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Meinung: Nichtfinanzielle Attribute gewinnen bei der Aktienselektion klar an Bedeutung

Das Thema Risikomanagement hat bei Anlegern deutlich an Bedeutung gewonnen. Immer seltener sind insbesondere große Anleger auf der Suche nach Alpha und der Outperformance einer Markt-Benchmark. Stattdessen werden Zielrenditen und eine Minimierung des Anlagerisikos, häufig auch über positive Diversifikationswirkungen alternativer Anlagestrategien angestrebt, ergab eine aktuelle Umfrage von BNY Mellon und Dr. Harry Markowitz. Vor dem Investment in ein Unternehmen über Aktien oder Anleihen gilt es, eine Reihe von Faktoren und Kennzahlen zu analysieren. Traditionell konzentrieren sich die meisten Anleger dabei ausschließlich auf die Finanzkennzahlen eines Unter-nehmens und vernachlässigen dessen nichtfinanzielle Attribute, die allerdings die Rendite einer Aktie oder Anleihe entscheidend beeinflussen können.

Ralph Prudent

 

Bereits seit längerem nimmt die Zahl der Unternehmen, die Schadensersatz- oder Strafzahlungen in Milliardenhöhe aufgrund von Umweltschäden, Sozialstreitfällen oder schlechter Unternehmensführung leisten müssen, zu. Die Liste ist lang und prominent: Tepco, auf der die Atomkatastrophe von Fukushima lastet, BP musste bisher über 42 Mrd. US-Dollar für die Explosion der Ölplattform Deep Water Horizon aufwenden, Chevron wurde zu einer Geldbuße in Höhe von 10 Mrd. US-Dollar für Umweltschäden in Ecuador verurteilt, GlaxoSmithKline zahlt 3 Mrd. US-Dollar Strafe für die illegale Verkaufsförderung von Arzneimitteln und JP Morgan zahlt eine Strafe von 13 Mrd. US-Dollar, um Zivilklagen von Anlegern in Zuge der Subprime-Krise zu beenden. Credit Suisse und BNP Paribas drohen Milliardenstrafen in den USA wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bzw. Verstößen gegen Sanktionsbestimmungen. Vergleichsweise gering wirken da 725 Mio. Euro, die die Bilanz der Deutschen Bank belasten, oder 480 Mio. Euro in den Büchern von ThyssenKrupp. Deutliche Belege dafür, mit welch hohen Risiken und enormen finanziellen Belastungen die Vernachlässigung unternehmerischer Gesellschafts­verantwortung verbunden ist. Oft sind Kurseinbrüche an der Börse und Verluste für die Anleger die Folge.

Aktuell offenbart sich das hohe Risiko nicht-nachhaltiger Wirtschaftspraxis in dem Wunsch der deutschen Energieversorger, letztlich den Staat über eine öffentlich-rechtliche Stiftung für die Abwicklung der Atomkraft in die Pflicht zu nehmen. Gleich einer „Bad Bank“ für die Atomkraft sollen die finanziellen Risiken aus Rückbau und Endlagerung, die die von den Versorgern gebildeten Rückstellungen von 35 Mrd. Euro überschreiten, von der Gemeinschaft, also dem Steuerzahler, getragen werden. Der Mythos der billigen Kernkraft ist damit wohl restlos zerstört, sie droht in einem ökonomischen Desaster zu enden. Die drei großen deutschen Energieversorger sind mit dem Atomausstieg offensichtlich überfordert. Ihr Ansinnen zeigt faktisch, dass die Atomkraft wirtschaftlich nicht beherrschbar ist. Auf den Punkt bringt es CDU-Fraktionsvize Gerhard Fuchs, für den die finanziellen Risiken von Rückbau und Endlagerung unkalkulierbar sind. Umweltministerin Hendricks zweifelt zudem an der Leistungsfähigkeit der Versorger. Sie fordert den Beweis, dass ihre Rück­stellungen im Entsorgungsfall tatsächlich zur Verfügung stehen.

Die einst unerschütterliche Finanzkraft der Energiegiganten scheint in den Kühltürmen von Großkraft­werken verdunstet zu sein. Mit der konsequent rückwärts gerichteten Strategie, weiterhin auf Atomkraft und Großkraftwerke anstatt auf die politisch gewollten Erneuerbaren Energien zu setzen, erleiden sie nun selbstverschuldet Schiffbruch. Ihre Großanlagen werfen kaum noch Gewinne ab, während Strom aus Sonne, Wind und Wasser die Märkte flutet. Auch im globalen Kontext sind die von den Giganten einst verspotteten Erneuerbaren Energien vielerorts inzwischen oftmals die günstigste Lösung für die Energieversorgung – auch ohne Subventionen! Die Mär vom unschlagbar günstigen Atomstrom hat sich in den Schloten alter Kohlekraftwerke in Rauch aufgelöst: Solarenergie wird in Deutschland inzwischen günstiger produziert, auch ohne Berücksichtigung der externen Folgekosten der Kernkraft.

Das Erfolgspotential eines Unternehmens und eines Investments kann nicht mehr ausschließlich aus der Interpretation der Finanzkennzahlen herausgelesen werden. Unternehmen müssen ihre möglichen Umwelt-, Sozial- und Führungsrisiken in den Griff bekommen. Die Wertentwicklung eines Unternehmens an der Börse hängt nicht mehr nur von finanziellen, sondern zunehmend auch von nichtfinanziellen Faktoren ab. Die Vernachlässigung dieser Aspekte kann für das Unternehmen teuer werden und dessen Überleben am Markt schlimmstenfalls gefährden. Investoren dürfen dies nicht ignorieren. Die Analyse der Nachhaltigkeitsfaktoren eines Unternehmens ermöglicht ein besseres Management des Anlagerisikos durch umfassendere Aussagen über künftige Ertrags- und Renditepotentiale. Ökonomie und nachhaltige unternehmerische Verantwortung bilden somit gemeinschaftlich die Quelle der Wertschöpfung für ein Unternehmen und damit auch für die Rendite seiner Investoren.

Diesen Wandel belegt einmal mehr die Studie „The KPMG Survey of Corporate Responsibility Reporting 2013“. Eine stetig zunehmende Zahl von Unternehmen verbucht die Stärkung ihrer gesamt­gesellschaftlichen Verantwortung auf der Habenseite. Sie generieren Wettbewerbsvorteile, entwickeln eine verbesserte Anpassungsfähigkeit an sich ändernde regulative Änderungen, binden Talente und Schlüsselpersonal, vermeiden Imageschäden und sparen Kosten ein (Energie-, Ressourcen- und Emissionseffizienz), weil sie ganz simpel mit weniger mehr produzieren. Sie sind resistenter gegen den „NIMBY-Effekt“ (not in my backyard), dem Widerstand von Bevölkerung und Gemeinden gegen Beeinträchtigungen durch Luft-, Wasser- oder Bodenverschmutzung, Lärm und Gerüche. „Saubere“ Unternehmen haben nicht nur geringere Risiken, sondern zudem deutliche Standort- und Wettbewerbsvorteile.

Allerdings gibt es weder für die Auswahl und die Bewertung nachhaltiger Unternehmenskriterien noch für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung allgemeinverbindliche Standards. Klare und verbindliche positive und negative Kriterien für die Unternehmensauswahl sind daher für den Anleger entscheidend bei der Auswahl seines Investments, um vor Risiken und bösen Überraschungen geschützt zu sein.

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*) Ralph Prudent verantwortet als Geschäftsführer den institutionellen Vertrieb der Kapitalanlagegesellschaft ÖKOWORLD. Mit ÖKOWORLD FONDS setzt der Investor nicht nur auf größtmögliche Produkttransparenz, sondern auch auf die langjährige Kompetenz von Experten. In der Nachhaltigkeitsanalyse und -bewertung von Unternehmen insbesondere auch in den Bereichen mittlerer und kleinerer Unternehmen oder der Wachstumsmärkte genauso wie in Finanzanalyse und Portfoliomanagement.