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Kommentar: Wider die ESG-Mythen von Schwellenländeranleihen

Investoren übersehen allzu oft die Bedeutung von langfristigen Risiken im Bereich Umwelt, Soziales und Governance (ESG) bei Investitionen in Schwellenländeranleihen, weil sie glauben, dass die Unternehmensführung in den Emerging Markets inhärent mangelhaft ist. Ein weiterer Glaubenssatz ist, dass eine ESG-Analyse bei Unternehmensanleihen aus den Emerging Markets sich schwierig gestaltet, da nicht ausreichend genug Daten vorhanden sind. Unserer Meinung nach sind das Missverständnisse oder Ausreden ESG-Faktoren zu analysieren. Die ESG-Analyse hat langfristig das Potenzial, erhöhtes Alpha zu generieren und sollte struktureller Bestandteil festverzinslicher Anlagen in Schwellenländern sein.

Olaf John

Die ESG-Analyse ist ein wichtiger Bestandteil insbesondere der Kreditanalyse für langfristige Risiken von Unternehmen in entwickelten Märkten geworden – vor allem in Portfolios mit Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien kann Frühwarnsignale geben, die es Anlegern ermöglichen, Fehlinvestitionen und die damit verbundenen Verluste zu vermeiden. Ein richtig implementierter ESG-Prozess kann durch die Minderung von Risiken langfristig zu einer verbesserten risikoadjustierten Rendite und Wertschöpfung führen.

Trotz ihrer klaren Vorteile und wegen des vorherrschenden Kurzfristdenkens wird die ESG-Analyse bei Anlagen in den Schwellenländern kaum eingesetzt. Investoren sehen ESG und Emerging Market Debt (EMD) irrtümlich als inkompatibel an – und unterliegen zwei typischen Fehleinschätzungen. Erstens werden Governance-Standards für Unternehmen in Schwellenländern als deutlich niedriger wahrgenommen als für ihre Pendants in den entwickelten Märkten. Da die Standards in den Schwellenländern grundsätzlich schwach ausgeprägt sind, so der Fehlschluss, ist die ESG-Analyse weitgehend irrelevant, weil sich weder gute noch schlechte Unternehmensführung in den Marktpreisen widerspiegelt. Zweitens wird die ESG-Analyse angesichts der schlechten Datenqualität sowie deren mangelnder Verfügbarkeit und Offenlegung bei Unternehmen aus Schwellenländern als eine unerreichbare Herausforderung angesehen.

Missverständnisse ausräumen
Unserer Meinung nach handelt es sich dabei aber um Missverständnisse. Vergleicht man nämlich Unternehmen ähnlicher Größe aus der gleichen Branche in Schwellen- und Industrieländern, lässt sich feststellen, dass die ESG-Ratings in einigen Sektoren näher beieinanderliegen, als man vermuten würde. So zeigt die Verteilung der Unternehmen, die beim ESG-Rating am schlechtesten abgeschnitten haben, kein Übergewicht bei Unternehmen aus Schwellenländern an.



Abbildung 1: Prozentsatz von Emittenten von Emerging Markets-Unternehmensanleihen, US Investment Grade und US High Yield, die beim ESG-Rating am schlechtesten abgeschnitten haben. Quelle: Insight, MSCI, JPMorgan, Barclays, 28. Februar 2018

Gleichwohl decken Finanzdienstleister wie MSCI mit Blick auf die Datenverfügbarkeit fast 80% des JPMorgan Corporate Emerging Market Bond Index Broad Diversified ab. Mit 60% bei Single-B-Ratings und 55 Prozent bei Anleihen ohne Rating ist die Coverage bei Emittenten aus Schwellenländern mit minderer Kreditqualität niedriger und liegt deutlich unter den Werten für US-Investment-Grade (99%) und High Yield (85%).

Anleger sollten daher ihre eigene ESG-Analyse ausführen und sie nicht blind auslagern. Mit den richtigen Ressourcen und Prozessen ist dies durchaus möglich. Investoren sollten direkt mit den Unternehmen in Kontakt treten, um potenzielle ESG-Risiken und Minderungspotenziale richtig einzuschätzen. Ein aktiver Dialog mit dem Management ist dabei unerlässlich. Die Bewertung der ESG-Kriterien im Rahmen eines standardisierten Prozesses ermöglicht es, wesentliche Anlagerisiken zu identifizieren – egal ob für eine führende US-Bank oder eine regionale chinesische Fischerei. In Emerging Markets ist nicht nur das absolute ESG-Risiko von Bedeutung. Viel wichtiger ist der Grad der Veränderung der ESG-Risiken. So kann man auch die Unternehmen identifizieren, die in Zukunft besser dastehen als heute, auch wenn Sie im Vergleich mit den Developed Markets höhere ESG-Risiken haben.

Positive Renditen
Es genügt nicht, nach dem Eintreten eines ESG-bezogenen Ereignisses eine eingehende Analyse der ESG-Risiken vorzunehmen. Dann kann es wahrscheinlich zu spät und ein Zahlungsausfall nicht mehr weit entfernt sein. Vielmehr zahlt es sich aus, aktiv und auf die Zukunft gerichtet vorzugehen. Mit der Berücksichtigung der Relevanz der ESG-Risiken lässt sich das Potenzial für ein verbessertes Alpha und ein grundsätzlich besseres Risikomanagement generieren.

Das Herausfiltern negativer Faktoren und deren Ausschluss ist nicht der einzige Weg, mit einer ESG-Analyse die Performance zu verbessern. Sie lässt sich darüber hinaus nutzen, um positive Renditen zu erwirtschaften. Nach unserer Erfahrung haben Investoren nicht nur eine schlechte Erfolgsbilanz bei der angemessenen Bewertung von ESG-Risiken bei Schwellenländeranleihen. Sie scheitern zudem größtenteils daran, Unternehmensinitiativen zur Minderung von ESG-Risiken angemessen zu berücksichtigen. Dies führt zu weiteren Ineffizienzen bei der Preisgestaltung von Emerging-Market-Debt-Risiken, die sich in dramatischen Überreaktionen auf ESG-bezogene Schlagzeilen widerspiegeln können.

Fazit
Die Analyse der Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards ist seit langem ein wichtiger Bestandteil von Investitionen in Unternehmensanleihen in entwickelten Märkten, doch ihre Akzeptanz bei Anlegern in Emerging Market Debt war aufgrund von Missverständnissen oder der Scheu zusätzlicher Analysen bei unzureichenden Datenverfügbarkeit nicht gegeben. Dabei kommt dem Grad der Verbesserung von ESG-Faktoren in den Emerging Markets eine besondere Rolle zu.

Die ESG-Analyse hat das Potenzial, sowohl ein verbessertes Alpha zu generieren, als auch das Risikomanagement zu unterstützen und sollte struktureller Bestandteil des Analyse-Instrumentariums eines EMD-Investors sein.

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*) Olaf John ist Head of Business Development Europe bei Insight Investment.