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Kommentar zur Zinswende: Wie stark treten die Notenbanken aufs Bremspedal?

Die Einschätzungen professioneller Anlegerinnen und Anleger hinsichtlich der nächsten Zinsschritte haben aktuell deutlich an Fahrt aufgenommen. Für den Euroraum liegt die Erwartung an die Europäische Zentralbank (EZB) im angelaufenen Jahr bei zwei Zinserhöhungen um jeweils 0,1%. Für die USA wird von vier Zinsschritten (jeweils 0,25%) durch die amerikanische Notenbank (FED) ausgegangen. Berechnet werden die Zins-Wahrscheinlichkeiten und eingepreisten Leitzinsanhebungen aus den Overnight Index Swaps (OIS)-Sätzen des Interbankenmarkts.

Florian Kuhn

Mit steigenden Zinsen könnten höhere Kapitalkosten sowie sinkende Margen und Gewinne für Unternehmen einhergehen. Für welche Regionen bedeutet dies eine besonders hohe Belastungsprobe? Ein internationaler Vergleich zeigt deutliche Unterschiede in der antizipierten Geldpolitik.

Deutschland und Euroraum
In Deutschland ist die schwarze Null für 10-jährige Bundesanleihen zurück. Es ist das erste Mal seit Mai 2019, dass Anleger die Papiere mit leicht positiven Renditen handelten.

Die EZB wird die PEPP-Anleihekäufe im ersten Quartal beenden, dafür aber andere Programme aufstocken. Im Moment scheint der Anpassungsdruck angesichts nachlassender Inflationsrate, welche gemäß EZB-Prognose auf 3,2% sinken wird, etwas relativiert. Damit liegt die Teuerung zwar über der Zielmarke von 2%, jedoch deutlich unter dem zuletzt hohen Niveau von 5%. Für die EZB werden wohl auch im aktuellen Jahr die Schaffung günstiger Refinanzierungsbedingungen und die Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung im Vordergrund stehen. Auch dürfte die Zentralbank weiterhin darauf achten, dass die Risikoaufschläge wirtschaftlich schwächerer Mitgliedsländer nicht zu stark ansteigen.

USA
Die USA registrieren mit einem Anziehen der Verbraucherpreise auf 7% die höchste Inflation seit Anfang der 1980er Jahre. Auch mittelfristig wird die durchschnittliche Inflation deutlich über der Zielmarke von 2% erwartet. Das Wort „transitory“ ist aus den offiziellen Statements verschwunden. Stand bislang die wirtschaftliche Erholung im Fokus, so sind nun klare Signale hinsichtlich einer strafferen Geldpolitik beziehungsweise eines Ausstiegs aus der ultraexpansiven Politik vernehmbar. Mit den eingangs skizzierten Zinsschritten dürfte der Leitzinssatz bis zum Jahresende auf bis zu 1% klettern.

Großbritannien
Als einzige Zentralbank einer G7-Nation drehte die Bank of England bereits im Dezember an der Zinsschraube und hob ihren Schlüsselsatz auf 0,25% an. Im Jahresverlauf werden für 2022 vom Markt bis zu vier Zinsschritte erwartet. Zum Jahresende dürfte der Leitzins mit 1,2% sogar etwas höher liegen als in den USA. Einen zusätzlichen Effekt wird der Abbau des 875 Mrd. GBP schweren Bondbestands aus dem britischen Ankaufprogramm haben, der ab einem Leitzins-Niveau von 0,5% beginnen soll. Eine Besonderheit der Situation in Großbritannien sind die Nachwehen des Brexits, der in einigen Sektoren zu einer zusätzlichen Verknappung des Angebots geführt und somit die Inflation angeheizt hat.

Fazit und aktueller Ausblick
Während in den USA und Großbritannien der Fokus der Zentralbanken verstärkt auf dem Absenken des Inflationsdrucks liegen dürfte, wird die EZB weiterhin bedächtig vorgehen, vor allem aus Rücksicht auf die wirtschaftlich schwächeren Mitgliedsländer. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Inflation auch im Euroraum persistenter als gedacht über der 2%-Marke verharrt. Dann wäre auch von der EZB aufgrund ihres Mandates eine stärkere Reaktion geboten.

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*) Florian Kuhn, Senior-Portfoliomanager von QC Partners