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Meinung: Das Timing entscheidet - Ölpreisentwicklung bietet vielfältige Investmentchancen

Zwischen Mitte 2014 und Januar 2015 sind die Ölpreise um mehr als 50% gefallen. Die Gründe für den stärksten Einbruch seit der Finanzkrise 2008 liegen vor allem auf der Angebotsseite. So hat sich die USA in den vergangenen Jahren nach Saudi-Arabien und Russland zum weltweit drittgrößten Ölproduzenten entwickelt. Mit dem flächendeckenden Einsatz der Fracking-Technologie kann die USA nun eine Reihe von unkonventionellen Ölfeldern erschließen und fördert mittlerweile mehr als neun Millionen Barrel pro Tag. Damit steigerte das Land laut Daten der US Energy Information Administration (EIA) seine Ölproduktion um gut 80% seit 2008. Mittlerweile macht Rohöl, das aus Schiefervorkommen und ähnlichen Formationen (häufig unter dem Begriff Tight Oil bekannt) gewonnen wird, rund 60% der gesamten dortigen Produktion aus.

Bernhard Wenger

Neben den USA ist auch die OPEC für das aktuell sehr hohe weltweite Ölangebot verantwortlich. Denn die Mitglieder des Kartells haben bisher nicht wie in früheren Jahren ihre Produktionsmenge reduziert, um das Angebot einzuschränken und damit den Preis zu unterstützen. Insbesondere Saudi-Arabien ist offenbar bestrebt, trotz niedriger Kurse keine Marktanteile zu verlieren und hat seinerseits sogar die Förderung weiter ausgedehnt. Einerseits kann sich dies der weltweit größte Ölproduzent leisten, da die Grenzkosten in dem Land weltweit am geringsten sind. Auf der anderen Seite benötigt Saudi-Arabien genauso wie die meisten anderen OPEC-Mitglieder einen Ölpreis von 95-105 US-Dollar je Barrel, um den Staatshaushalt auszugleichen. Daher haben einige Beobachter erwartet, dass die OPEC auf ihrem Treffen letzten November eine Senkung der Fördermenge beschließt. Allerdings konnte man sich nicht einigen, wodurch die Ölpreise zum Ende des Jahres noch einmal deutlich nachgaben.

Hohe Mittelzuflüsse seit Jahresanfang
Die gefallenen Ölpreise sind offenbar für viele Investoren ein günstiger Zeitpunkt einzusteigen. Angesichts des sehr deutlichen Einbruchs sehen viele Anleger nun deutliches Potenzial für einen Preisanstieg. Allein in den ersten fünf Wochen des neuen Jahres haben beispielsweise die Produkte von ETF Securities auf die Rohölsorten Brent und WTI Mittelzuflüsse von über 700 Mio. US-Dollar verbucht. Auch immer mehr institutionelle Investoren, die bisher nicht an den Rohstoffmärken aktiv waren, beschäftigen sich aktuell mit dem Ölmarkt und haben zum Teil bereits Positionen in Öl aufgebaut. Offenbar erwarten viele Anleger, dass das derzeit niedrige Preisniveau nicht von Dauer ist.

Vor allem zwei Faktoren sprechen für einen mittelfristigen Aufwärtstrend: Zum einen zeichnet sich in den USA ein Trend ab, dass einige Förderanlagen den Betrieb einstellen müssen, da ihre Grenzkosten über dem Preis liegen, der sich derzeit am Markt erzielen lässt. Seit August 2014 ist die Zahl der operierenden Förderanlagen so um knapp 20% gesunken. Rund zwei Drittel davon entfallen auf Anlagen, die horizontale Bohrtechniken einsetzen. In der Regel wird diese Methode bei der Förderung von unkonventionellem Öl eingesetzt. Zudem weisen die zur Produktion von Schieferöl eingesetzten Bohrtechniken andere Eigenschaften als bei der traditionellen Förderung auf. So ist das Fördervolumen anfangs hoch, fällt anschließend jedoch schnell ab. Laut Post Carbon Institute, einem auf Energiethemen spezialisierten Think Tank, sinkt die Produktionsleistung bei der Förderung von Schieferöl innerhalb von drei Jahren um 60-91%. Die Leistung konventioneller Produktionsstätten nimmt hingegen nur um 5% jährlich ab. Und Investments in neue Anlagen sind – anders als zur Hochzeit des Schiefer-Booms – beim derzeitigen Preisniveau unrealistisch.

Zum anderen dürfte die OPEC ihren aktuellen Kurs nicht mehr lange durchhalten und möglicherweise auf ihrem nächsten Treffen im Juni tatsächlich beschließen, die Produktionsmenge zu reduzieren. Denn mittlerweile weiß das Öl-Kartell, dass die USA auch bei einem WTI-Preis von deutlich unter 85 US-Dollar je Barrel im Durchschnitt noch profitabel fördern kann. Damit wurde die Prämisse, unter der die OPEC ursprünglich in den Preiskampf eingestiegen ist, revidiert. Daher erwarten einige Beobachter, dass Saudi-Arabien angesichts der Entwicklungen in den USA einlenken und einer Kürzung der Förderung zustimmen wird. Bei den aktuellen Preisen verliert das Land rund 10 Mrd. US-Dollar pro Monat an Devisenreserven. Die Mehrheit der OPEC-Mitglieder ist bereits für eine Kürzung. Die Statuten der Organisation verlangen aber einen einstimmigen Beschluss.

ETCs ermöglichen direkte Partizipation am Ölpreis
Für Investoren, die einen Anstieg der Ölpreise erwarten und an einer solchen Entwicklung partizipieren wollen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zunächst ist die Art des Investmentzugangs zum Ölmarkt zu wählen. Hier muss sich der Anleger entscheiden, ob er über Aktien von Öl-Unternehmen investieren möchte oder über Instrumente, welche die Ölpreise selbst abbilden. Ein Zugang über Aktien kann interessant sein, wenn der Anleger sich mit den Fundamentaldaten eines oder mehrerer Unternehmen auseinandersetzt und die Chancen und Risiken der Unternehmen im jeweiligen Marktumfeld kennt. Allerdings besteht hier nur ein indirekter Bezug zur tatsächlichen Entwicklung der Ölpreise. Die Alternative sind Anlagelösungen, die einen direkten Zugang zur Kursentwicklung ermöglichen. Exchange Traded Commodities (ETCs) haben sich in den letzten Jahren als nützliche und liquide Instrumente etabliert, um ohne Umwege in die weltweiten Rohstoffmärkte zu investieren.

Aber auch bei einem direkten Investment in die Ölpreise über ETCs haben Anleger noch verschiedene Varianten zur Auswahl. Denn ETCs bilden die Entwicklung der Preise von WTI- und Brent-Öl über Futures ab. Im Gegensatz zu anderen Rohstoffen, wie beispielsweise Edel- oder Industriemetallen, ist ein physisches Investment, also die physische Hinterlegung des Basiswerts, bei Öl nicht möglich. Das Angebot an Öl-ETCs umfasst Futures mit unterschiedlichen Laufzeiten. Der Investor muss daher abwägen, welche Vor- und Nachteile eine bestimmte Future-Laufzeit beinhaltet. Die Wahl des Produkts bzw. einer bestimmten Future-Laufzeit sollte die gewünschte Investmentstrategie so genau wie möglich umsetzen.

Rolleffekte sind entscheidender Faktor
Ein wichtiger Aspekt bei einem Investment in Futures sind Rolleffekte. Diese treten immer auf, wenn ein in Kürze auslaufender Futures-Kontrakt in einen Kontrakt mit längerer Laufzeit umgetauscht („gerollt“) wird. Ist der neue Kontrakt billiger als der alte, entsteht ein positiver Rolleffekt und der Anleger verbucht einen Rollgewinn. Ist der neue Kontrakt hingegen teurer als der alte, sind die Rollerträge negativ, dem Anleger entstehen also Rollkosten. Der zweite Fall ist derzeit in einer vergleichsweise extremen Form am Ölmarkt zu beobachten. Die Future-Kurve befindet sich im Contago. Denn sowohl Brent- als auch WTI-Rohölpreise haben während der letzten Monate stark gelitten und die entsprechenden Future-Kurven sind deutlich steiler geworden, was auf eine Schwäche im Spotmarkt hindeutet.

Die aktuelle Form der Future-Kurve bei Rohöl ist vor allem für Investoren relevant, die in ETCs auf kürzer laufende Futures investieren. Denn am kürzeren Ende der Kurve ist die Steigung besonders steil. Das heißt: Hier treten besonders hohe Rollkosten auf. Bei einem ETC auf Brent-Öl-Futures mit einer Restlaufzeit von einem Monat beträgt der Rollverlust aktuell rund 2,5%. Bei einem ETC, der Kontrakte mit einer Restlaufzeit von drei Jahren abbildet, belaufen sich die Rollkosten hingegen nur auf etwa 0,4%. Futures mit längerer Laufzeit sind weniger volatil, da Anleger langfristig nicht mit so hohen Ausschlägen rechnen. Daher sind die Preisdifferenzen und damit auch die Rollkosten deutlich geringer.

Verschiedene Investmenteigenschaften zur Auswahl
Entscheidend für die Wahl des geeigneten Instruments ist der Anlagehorizont. Investoren, die langfristig auf eine Erholung der Ölpreise setzen und daher planen, länger investiert zu bleiben, greifen in der Regel eher auf Produkte mit längeren Laufzeiten zurück, um die Rollkosten zu begrenzen. Der Nachteil einer solchen Strategie ist allerdings, dass die erwartete Rendite für einen bestimmten Zeitraum vergleichsweise gering ausfällt. Denn die Preise von Futures mit einer längeren Laufzeit, etwa zwei oder drei Jahre, sind in den letzten Monaten weniger stark gefallen als der Spotpreis. Zudem schlagen sie bei kurzfristigen Angebotsschocks, wie etwa geopolitischen Risiken, geringer aus. Man spricht hier deshalb auch von der „Trägheit“ am längeren Ende der Future-Kurve.

Die Preise von Futures mit kürzeren Laufzeiten liegen im Gegensatz dazu deutlich näher am Verlauf der Spotpreise. Akzeptieren Investoren höhere Rollkosten, könne sie mit ETCs auf kürzer laufenden Futures stärker an eventuellen Preisbewegungen partizipieren. Daher sind diese Produkte geeigneter für Anleger, die einen baldigen Anstieg der Ölpreise erwarten. Eine besonders interessante Option für kurzfristig orientierte Investoren sind gehebelte ETCs. Durch einen Hebel lässt sich mit dem Faktor 2 von einem Ölpreisanstieg profitieren. So kann der Anteil der Rolleffekte an der erwarteten Rendite effektiv reduziert werden. Beim Einsatz solcher Produkte sind allerdings auch die damit verbundenen höheren Risiken sowie die Pfadabhängigkeit der Kursentwicklung des ETCs zu beachten. Bei Produkten mit täglicher Pfadabhängigkeit ist die Basis für den Hebel immer der Kurs des Vortages. Bei einem längeren Anlagezeitraum und in einem volatilen Marktumfeld kann es damit zu Verzerrungen kommen.

Wollen Investoren die aktuelle Situation am Ölmarkt zu einem Einstieg nutzen, haben sie mit ETCs auf Rohöl der Sorten Brent und WTI eine breite Auswahl an Instrumenten zur Verfügung. Mit den Produkten lässt sich in verschiedene Punkte auf der Future-Kurve investieren, wodurch sich Investoren unterschiedliche Investmenteigenschaften in das Portfolio holen. Anhand seiner spezifischen Investmentstrategie kann der Anleger das für ihn passende Produkt wählen.


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*) Bernhard Wenger ist Head of European Distribution bei ETF Securities.