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Meinung: Smart Beta - Weder smart noch Beta

Smart Beta verspricht einen günstigen, passiven Investmentansatz, der trotzdem eine Outperformance gegenüber klassischen Indizes erzielt. Doch die Produkte erfordern aktives Trading, bergen Fallstricke, mit denen sich Investoren auseinandersetzen sollten – und verschenken nicht selten Renditepotenzial.

Smart Beta: Dieses Label hat sich durchgesetzt als Bezeichnung für eine ganze Reihe systematischer Strategien, die Investoren Performancevorteile gegenüber klassischen, nach Marktkapitalisierung gewichteten Indizes versprechen. Ihnen allen ist gemein, dass sie einen Index nachbilden, diesen jedoch nach Faktoren wie Größe, Bewertung oder Volatilität neu gewichten. Zwei Finanzkrisen seit der Jahrtausendwende und ein gewachsenes Kostenbewusstsein auf Investorenseite haben die Nachfrage nach Smart-Beta-Produkten in die Höhe schnellen lassen. Aktuellen Schätzungen zufolge dürften innerhalb der nächsten fünf Jahre mehr als 6 Bio. US-Dollar an institutionellem Anlagekapital in die Assetklasse fließen.

Alter Wein in neuen Schläuchen?
Dabei ist die Idee selbst nicht neu – systematische Alternativen zur Gewichtung nach Marktkapitalisierung gibt es seit mehr als 30 Jahren. Die ursprüngliche Idee des Beta eines Marktes stammt aus den 1960er Jahren und geht auf den Wirtschaftsnobelpreisträger William Sharpe zurück. Seitdem ist sie zu einem Schlagwort für das Exposure eines Portfolios gegenüber dem Gesamtmarkt geworden. Nach Marktkapitalisierung gewichtete Portfolios bilden die Gesamtentwicklung des Marktes ab. Sie sind ein günstiger, schneller und einfacher Weg, große Summen am Aktienmarkt anzulegen und haben weltweit Billionen von Dollars angezogen. Doch fraglos bringen sie eine Reihe von Problemen mit sich, die durch zahlreiche wissenschaftliche Studien gut dokumentiert sind, allen voran ein hohes Exposure gegenüber Firmen mit besonders hoher Marktkapitalisierung und einen Mangel an Schutz vor Kursverlusten.

Bereits in den 1980er Jahren wurden daher erste Strategien lanciert, deren Ziel es war, die inhärenten Fehler marktkapitalisierungsgewichteter Indexportfolios auszugleichen. Über die Jahre wurden verschiedene alternative Gewichtungsschemata vorgeschlagen, unter denen Größe (1981), Bewertung (1992) und Momentum (1997) hervorstechen: Sie sind in den letzten drei Jahrzehnten zu solcher Prominenz gekommen, dass sie zu anerkannten Risikofaktoren geworden sind. Andere beliebte Strategien sind die Gewichtung nach fundamentalen Kennzahlen sowie nach (möglichst geringer) Volatilität. Anhänger dieser Ansätze glauben, dass die Modifizierung eines Portfolios in Richtung bestimmter Charakteristika – Tilt genannt – den Zugang zu Risikoprämien ermöglicht und zu höheren Renditen führt. Erst in jüngster Zeit firmieren diese Strategien unter dem neuen Label Smart Beta.

Kann Beta smarter werden?
Versteht man unter Beta die Schwankungsbreite eines Portfolios im Vergleich zum Gesamtmarkt, ist nur schwer vorstellbar, wie Beta „smarter“ werden – und dabei Beta bleiben – kann. Doch auch abseits semantischer Spiele stellt sich die Frage, wie „smart“ Smart Beta tatsächlich ist. Investoren erhoffen sich einen passiven und günstigen Investmentansatz, verbunden mit der Chance höhere Renditen oder ein geringeres Risiko zu erzielen. Höheres Exposure gegenüber bestimmten Gewichtungsfaktoren bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass Smart-Beta-Strategien mit spezifischen Risiken einhergehen, mit denen Investoren sich auseinandersetzen sollten.

Es liegt in der Natur – und ist der Zweck – von Smart-Beta-Vehikeln, dass ihre relativen Renditen im Vergleich zu marktkapitalisierungsgewichteten Benchmarks variieren. Da die genannten Faktoren zu einer von klassischen Indizes abweichenden Portfoliozusammensetzung führen, weicht das daraus resultierende Renditeprofil zwangsläufig von der Benchmark ab. Das kann langfristig Chancen eröffnen, jedoch kommt es bei allen Risikofaktoren zu Phasen, in denen entsprechend ausgerichtete Smart-Beta-Portfolios underperformen oder gar stärker als der Gesamtmarkt nachgeben. Das gilt zum Beispiel für Value-, aber insbesondere für Momentum-Strategien, die die Autokorrelation von Kursbewegungen ausnutzen und in Korrekturphasen dramatische Verluste erleiden können. Aufgrund ihres starren, regelbasierten Ansatzes erweisen sich Smart-Beta-Strategien also nicht in allen Marktphasen als smart – und leider nutzen nur wenige Anbieter Methoden der Risikokontrolle, um die sich daraus ergebenden Probleme zu begrenzen.

Smart Beta ist aktives Trading
Zudem wird häufig übersehen, dass Smart-Beta-Strategien eben kein passives Investment sind. Anders als klassische Indexnachbildungen funktionieren sie keineswegs nach dem Buy-and-Hold-Prinzip, sondern erfordern Rebalancing und damit Trading, um ihre jeweilige Gewichtung aufrecht zu erhalten. Und damit gehen eine Reihe von Problemen einher, die neben potenzieller Outperformance gemeinhin mit aktivem Management verbunden werden. Nur wenige Indizes weisen eine Transaktionskostenkomponente für das notwendige Trading aus – es obliegt den Investoren, den Index so günstig wie möglich zu replizieren. Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass der negative Einfluss der Transaktionskosten bei Strategien mit hohem Rebalancing-Bedarf und Portfolioumsatz ansteigt. Doch selbst wenn die Umsätze relativ niedrig sind, kann das Handelsvolumen gerade bei stark nachgefragten Smart-Beta-Strategien so groß werden, dass es nicht mehr möglich ist, bestmögliche Preise und schnellstmögliche Ausführung zu erreichen. Dies fällt besonders bei Strategien ins Gewicht, die darauf zielen, über den Faktor „Größe“ die höhere Performance von Small Caps auszunutzen. Denn kleinere Titel sind von Natur aus weniger liquide.

Rebalancing als Renditequelle
Doch Rebalancing zwingt nicht nur zu aktivem Trading. Es hat auch eine überraschende Wirkung auf die langfristige Performance von Smart-Beta-Strategien. Ein großer Teil der kurzzeitigen Preisbewegungen von Aktien wird durch natürliche Volatilität und nicht durch Fundamentaldaten und Ereignisse bestimmt. Rebalancing hat das Potenzial, diese natürliche Volatilität auf vorteilhafte Weise einzufangen und so die Rendite eines Portfolios zu verbessern.

So wird etwa eine Strategie, die den Größeneffekt ausnutzen will, Aktien verkaufen, deren Bewertungen gestiegen sind, um die gestiegene Marktkapitalisierung auszugleichen. Sie wird außerdem Titel kaufen, deren Preise in letzter Zeit stark gefallen sind und das Potenzial haben, wieder zum Kursmittel hin anzusteigen. Die Vorzüge einer Strategie, die konsequent hunderte Titel günstig kauft und teuer verkauft, leuchten intuitiv ein. Selbst wenn das Rebalancing nicht regelmäßig vorgenommen wird, kann die langfristige Outperformance von Small-Cap-Indizes vollständig durch dieses „buy-low, sell-high“-Trading erklärt werden. Darüber hinaus kann gezeigt werden, dass Rebalancing auch der wichtigste Treiber hinter der verbesserten Performance vieler anderer Smart-Beta-Strategien ist. Die meisten Strategien nutzen diese Rebalancing-Prämie jedoch eher zufällig, während sie ihr eigentliches Ziel verfolgen, die Gewichtung nach ihren jeweiligen Risikofaktoren zu halten.

Fazit
Viele Smart-Beta-Strategien leiden unter den Gefahren unangemessener Risikokontrollen, Kapazitätsbeschränkungen und sub-optimaler Umsetzung. Selbst mit den oben genannten Einschränkungen bieten sie eine günstige Möglichkeit, Exposure gegenüber diversen Risikofaktoren im Markt zu erhalten und so ein Portfolio von aktiv gemanagten Strategien zu ergänzen, wenn diese Faktoren darin über- oder unterrepräsentiert sind. Doch wenn Rebalancing und das Ausnutzen von Volatilität die eigentliche Alpha-Quelle ist, wäre es dann nicht ein wirklich smarter Ansatz, genau dieses Alpha ganz aktiv anzustreben?

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*) Adrian Banner ist Chief Executive Officer und Chief Investment Officer bei INTECH.