück zu einer begrenzten Kreditverfügbarkeit. Unternehmen verzeichnen ein schwaches Umsatzwachstum und eine höhere Kostenvolatilität. Viele hoch verschuldete Unternehmen könnten Mühe haben, ihre Zinsverpflichtungen zu erfüllen, können fällig werdende Schulden möglicherweise nicht refinanzieren oder haben weniger Finanzierungsalternativen.

Die Unternehmen im mittleren Marktsegment dürften am schwersten zu kämpfen haben. Diese Unternehmen, definiert als Unternehmen mit ausstehenden Schulden von weniger als 750 Millionen US-Dollar oder einem EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) von unter 100 Mio. US-Dollar, waren die größten Nutznießer der gestiegenen Kreditverfügbarkeit, reagieren aber auch anfälliger auf negative Faktoren für ihre Branche oder unternehmensspezifische Herausforderungen. Die Verschuldungsquoten in diesem mittleren Marktsegment stiegen im vierten Quartal 2015 auf ein Allzeithoch. Das Verhältnis aus Schulden zu EBITDA betrug 5,7 – fast ein ganzer Punkt mehr als der vorherige Höchststand 2007. Bei einer hohen Verschuldung kann ein Unternehmen weniger flexibel auf geschäftliche Herausforderungen reagieren, da der ohnehin bereits niedrigere freie Cashflow möglicherweise nicht ausreicht, Schuldverpflichtungen zu bedienen oder gar Barmittel für wichtige geschäftliche Zwecke einzusetzen. Unternehmen aus dem mittleren Marktsegment besitzen zudem häufig weniger Preissetzungsmacht. Die höhere Volatilität der Kosten wird daher vom Unternehmen, nicht von seinen Kunden getragen. Aufgrund all dieser Herausforderungen bieten sich viele Anlagemöglichkeiten, jedoch müssen die Anleger sehr sorgfältig auswählen, welche davon sie nutzen wollen.

Aus Kreditungleichgewichten in Verbindung mit einer sinkenden Marktliquidität ergeben sich Fehlbewertungen von Anlagen und Chancen. Das gilt besonders für das mittlere Marktsegment, wo chancenorientierte Anleger von guten Gelegenheiten profitieren können, da immer mehr Unternehmen mit Finanzierungslücken konfrontiert sind. Hoch verschuldete Unternehmen müssen sich auf die Realität einstellen, dass sich das Wachstum verlangsamt und die Nachfrage nach ihren Produkten sinkt. Dieser Anpassungsprozess wird Opfer fordern. Unternehmen mit „Covenant-Lite“- oder „Covenant-Loose“-Strukturen haben zwar vielleicht etwas mehr Spielraum, um mit einem sich wandelnden Wettbewerbsumfeld zurechtzukommen. Dennoch wird eine erhebliche Zahl von hoch verschuldeten Unternehmen vor der Herausforderung stehen, ihre Kapitalstruktur – und die angespannten Kaufbewertungen – wieder ins Lot zu bringen. Einigen dürfte es gelingen, ihre künftigen Verpflichtungen zu erfüllen, jedoch erwarten wir, dass eine Restrukturierung für viele unumgänglich sein wird.

Energie-, Metall- und Bergbauunternehmen werden derzeit zwar aufmerksamer beobachtet, jedoch erkennen wir auch Möglichkeiten für Anlagen in Unternehmensanleihen aus den Bereichen Chemie, Einzelhandel und Konsumgüter, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung sowie Telekommunikation und Medien, die in eine Schieflage geraten sind. Für die schwierigen Bedingungen in diesen Sektoren sind mehrere Faktoren verantwortlich, darunter das aggressive Verhalten der Unternehmen, der Wettbewerb durch stärkere Unternehmen mit besserer Kapitalausstattung, die sich verändernde Dynamik in der Lieferkette und bei den Konsumausgaben, technologische Neuerungen, regulatorische Änderungen, automatische Ausgabenkürzungen und geopolitische Spannungen. In Europa ergeben sich zudem Chancen durch das schwache Wirtschaftswachstum, die Anpassung des Bankwesens an neue regulatorische Vorschriften sowie erfolgte, aber suboptimale Restrukturierungen. Da die privaten Kreditmärkte aufgrund des relativen Mangels an Transparenz und der „Mark-to-Model“-Verfahren mit der Neubewertung der Risiken noch nicht so weit fortgeschritten sind wie die öffentlichen Märkte, erkennen wir zunehmend Chancen für Notfinanzierungen, also die Bereitstellung von Kapital in Fällen, in denen akute Finanzierungslücken bestehen und in denen wir unseres Erachtens attraktivere Konditionen aushandeln können.

Anlegern, die sich innerhalb des Risikospektrums weiter nach oben bewegen und ihren Blick auf notleidende und opportunistische Kreditpapiere als Quelle für ein höheres Ertragspotenzial im aktuellen Niedrigzinsumfeld richten, geben wir die folgenden Leitlinien an die Hand: 1) auf Unternehmen konzentrieren, die einen Konjunkturabschwung verkraften können, 2) bei Annahmen zur Bewertung einen konservativen Ansatz verfolgen und 3) die Regel der absoluten Priorität strikt beachten, wonach zuerst die Ansprüche erstrangiger Gläubiger vollständig befriedigt werden, bevor nachrangige Gläubiger überhaupt irgendetwas erhalten. Die Anleger sollten einen taktischen Anlageansatz verfolgen und sich auf Situationen konzentrieren, in denen die Rechte der Gläubiger durch strikte Bedingungen klar definiert und die Risiken messbar und beherrschbar sind.

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*) Sai S. Devabhaktuni ist Leiter Corporate Distressed Portfolio-Management bei PIMCO.