IPE D.A.CH: Herr Becker, was ist beim Thema Risikomanagement für Sie der wichtigste Faktor?
Becker: Bevor wir hier in Details einsteigen, am allerwichtigsten ist letztlich die Kommunikation, also die Antwort auf die Frage, was will ich mit meinem Risikomanagement erreichen, welche Prioritäten habe ich. Nur dann kann ein Risikomanagement-System seine Stärke ausspielen.
IPE D.A.CH: Zumeist die Verlustvermeidung…
Becker: Erstes Ziel ist in der Tat immer die Verteidigung der Wertuntergrenze, egal wie. Wenn der Kunde sagt, bei 90 ist Schluss, dann muss das gewährleistet sein. Gleichzeitig soll dies aber auch möglichst wenig Geld kosten. Die Traktion zur Benchmark soll hier möglichst wenig verloren gehen, nur die schlimmsten Phasen sollen weitestgehend gut abgeschnitten werden.
IPE D.A.CH: Gerade in so schnelllebigen Märkten wie zuletzt nicht immer ein einfaches Unterfangen…
Becker: Wichtig ist hier insbesondere ein regelbasierter und nachvollziehbarer Prozess, der keine zusätzlichen Entscheidungen von Gremien verlangt. Das geht – gerade in derartigen Marktphasen – schlicht und ergreifend nicht bzw. wäre am Ende sehr teuer für den Kunden.
IPE D.A.CH: Wie gehen Sie mit der tendenziell zyklischen Risikoneigung der Investoren um?
Becker: Zunächst einmal möchte ich diese Aussage unterstreichen. Ich denke die letzten Monate zeigen dies sehr gut. Wir hatten noch im Januar viele Anleger bzw. deren Entscheidungsgremien, die bereit waren, noch stärker ins Risiko zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt hatten unsere Systeme bereits eine Verteuerung in verschiedenen Assetklassen wie Aktien und High Yield angezeigt. Dann kam der Drawdown und es gab eine 180-Grad-Wende, das Thema war nur noch „raus aus dem Markt“. Als wir im April mit Investoren über eine Wiedereinstieg zu sprechen, ist es vielen sehr schwer gefallen dem zu folgen. Seit Juni sprechen wir nun über mehr Risiko. Kurzum, in solchen Marktphasen ist die Emotionalität der Entscheidungen sehr hoch und damit auch die Zyklik. Hier mental dagegen zu halten ist außerordentlich schwer.
IPE D.A.CH: Das Plädoyer für transparente und klar definierte Prozesse…
Becker: Genau das ist am Ende der Punkt. Nur so können Sie menschliche Emotionen wie Gier und Angst ausschalten und am Ende gut Entscheidungen treffen.
IPE D.A.CH: Sie kooperieren mit der Universal-Investment bei Thema Risiko- und Ertrags-Overlay. Wie sieht dies konkret aus?
Becker: Am Ende macht hier jeder, was er besonders gut kann. Universal-Investment kümmert sich um die Risikosteuerung im Sinne der Messung, Umsetzung der Wertsicherung und Kontrolle bzw. Reporting. Wir als Vescore betreiben vorgelagert über unsere Modelle die Prognose der Risikoprämien und Optimieren das Portfolio auf dieser Basis. Bei den Allokationssignalen bedienen wir uns unserer erprobten fundamental-ökonomischen Modelle wie GLOCAP und FINCA.
IPE D.A.CH: Welche Vorteile bietet die Risikosteuerung über verschiedene Modelle für Aktie, Zins und Spread?
Becker: Sie können wesentlich besser auf Chancen des Marktes eingehen bzw. auf der anderen Seite Risiken wesentlich granulärer abbilden. Aktuell haben wir beispielsweise in der Phase des Wiedereinstiegs zunächst die Spread-orientierten Assets geöffnet, dann die Aktien und erst zuletzt die Zinsseite. Im Ergebnis ein gewaltiger Unterschied.
IPE D.A.CH: Honorieren Investoren dieses zusätzliche Maß an Transparenz?
Becker: Wir bekommen das Feedback aus dem Markt, dass dies definitiv gut ankommt. Wir waren im Juni die ersten, die im Bereich der Spreads wie High Yield und EMD wieder voll investiert waren. Natürlich braucht auch unser Modell einen gewissen zeitlichen Horizont – hier zirka sechs Wochen – um zu verstehen, was genau an den Märkten passiert. Das geht nicht über Nacht.
IPE D.A.CH: Welche Größenordnung liegt mittlerweile in der Risiko-Overlay-Strategie?
Becker: Wir sprechen hier mittlerweile über 11 Mrd. Euro. Entsprechend der Tragweite der Entscheidungen gehen wir natürlich in Kundengesprächen in die Tiefe und liefern eine maximale Transparenz um Ihren vorigen Punkt nochmals anzusprechen.
IPE D.A.CH: Wie stark ist die Verknüpfung bei institutionellen Kunden mittlerweile beim Thema Overlay Management und Ertrag?
Becker: Noch immer dürften rund 90% der Kundengespräche zentral um das Thema Risikomanagement und die Sicherung einer Untergrenze gehen. Risikobudgets auch zur Ertragsgewinnung einzusetzen kommt aber immer mehr auf die Agenda. In einer ruhigen Marktphase ist die eine gute Möglichkeit, weitere Erträge zu realisieren.
IPE D.A.CH: Wie hat sich Ihrer Ansicht nach die Breite der gängigen Konzepte beim Risiko-Overlay in der Corona-Krise geschlagen?
Becker: Alle Konzepte sind mehr oder minder gut in die Sicherung gekommen. Das Schwierige ist, wieder herauszukommen und Risiko wieder freizugeben, um letztlich an der Erholung der Märkte partizipieren zu können. Ansonsten schlägt die starke Underperformance dann in der Erholungsphase zu. Ich glaube, dass uns hier die Zerlegung in Aktie, Zins und Spread sehr entgegenkommt um unsere Kunden entsprechend gut durch die Krise zu kommen. Das spiegelt uns zumindest der Markt aktuell wider.
IPE D.A.CH: Welche Rolle hat dabei die Liquidität in der Krise gespielt?
Becker: Wichtig war hier in der Tat, wie man die Absicherung betreibt. Wir arbeiten hier mit Derivaten, also Aktienindex- und Zinsfutures bzw. CDS für die Spreadseite. Manche Instrumente waren hier in der Krise hochpräzise, bei anderen war es sehr schwierig, eher ein Schießen mit der Schrotflinte. Was sie in so einer Phase aber tunlichst vermeiden sollten, ist, an die Bestände zu gehen, da die Geldkurse eher geraten werden und Verkäufe entsprechend teuer werden. Für uns war daher sehr wichtig, unsere Kunden so durch die Krise zu führen, damit keinesfalls die Bestände angegriffen werden.
IPE D.A.CH: Herr Becker, besten Dank für diese Einblicke.