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„Momentum-Strategien zählen zu den wenigen Strategien, die in Krisenjahren Gewinne erwirtschaften können“

Anleger stehen vor einer großen Herausforderung. Einerseits notieren die Aktienmärkte auf oder nahe ihrer Höchststände. Andererseits resultieren aus dem Niedrigzinsumfeld teilweise negative Realrenditen an den Anleihemärkten. Dr. Jan Viebig, Head of Alternative Investments bei Vontobel Asset Management, erklärte in seinem Vortrag beim 127. Hedgework, wie Momentum-Strategien hier helfen können und zeigt deren Einsatzmöglichkeiten im aktuellen Marktumfeld auf. Wir veröffentlichen das Interview zum Hedgework.

Dr. Jan Viebig

Hedgework: Herr Dr. Viebig, Alternative Investments sind heute wieder äußerst beliebt. Was sind die Hauptgründe für die verstärkte Nachfrage?
Viebig: Im Wesentlichen sind es zwei Gründe. Zum einen sind die Aktienmärkte seit der Finanzkrise 2008/2009 bereits stark gestiegen, beflügelt von den massiven Interventionen der Zentralbanken. Der zweite Grund, ebenfalls eine Folge der ultra­expansiven Geldpolitik der Notenbanken, sind die niedrigen Zinsen. In diesem Marktumfeld macht es Sinn, Vermögen verstärkt in alternative Investments umzuschichten.

Hedgework: Anhand welcher Kriterien bestimmen Sie, ob Aktien teuer oder noch immer preiswert sind?
Viebig: Ein guter Anhaltspunkt ist das Shiller KGV, auch Shiller P/E genannt. Die Kennzahl, benannt nach dem Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger aus dem Jahr 2013, Robert Shiller, setzt den derzeitigen Aktienkurs ins Verhältnis zum inflationsbereinigten Durchschnitt der Unternehmensgewinne der letzten zehn Jahre. Shillers Studien zeigen: Anleger sind gut beraten, ihre zukünftigen, langfristigen Renditeerwartungen nach unten zu korrigieren, wenn die Shiller P/E wie momentan überdurchschnittlich hoch ist.

Hedgework: Wann ist es sinnvoll Momentum-Strategien einzusetzen?
Viebig: Alternative Investments sollen Anlegern gerade dann Diversifikationsvorteile bieten, wenn sie diese am meisten benötigen, sprich: in Zeiten von Stress an den Finanzmärkten, wenn Anleger mit traditionellen Anlagen wie Aktien und Anleihen deutliche Verluste erleiden. Wobei sich in Krisenphasen nicht alle alternativen Strategien als robust erweisen. Dies hat sich auch in der letzten großen Finanzkrise gezeigt, als diverse Anleger mit einigen Hedgefonds-Strategien hohe Verluste erlitten. Momentum-Strategien – auch als Trendfolge-Strategien bezeichnet – zählen zu den wenigen Strategien, die sowohl im Krisenjahr 2000 nach dem Platzen der Dotcom-Blase als auch nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 ansehnliche Gewinne erzielt haben.

Hedgework: Wie erklärt sich das gute Abschneiden von Momentum-Strategien in Krisenzeiten?
Viebig: Das liegt primär an der Strategie, die sie verfolgen. Bereits seit den 1960er-Jahren setzen CTAs, also Commodity Trading Advisors, auf Momentum-Strategien. Trendfolger kaufen Futures, wenn der zugrunde liegende Basiswert – Rohstoff-, Aktien-, Anleihen- oder Währungsmarkt – über eine vorgegebene Periode ein positives Momentum aufweist, und verkaufen Futures, wenn die Märkte über eine bestimmte Lookback-Period gefallen sind. Ökonomen haben in zahlreichen empirischen Arbeiten belegt, dass unterschiedliche Märkte über verschiedene Zeiträume Trends aufweisen, die durch regelgebundene Trendfolge-Strategien gewinnbringend genutzt werden können. Eine mögliche Erklärung für die erstaunliche Profitabilität von Trendfolge-Strategien liefert die Behavioral Finance. Eine anfängliche Unterreaktion auf neue Informationen und eine spätere Überreaktion sind vermutlich die entscheidenden Gründe für den langfristigen Erfolg von Trendfolge-Strategien. Übertreibungen an den Finanzmärkten können dazu führen, dass Trends länger anhalten, als es fundamentale Daten nahelegen, da Investoren oftmals viel zu lange in die gleiche Richtung laufen. Experten bezeichnen dies als Herdenverhalten. Der bekannte Ökonom John Maynard Keynes soll einmal treffend gesagt haben: „The market can remain irrational longer than you can remain solvent“. Früher oder später enden Trends jedoch stets mit einem Trendwechsel. Solche Trendwechsel führen zu anfänglichen Verlusten bei Trendfolgern. Etabliert sich aber nach einem Trendwechsel ein neuer Trend, dann erzielen Trendfolger erneut Gewinne, da sie systematisch Short-Positionen aufbauen, wenn die Märkte fallen, und Long-Positionen, wenn sie steigen.

Hedgework: Wie unterscheiden sich die Auszahlungsprofile von Momentum-Strategien und Aktien?
Viebig: Eine wesentliche Eigenschaft von Trendfolge-Strategien ist ihr konvexes Auszahlungsprofil. Diese Strategien erzielen also Gewinne, wenn sich Aufwärtstrends ausbilden, das heißt, wenn Märkte stark steigen. Sie erzielen aber auch Gewinne, wenn Märkte stark fallen, sich also Abwärtstrends ausbilden. Im Gegensatz dazu weisen Aktien und andere traditionelle Investments ein lineares Auszahlungsprofil auf. Steigen die Aktienmärkte, erzielen Anleger mit Aktienfonds Gewinne; fallen die Aktienmärkte, dann erleiden sie entsprechend Verluste. Das konvexe Auszahlungsprofil von Trendfolge-Strategien führt dazu, dass Anleger in Krisenzeiten hohe Gewinne erzielen, gerade dann, wenn sie mit Aktien und anderen traditionellen Anlagen hohe Verluste erleiden und Diversifikation am meisten benötigen.

Hedgework: Wie funktionieren Trendfolgesysteme?
Viebig: Trendfolgesysteme bestehen grundsätzlich aus zwei Bestandteilen: einem Filtermodul und einem Risikosteuerungsmodul. Bei dem Filter handelt es sich um einen Algorithmus, anhand dessen Händler messen, ob Trends in Kurszeitreihen vorliegen. Trendfolger filtern typischerweise eine Vielzahl von Futures-Märkten gleichzeitig. Einige dehnen ihr Universum heutzutage auch auf andere liquide handelbare Instrumente aus, wie beispielsweise Credit Default Swaps (CDS), um von Trends in möglichst vielen verschiedenen Märkten zu profitieren. Haben nun Trendfolger anhand von Filtern Kauf- und Verkaufssignale für einzelne Märkte identifiziert, dann müssen sie in einem zweiten Schritt festlegen, wie stark sie in den einzelnen Märkten „long“ oder „short“ gehen wollen. Hierzu verwenden sie unterschiedliche Risikosteuerungsmodule.

Hedgework: Können Sie darauf noch etwas näher eingehen?
Viebig: Eine eher naive Art der Risikosteuerung besteht darin, jeden Markt, für den ein Signal vorliegt, gleich zu gewichten. Da die einzelnen Kontrakte jedoch unterschiedliche Risiken aufweisen und die Risiken im Zeitablauf nicht stabil sind, verwenden ­Trendfolger meist ausgefeiltere Risikosteuerungssysteme. Finanzökonomen haben eine Reihe von Methoden entwickelt, die es erlauben, die zeitvariable Volatilität und die Abhängigkeitsstruktur von Investments zu schätzen. Solche Methoden – zu denen auch GARCH-Modelle zählen – werden verwendet, um jedem Kontrakt das gleiche Risiko zuzuweisen.

Hedgework: Worauf sollten Anleger bei der Wahl von Momentum-Strategien achten?
Viebig: Investoren, die in Momentum-Strategien investieren, sollten sich nicht anders als bei traditionellen Investments der Risiken bewusst sein, die sie eingehen. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen traditionellen und alternativen Investments. Die Rendite- und Risikoeigenschaften von traditionellen Investments hängen zu über 90 Prozent von der Wahl der Anlageklasse wie Aktien und Anleihen ab. Bei alternativen Anlagen ist das anders. Zahlreiche Studien von Ökonomen belegen, dass die Wahl der Handelsstrategie, die ein Portfoliomanager verfolgt, der primäre Faktor ist, der die Rendite- und Risikoeigenschaften von alternativen Investments bestimmt. Momentum-Strategien weisen strategiebedingt ein Risikoprofil auf, das dem Risikoprofil eines ­Straddles ähnelt: Trendfolge-Strategien sind erfolgreich, wenn Märkte stark steigen oder stark fallen, sprich sich an den Märkten starke Trends ausbilden. In Phasen hingegen, in denen die Märkte seitwärts tendieren und häufig Trendwechsel stattfinden, erleiden Investoren mit Momentum-Strategien strategiebedingt Verluste. Momentum-Strategien eignen sich somit besonders für Investoren, die ihrem Portfolio Strategien beimischen wollen, die auch in Stressphasen an den Finanzmärkten – in Zeiten also, in denen Diversifikation am wichtigsten ist – strategiebedingt positive Renditen erwirtschaften können. Haben Trendfolger anhand von Filtern Kauf- und Verkaufssignale für einzelne Märkte identifiziert, dann müssen sie in einem zweiten Schritt festlegen, wie stark sie in den einzelnen Märkten long oder short gehen wollen. Hierzu verwenden sie unterschiedliche Risikosteuerungsmodule.

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Dr. Jan Viebig, CFA, ist seit September 2012 Head of Alternative Investments bei Harcourt, der auf alternative Anlagen spezialisierten Marke von <link am-guide>Vontobel Asset Management, und zudem Mitglied des Management Committee. Harcourt bietet eine große Bandbreite an transparenten und innovativen alternativen Anlageprodukten in den Bereichen Absolute Return Bond, Liquid Alternatives, Funds of Hedge Funds, Rohstoffe sowie „Alternative Advisory“ an.