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Smart Beta wird nachhaltig

Smart-Beta-Strategien lassen sich einfach auf ESG-Portfolios anwenden. Die richtige Methodik vorausgesetzt, bleibt der positive Effekt auf das Rendite-Risiko-Profil weitestgehend erhalten. Mehr noch: Der duale Ansatz verspricht zusätzliche Synergien.

Bruno Poulin

Smart-Beta-Strategien überzeugen immer mehr Investoren. Die streng systematischen Strategien versprechen bessere risikoadjustierte Ergebnisse als ein Investment in traditionelle passive Produkte, die gängige, nach Marktkapitalisierung gewichtete Indizes abbilden. Dabei überzeugen sie mit einem Höchstmaß an Transparenz und ähnlich geringen Kosten, wie sie klassische Index-Investments aufweisen.

Wenig verwunderlich erscheint da, dass das Smart-Beta-Angebot kontinuierlich auf weitere Assetklassen und Assetklassen-Kombinationen ausgeweitet wird und dabei auch spezielle Bedürfnisse von Investoren berücksichtigen kann. Längst bieten Smart-Beta-Manager ihre Strategien auch für auf individuelle Kundenbedürfnisse und Benchmarks zugeschnittene Mandate an.

Nicht fern liegt da, einen weiteren unübersehbaren Trend im Asset Management zu beleuchten und eine mögliche Kombination der Ansätze auf ihre Erfolgsaussichten hin zu untersuchen: Immer größeren Zuspruch erfahren Nachhaltigkeits- beziehungsweise ESG-Ansätze (Environment, Social, Governance), die sich auch als „Values Investing“ bezeichnen ließen. Statt nur die rein betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zu berücksichtigen, beziehen sie auch gesellschaftspolitische Parameter, Umweltkriterien und Unternehmensführung in den Auswahlprozess ein.

Sowohl Smart-Beta als auch ESG-Investments folgen in aller Regel einer strengen Systematik. Die Frage, die sich unmittelbar stellt, ist: Stehen die Ansätze und ihre Ziele einander entgegen, oder lassen sie sich sinnvoll kombinieren? Das hängt naturgemäß stark von der Herangehensweise ab.

Aus mehreren Gründen erscheint es zweckmäßig, ein ESG-Screening an den Anfang des Investmentprozesses zu stellen. Zum einen sind viele der in ESG-Kriterien formulierten Werte und Überzeugungen allenfalls sehr begrenzt verhandelbar. Zum anderen hat sich erwiesen, dass sich erprobte Smart-Beta-Strategien auch auf viele Sub-Sets des ursprünglichen Investment-Universums erfolgreich anwenden lassen. Das zeigt beispielsweise die Übertragung etablierter Konzepte auf Produkte mit unterschiedlichen geografischen Begrenzungen. Damit der jeweilige Ansatz weiter funktioniert, muss allerdings eine entscheidende Voraussetzung erfüllt sein: So sollte das jeweils in Frage stehende Marktsegment eine ähnliche Charakteristik in punkto Risiko- und Faktorexposition aufweisen; eine zu starke Konzentration auf wenige Branchen ist ebenso zu vermeiden wie eine frühzeitige Klassifikation nach Unternehmensgröße, Volatilitäten oder sonstigen Unterscheidungskriterien.

Unter diesem Gesichtspunkt verspricht die Anwendung von Smart Beta auf ein ESG-Portfolio nicht in jedem Fall Erfolg. So schließt die absolute Betrachtung von Nachhaltigkeitswerten etliche Branchen mit strukturell schwächeren Scores systematisch aus und übersieht dabei Unternehmen, die sich im Rahmen ihres Geschäftsfelds besonders vorbildlich verhalten. Schließlich haben verschiedene Branchen ganz unterschiedliche Auswirkungen auf Umwelt oder Gesellschaft, sodass sie sich nicht unmittelbar vergleichen lassen.

Geeignet erscheint auf der Nachhaltigkeits-Seite daher insbesondere ein Best-in Class-Ansatz. Dabei werden innerhalb einzelner Branchen die nach ESG-Kriterien besten Unternehmen selektiert. Anders als bei Ranking und Gewichtung nach absolutem ESG-Score bleibt das Universum damit hinreichend diversifiziert, um Optimierungspotenzial vorzuhalten. So offenbart ein direkter Vergleich zwischen einem Best-in-Class-Universum und einer ausschließlich nach den absoluten ESG-Punktzahlen zusammengestellten Auswahl, in wie unterschiedlichem Maß einzelne Branchen betroffen wären (siehe Abb. 1). So führte etwa die Anwendung eines absoluten ESG-Maßes zu einer Beschneidung des Finanzsektors um 50%, während der Best-in-Class-Ansatz das Branchenuniversum nur um etwa 30% reduziert.



Zeigen lässt sich zudem, dass ein Best-in-Class-Screening die Fama-French-Risikofaktoren nicht maßgeblich verändert. Auch mit Blick auf die Volatilitäten der Einzeltitel ändert die Auswahl nichts; lediglich der Allerbeste jeder Klasse weist tendenziell niedrigere Schwankungen auf.

Damit erscheint die Implementierung einer Smart-Beta-Strategie dann den meisten Erfolg zu versprechen, wenn das Investmentuniversum auf einer Best-in-Class-Auswahl und damit dem am weitesten verbreiteten ESG-Ansatz europäischer Investoren beruht. Ein vielfach etablierter vorgeschalteter Ausschlussprozess, der ethisch besonders fragwürdige Unternehmen von vornherein aussortiert, ändert daran nichts.

Tatsächlich lässt sich für eine Vielzahl von Smart-Beta-Strategien von Equal Weight über Low Volatility bis zu Minimum Varianz zeigen, dass die Anwendung auf ein entsprechendes ESG-Portfolio sich auf das Rendite-Risiko-Profil nahezu genauso positiv auswirkt, wie dies bei traditionellen Indizes der Fall ist. So punkten insbesondere Low-Volatility- und Minimum-Varianz-Strategien auch nach ESG-Screening mit ähnlichen oder deutlich höheren Erträgen im Verlauf eines Marktzyklus bei gleichzeitig signifikant reduziertem Risiko (siehe Abb. 2).



Mithin lassen sich beide Ansätze einfach verbinden, ohne dass sie in Konkurrenz zueinander träten. ESG-Investoren erhalten über die unterschiedlichen Smart-Beta-Strategien Zugang zu einer ganzen Reihe verbesserter Risiko-Ertrags-Profile; umgekehrt können Smart-Beta-Investoren ihre Strategien einfach auf ein ESG-Universum übertragen, ohne die Portfolioeigenschaften maßgeblich zu verändern.

Durchaus denkbar erscheint zudem, dass die Kombination der beiden Investment-Ansätze zusätzlich Synergien freisetzt. Schließlich ist die wachsende Nachfrage nach ESG-Investments nicht zuletzt auf die Erkenntnis zurückzuführen, dass für den homo oeconomicus über reine Finanzkennzahlen hinaus auch andere Daten eine Rolle spielen und die wachsenden globalen Herausforderungen einen umfassenderen Bewertungsrahmen verlangen. Immer häufiger setzt sich daher die Überzeugung durch, dass eine ESG-Analyse wesentliche zusätzliche Informationen liefert, die die klassische Wertpapieranalyse ausblendet, und so eine umfassendere Einschätzung künftiger Chancen und Risiken eines Unternehmens ermöglicht.

*) Bruno Poulin ist einer der Gründer und CEO von Ossiam, des auf Smart-Beta-Strategien spezialisierten Vermögensverwalters. Bevor Ossiam von ihm im Jahr 2009 mitgegründet wurde, arbeitete er acht Jahre lang als stellvertretender Chief Investment Officer (CIO) und Head of Quantitative Research bei Systeia Capital Management. Sein Aufgabengebiet umfasste dabei die Verwaltung von mehreren Alternativen Fonds. Von 1989 bis 2001 arbeitete Bruno Poulin als Managing Director bei der Société Générale in Tokio und Paris, wo er Positionen in den Bereichen Handel und Strukturierung innehatte. Er absolvierte die Sciences Po (Institut d’Etudes Politiques de Paris) und hält einen Master-Abschluss in Finanzwesen der ESCP Europe Business School.