„Gerade Krisen wie die momentane zeigen die Gefahr eines reinen mark-to-market Denkens, da es zu kurzfristigen Steuerungsimpulsen führt – auch in den Bankenrettungspaketen geht man von der kurzfristigen mark-to-market Bewertung ab,” bemerkte Nellshen bei der Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge (aba) in Stuttgart.
Die Anwendung der Solvency II Direktiven ihrer derzeitigen für Versicherungsunternehmen konzipierten Form auf Versorgungswerke würde diese zwingen, mark-to-market Bewertungen ihrer Verpflichtungen und Vermögenswerte vorzunehmen.
Nellshen stellte weiters fest, dass diese Art der Bewertung das ohnehin schon hohe Zinsrisiko in Portfolien noch weiter verstärkt: “Es führt auch zu höherer Volatilität, drängt Manager in pro-zyklisches Handeln und setzt somit ganz kurzfristige und nicht zielführende Impulse für die Planung des Managements einer baV.“ Und weiter: „mark-to-market geht auch an der Kapitalanlagestrategie vorbei, weil viele Einrichtungen der baV langfristig angelegte Titel kaufen. In einem solchen buy-and-hold Portfolio könnte es uns egal sein, aber nicht wenn mark-to-market bewertet wird.”
Ein weiteres Problem sieht Nellshen darin, dass sich verschiedene regulatorische Anforderungen widersprüchliche Steuerungsimpulse geben könnten – etwa wenn Stress Testing eine langfristige Perspektive erfordert und Solvency II nicht.
Kritik übte Nellshen auch an den Berechnungskriterien für den Risikopolster und damit die Eigenmittelquote unter Solvency II, die nicht ohne weiteres auf Pensionsfonds übertragbar seien. „Es ist fraglich, inwieweit ein Transfer von Pensionsvermögen auf einen unabhängigen Dritten im Markt real ist. Dieses Szenario hat nichts mit der Lebenswirklichkeit zu tun, weil im Fall der Insolvenz nicht irgendein anonymer Dritter die Verpflichtungen übernimmt, sondern sie werden wieder in der Bilanz des Arbeitgebers aufgefangen.
Nach seinen Berechnungen würde eine defensiv investierende baV-Einrichtung (11% Aktien, 80% Anleihen, der Rest in Immobilien und Alternativen), die unter IAS19 eine 100%ige Finanzierung aufweist, plötzlich eine 30% Unterdeckung aufweisen, wenn Solvency II in seiner derzeitigen Form angewandt würde.
„Das ist ein signifikanter Anstieg an Eigenmittelbedarf – und ein solcher Anstieg könnte der baV in Deutschland schaden,“ so Nellshen. Er befürchtet, dass erhöhte Eigenmittel zu schlechteren Ratings für Firmen führen könnten und dass Arbeitgeber sich in der Folge von Pensionskassen und ähnlichen Durchführungswegen abwenden könnten und zurück zu Direktzusagen und oder CTAs gehen könnten. Nellshen könnte sich auch vorstellen, dass sich unter solchen Bedingungen der Trend zu Pensionszusagen mit niedrigeren Garantien beschleunigen könnten. „Das alles wäre sozialpolitisch kontraproduktiv.
Clemens Frey, von KPMG, fügte hinzu, dass baV-Einrichtungen im Unterschied zu Versicherungen praktisch kein Antiselektionsrisiko aufweisen, da oft eine Pflichtmitgliedschaft für Arbeitnehmer bei der Pensionskasse ihres Arbeitgebers besteht.
Zu Beginn des Monats hat die EU eine Konsultation über Solvency II und seine Anwendung auf Einrichtungen der baV gestartet.
In der Zwischenzeit hat der Ecofin-Ausschuss des Europäischen Rates einem Kompromissvorschlag der französischen Ratspräsidentschaft für die Solvency II-Richtlinie für Versicherer nicht zugestimmt. Am 2. Dezember soll erneut über den Vorschlag diskutiert werden.