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Marktausblick: Verkehrte Welt?

Das Auseinanderklaffen der „realen Welt“ und den Vermögenspreisen macht uns Bauchschmerzen. Alle wichtigen Anlageklassen haben sich seit dem Markteinbruch Ende letzten Jahres positiv entwickelt: Rund 15-20% Rendite an den Aktienmärkten und je nach Risiko 3-7% an den Rentenmärkten. Nur Geldmarktanlagen schneiden negativ ab.

Auf der anderen Seite gibt es große, wirtschaftliche und politische Unabwägbarkeiten, die nahe legen, dass irgendetwas im Busch ist. Die plötzlichen Kehrtwendungen der Fed und EZB, die eine lockere Geldpolitik wieder aufnehmen wollen, sind dafür das jüngste Beispiel.

Das Paradoxe der aktuellen Wirtschaftslage ist, dass es keine Inflation gibt. Die Einkommen sind immer noch niedrig, obwohl Vollbeschäftigung herrscht. In den OECD-Ländern liegt die durchschnittliche Arbeitslosenquote mit fast 5,0% auf dem niedrigsten Stand seit mehreren Jahren, doch die Kerninflation liegt nur bei 1,2%. Gleichzeitig sind die Energiepreise und insbesondere der Ölpreis immer noch recht günstig.

Neuauflage Kalter Krieg?
Hinzu kommt, dass das Vertrauen durch den anhaltenden Handelskrieg zwischen den USA und China stark strapaziert wird. Langfristig gesehen wird dieser aus unserer Sicht wohl nicht beigelegt werden. Die Märkte sollten sich deshalb auf eine Neuauflage des Kalten Krieges einstellen. Denn beim Zollstreit geht es im Grunde um die weltweite Vormachtstellung und Einflusssphären, um Wirtschafts- und Finanzkraft, Währungshoheit und technologische Dominanz. Auch die derzeitigen geopolitischen Spannungen mit dem Iran sollten Anleger berücksichtigen.

Die Zahlen für das erste Quartal 2019 waren in Anbetracht einer befürchteten Konjunkturabschwächung zwar zufriedenstellend. Die Konsumausgaben sind in den meisten Ländern zurzeit noch auf einem guten Niveau, und die globale Wachstumsrate hat sich bei etwa 3,3% eingependelt. Die Indikatoren für den industriellen Sektor zeigen allerdings nach unten.

Sowohl die OECD als auch der IWF haben daher ihre Wachstumsprognosen für 2019 auf 3,2% bzw. 3,3% von vorher 3,3% bzw. 3,9% gesenkt. Beide Institute haben in den letzten Monaten einen starken Rückgang des internationalen Handelswachstums festgestellt und befürchten, dass weitere Handelsbeschränkungen äußerst problematisch wären. Eine starke Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in China hätte großen Einfluss auf die Konjunktur weltweit.

Positive Aussichten bei Investment Grade Anleihen
Was bedeutet dies für die Finanzmärkte? Die Anleihemärkte werden von den Zentralbanken „verwaltet“, die sich in den Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage eingemischt haben. Die Folge: Das Volumen der Anleihen mit negativer Rendite liegt bei rund 13 Billionen US-Dollar – also praktisch doppelt so hoch wie im Oktober 2018. Ein Viertel der 23.500 Anleihen im „Barclays Global Aggregate“ Index, der eine Marktkapitalisierung von 52,5 Billionen US-Dollar hat, weist eine negative Rendite auf. Die Anleger wenden sich daher anderen börsennotierten und nicht-börsennotierten Anlagen zu – und deren Kurse steigen trotz eines eher verhaltenen makroökonomischen und geopolitischen Umfelds.

Aller Voraussicht nach werden die Zinsen am Anleihemarkt niedrig bleiben. 10-jährige US-Treasuries werden sich wohl zwischen 2,0-2,5% einpendeln. 10-jährige Bundesanleihen dürften sich in den nächsten Monaten zwischen -0,25% und 0,00% bewegen. Vor diesem Hintergrund sollten Anleger auf folgende Anleihesegmente einen Blick werfen:

Unternehmensanleihen mit sehr guter Bonität bieten ein begrenztes Risiko und sind aus der Warte „wait and see“ gerade bei kurzen Restlaufzeiten eine attraktive Alternative zu Geldmarktinstrumenten.

In Bezug auf Hochzinsanleihen sind wir zurückhaltender. High-Yield-Anleihen hatten seit Mitte Mai einen Lauf, und das Risiko ist unserer Meinung nach inzwischen größer. Auf der anderen Seite schätzen wir Schwellenländeranleihen, besonders Staatsanleihen in lokaler Währung, als positiv ein.

Aktienpositionen reduzieren
Aktien wurden von den Anlegern in diesem Jahr deutlich unterschätzt. Am Anfang des Jahres haben sie, insbesondere bei europäischen Aktien in globalen Portfolien, eher moderate Positionen aufgebaut. Die jüngste Marktphase dauert vielleicht noch eine Weile an, aber wir meinen, dass Anleger besser Positionen abbauen sollten. Die Gründe:

*Wachstumsaktien aus dem Luxus-, Kosmetik- oder Pharma-Segment, die stark von den fallenden Zinsen profitiert haben, werden zu teuer. Die weniger beliebten Sektoren (Automobil, Banken usw.) scheinen preiswert zu sein, bieten aber in einem Umfeld sehr niedriger Zinsen und eines schleppenden makroökonomischen Umfelds wenig positive Aussichten.

*Für 2019 sehen wir einen Gewinn von 166,75 US-Dollar pro Indexeinheit des S&P 500 gegenüber 160,85 US-Dollar im Vorjahr, was einem Anstieg von weniger als 4,0% entspricht. In der Eurozone beträgt der prognostizierte Anstieg 6,7%, aber auch hier ist der Trend negativ.

Alternative Anlagen
Welche weiteren alternativen Anlagemöglichkeiten bieten sich Anlegern zu Aktien in einem Umfeld, in dem die Renditen von festverzinslichen Wertpapieren begrenzt sind?

*Gold ist ein sicherer Hafen und eine Alternative zu Währungen: Der Preis pro Unze ist seit Mitte Mai um 10% gestiegen, Minenaktien haben seither um fast 25% zugenommen. Kurzfristig ist zwar eine Konsolidierung wahrscheinlich, die aber wieder Kaufgelegenheiten schafft.

*Wandelanleihen, die per se ein asymmetrisches Rendite-Risiko-Profil haben, das im aktuellen Umfeld Vorteile bietet.

*Auch Positionen in Optionen sind eine Investition wert. Wir verwalten Strategien, die in europäische Aktienportfolios investiert sind und systematisch durch dynamisch gemanagte optionsbasierte Strategien abgesichert werden.

Fazit
Wir gehen davon aus, dass die Fed die Zinsen Ende Juli senken wird. Falls die US-Zentralbank doch noch ihre Meinung ändern sollte, käme es jedoch zu einem ganz anderen Szenario: Die Zinsen würden steigen und die Aktienkurse fallen. Oder es würde eine Marktentwicklung einsetzen, die am wenigsten rational erscheint, aber trotzdem möglich ist: Aktien könnten mangels Alternativen und aufgrund der Untergewichtung der Anleger weiter steigen. Dies halten wir allerdings für wenig wahrscheinlich. Deshalb sollten Anleger die aktuelle Marktlage besser dazu nutzen, Positionen in Aktien zu reduzieren und in Unternehmensanleihen, Schwellenländeranleihen in lokaler Währung oder auch Gold, Wandelanleihen und Optionen aufzubauen.

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*) Jean-Marie Mercadal ist CIO beim französischen Asset Manager OFI.