IPE D.A.CH: Herr Becker, über wenig Volatilität konnten sich Anleger an den Zinsmärkten die letzten 18 Monate beileibe nicht beklagen...
Becker: Man muss bedenken, dass die deutliche Mehrzahl der Indikatoren in der zweiten Jahreshälfte 2023 noch auf eine wirklich tiefe Rezession hingedeutet hat. Wir haben dann in nicht einmal 12 Monaten eine starke Änderung der Erwartungshaltung bezüglich der Zinsentwicklung erlebt – von starken Zinssenkungen bis nahezu keinen Zinssenkungen. Diese Unsicherheit bezüglich der Geldpolitik hat die Volatilität an den Zinsmärkten hochgehalten. Auch in oder gerade wegen der aktuellen Situation hat sich daran nichts geändert, die Zinsvolatilität liegt über dem langfristigen Durchschnitt. Die Zinserwartungen, die der Markt einpreist, können sich in solchen Phasen schnell verändern.
IPE D.A.CH: Weniger Volatilität gab es dagegen an den Risikomärkten...
Becker: Das stimmt, der Aktienmarkt lief im gleichen Zeitraum über weite Strecken hervorragend und im Fixed Income-Bereich war High Yield die mit Abstand am stärksten performende Assetklasse. Auch die Spreads bei Corporates im Investmentgrade-Bereich sind nahezu auf ihr Allzeit-Tief gelaufen. Aber wir hatten, wie schon ausgeführt, sehr viel Volatilität auf der Zinsseite, insofern war 2023/2024 trotzdem für viele institutionelle Anleger ein schwieriges Umfeld zur Navigation in den Fixed Income Märkten.
IPE D.A.CH: Warum ist die Rezession in den USA dann doch nicht gekommen?
Becker: Wir haben uns darüber intensiv Gedanken gemacht, aber letztlich war wohl vieles noch aus der Pandemie heraus getrieben, wie die Verwerfungen an den Arbeitsmärkten, die schließlich mit fallender Inflation zu deutlich höheren Real-Löhnen geführt haben. Dies hat zu einem sehr stabilen Konsum – gerade in den USA – geführt, was wirtschaftlich natürlich sehr geholfen hat.
IPE D.A.CH: Welchen Einfluss hat die neue „Stimmung“ in Deutschland bzw. Europa zum Thema fiskalische und strukturelle Impulse, nicht nur bei den Themen Infrastruktur und Verteidigung?
Becker: Wir hatten in den letzten Jahren eine Divergenz ausgemacht zwischen den USA und vielen anderen Teilen der Welt, sowohl auf zyklischer als auch struktureller Basis. Die fiskalischen Maßnahmen in Deutschland und Europa könnten nun dazu führen, dass wieder eine Konvergenz stattfindet, in der sich die Zyklik, aber potenziell auch die strukturellen Faktoren wie Produktivität der Wirtschaftsräume annähern. Dies hätte weiter Auswirkungen auf Zinsen und Währungen, wie wir zuletzt auch schon gesehen haben.
IPE D.A.CH: Wie sieht es in den USA aus, trägt der Aufschwung noch weiter?
Becker: Die USA haben über einen längeren Zeitraum hinweg ein robustes Wachstum verzeichnet, und die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA war trotz der höheren Zentralbankzinsen in der Tat relativ gering. Die Unsicherheiten in der Wirtschaftspolitik der neuen US-Administration haben jedoch potentiell negative Auswirkungen auf Investitionen und das Konsumverhalten. Dementsprechend könnte das Wachstum belastet werden und die Wahrscheinlichkeit einer Rezession oder gar Stagflation sowohl für die USA als auch für die Weltwirtschaft deutlich steigen.
IPE D.A.CH: Was heißt das für die Zentralbankpolitik?
Becker: Die Auswirkungen auf die Zentralbankpolitik sind ungewiss. Wenn sich eindeutige Anzeichen für eine Rezession in den USA erkennen lassen, hat die US-Notenbank Fed Spielraum für Zinssenkungen, um die US-Wirtschaft anzukurbeln. Sollte sich das Umfeld jedoch als stagflationär erweisen, sähe sich die Fed mit einem Szenario schwächeren Wachstums und anhaltender und/oder höherer Inflation konfrontiert, also einem potenziell herausfordernden Szenario. In diesem Fall wäre nicht klar, welche Prioritäten die Fed setzen würde. Bleibt die Inflation hartnäckig, befände sie sich in der Zwickmühle zwischen Inflationsbekämpfung und Wachstumsförderung.
IPE D.A.CH: Aber ich verstehe Sie richtig, dass dies in den Märkten auf der Zinsseite im Wesentlichen eingepreist ist?
Becker: Noch vor wenigen Wochen hat der Markt ein eher günstiges Wachstumsszenario eingepreist. Zurzeit wird wieder eine höhere Wahrscheinlichkeit einer möglichen Rezession eingepreist als zuvor, das ist Ausdruck der oben genannten Unsicherheiten. Wir müssen uns der Volatilität auf dem Zinsmarkt bewusst sein: Die Erwartungen für die Geldpolitik der Zentralbanken kann sich je nach Entwicklung der Indikatoren und Marktstimmung schnell ändern. In einem solchen Markt ist es entscheidend, langfristig zu denken. Die Renditen in vielen Fixed-Income-Segmenten liegen auf einem attraktiven Niveau, was auf potenziell attraktive Erträge in der Zukunft hindeutet. Der „Carry“, also die laufende Rendite der Anleihen, sollte dabei eine wichtige Rolle als Ertragskomponente spielen.
IPE D.A.CH: Wie beurteilen Sie die zuletzt gesehenen Flows von institutioneller Seite in die verschiedenen Sub-Assetklassen?
Becker: Wir haben seit 2023 sehr viele Flows in Investmentgrade Corporates gesehen. Hintergrund war hier ganz klar die Rendite. Was wir allerdings nicht gesehen haben, war ein großes Interesse an High Yield. Niemand wollte wegen der Rezessionsgefahr zu tief ins Kreditrisiko greifen. Viele Investoren haben da zurückgeschreckt.
IPE D.A.CH: Kommt das Interesse nun – angesichts der exzellenten Performance – zurück?
Becker: Anleger waren in den letzten Jahren eher zögerlich. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2024 sehen wir jedoch mehr Searches nach Hochzinsanleihen, da dieser Sektor über mehrere Jahre hinweg zu den besten Fixed-Income-Sektoren gehörte. Angesichts der jüngsten Unsicherheiten im Zusammenhang mit der US-Politik haben sich die Spreads für Hochzinsanleihen deutlich ausgeweitet, und wir gehen davon aus, dass sich dies auf die Risikobereitschaft der Anleger auswirken wird.
IPE D.A.CH: Profitiert auch EMD von einer gestiegenen Aufmerksamkeit und Investitionsbereitschaft?
Becker: Wir sehen in der Tat Interesse für EMD in verschiedensten Variationen und das schon über die vergangenen zwei bis drei Jahre – auch von institutioneller Seite aus Deutschland. Bemerkenswert war das Interesse an Investments in lokalen Währungen, die trotz oder vielleicht auch gerade wegen der tendenziell über die letzten Jahre abwertenden EM-Währungen gesucht waren. Zum doch wieder gestiegenen Interesse hat sicher die umsichtige Politik der Notenbanken in den Emerging Markets beigetragen, die schneller – und meist auch besser – in und nach der Corona-Krise agiert haben und damit viel Kredibilität bei institutionellen Investoren sammeln konnten. Langfristig sollten bei einer guten Selektion auf Länderebene gute Renditen vereinnahmt werden können.
IPE D.A.CH: Stichwort Renditen, Sie haben bereits den Begriff vom „Carry-Jahr“ 2025 geprägt. Was ist denn in den einzelnen Sub-Assetklassen möglich?
Becker: Bleiben wir bei den Emerging Markets, da kann die laufende Rendite eines aktiv gemanagten Portfolios derzeit durchaus um 9% betragen. US High Yield liegt bei um 8% und im globalen Investmentgrade-Bereich bei 5-5,5% – das alles jetzt auf US-Dollar-Basis, sprich für Euro-basierte Investoren muss davon noch der Hedge in den Euro abgezogen werden, der aktuell rund 1,8-2% kostet.
IPE D.A.CH: Schaut man von Investorenseite auch zunehmend skeptisch auf die Risiken der ausufernden Staatsverschuldung?
Becker: Die hohe Verschuldung seitens der Staaten ist tatsächlich ein Thema das zunehmend diskutiert wird. Man setzt stärker auf Corporates als auf Staaten als Schuldner. Zum einen kann damit auf Index-Ebene auch deutlich besser diversifiziert werden und zum anderen gelten die hohen Schuldenstände zunehmend als nicht mehr adäquat eingepreistes Risiko.
IPE D.A.CH: Besten Dank für die Einblicke und das Update!
„Trotz Marktvolatilität: Langfristige Anleger haben Erträge im Fixed-Income-Bereich im Blick“

Peter Becker