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„Bei der Bankenregulierung besteht die große Gefahr, dass wir über das Ziel hinausschießen“

Derzeit klagen viele Banken über eine zunehmende Überregulierung und stoßen dabei auf taube Ohren bei Politikern und Aufsichtsbehörden. Dennoch sind die langfristigen Folgen einer Überregulierung erheblich und die Risiken gerade für institutionelle Investoren enorm. Markus Hill* sprach für IPE Institutional Investment mit dem Portfoliomanager Stefan Tilch (Deutsche Oppenheim Family Office AG) über die Herausforderungen, die sich gerade für institutionelle Investoren aus der Überregulierung des Bankensektors ergeben.

Dr. Stefan Tilch

Hill: Die Banken können weder in der Öffentlichkeit noch bei Politikern und Regulatoren auf Verständnis hoffen, wenn sie sich über eine immer mehr ausufernde Überregulierung beklagen. Ist es nicht notwendig, eine Wiederholung der Finanzkrise von 2008 zu verhindern und die Banken stärker in die Pflicht zu nehmen?
Tilch: Dieses Anliegen ist durchaus legitim, denn niemand will eine Wiederholung der damaligen Ereignisse. Natürlich ist es gut und richtig, dass die Banken langfristig ihr Eigenkapital stärken und gerade riskante Aktiva mit dem notwendigen Eigenkapitalpuffer unterlegen müssen. Aber es besteht die große Gefahr, dass wir über das Ziel hinausschießen. Kurt Tucholsky sagte einmal: „Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint.“ So erscheint es mir auch in Sachen Regulierung zu gehen. Irgendwann wird der Punkt erreicht, wo der volkswirtschaftliche Schaden der Bankenregulierung den Nutzen überwiegt.

Hill: Woran machen Sie das fest?
Tilch: Volkswirtschaftlich gesehen haben Banken in vielen Peripherieländern keinen Anreiz, Kredite an kleine und mittlere Unternehmen herauszulegen. Stattdessen kaufen die Banken lieber Staatsanleihen, die sie in der Regel nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen. Die EZB hat in einer aktuellen Studie festgestellt, dass die Kreditvergabestandards in der Eurozone nach wie vor strenger werden. Dabei schaffen gerade kleine und mittlere Unternehmen rund 70% der Arbeitsplätze in diesen Volkswirtschaften. Bekommen sie keine Kredite zu vertretbaren Konditionen, wird der Wirtschaftsaufschwung in der Eurozone weiter schwach bleiben.

Hill: Darauf könnten sich die Anleger einstellen. Wo liegt denn das Problem für die Investoren?
Tilch: Wir beobachten bereits seit mehreren Jahren, dass die Liquidität etwa bei Unternehmensanleihen oder bei Schwellenländeranleihen zurückgeht. Das liegt daran, dass immer weniger Banken und Broker bereit oder in der Lage sind, Anleihen auf die eigenen Bücher zu nehmen und so dem Markt Liquidität zur Verfügung zu stellen.

Hill: Worin liegen die wichtigsten Ursachen für diesen Trend?
Tilch: Neben den bereits genannten höheren regulatorischen Auflagen haben wir im deutschen Bankenmarkt eine deutliche Bereinigung gesehen. Sowohl deutsche Landesbanken als auch einige internationalen Investmentbanken haben ihre geschäftlichen Aktivitäten in Deutschland zurückgefahren oder ganz eigestellt. Aber auch bei den Brokern haben wir in den vergangenen Jahren ein regelrechtes Sterben gesehen. Viele kleinere und mittlere Akteure sind vom Markt verschwunden. Dies trägt dazu bei, dass auf der Anleiheseite weniger Kontrahenten vorhanden sind als noch vor fünf oder zehn Jahren.

Hill: Wie sind die Folgen für Investoren?
Tilch: Die Folgen sind vielfältig. Zunächst muss der Investor noch mehr als früher beim Kauf einer Anleihe beachten, wie liquide das Instrument ist. Daher ist etwa die Zeichnung größerer Volumina bei Neuemissionen mit höheren Liquiditätsrisiken behaftet, da man im Verkaufsfall davon ausgehen muss, dass man die Papiere nur mit einem Abschlag abstoßen kann. Noch wichtiger ist die Ausweitung der Geld-Brief-Spanne, die wir bei vielen Anleihen beobachten. Kunden und Mandanten achten häufig nur auf die direkten Transaktions- und Verwaltungskosten. Dabei werden die indirekten Transaktionskosten durch eine hohe Geld-Brief-Spanne oft vernachlässigt, obwohl sie bei Anleihen im Vergleich zu den direkten Transaktionskosten viel stärker ins Gewicht fallen können. Bei vielen Unternehmensanleihen haben sich die sogenannten Spreads im Laufe der letzten Jahre von wenigen Basispunkten auf bis zu 0,5% ausgeweitet. Dies ist ein erheblicher Kostenfaktor, der aber ex-ante nur schwer zu quantifizieren ist. Darum wird er gerne vernachlässigt.

Hill: Was kann denn Ihrer Meinung nach im schlimmsten Fall passieren?
Tilch: Ich möchte beileibe kein extremes Szenario an die Wand malen, zumal die Finanzmärkte sich derzeit sehr stabil zeigen. Dennoch wird es wahrscheinlich in einigen Jahren wieder zu einer Rezession kommen. Erfahrungsgemäß wollen dann viele Investoren bestimmte Anlageklassen wie etwa Schwellenländerbonds auf einmal verkaufen. Ich kann mir gut vorstellen, dass in einem solchen Szenario die Liquidität für diese Anlageklassen schlichtweg austrocknet. Die Investoren könnten also gezwungen sein, die Anleihen bis zur Fälligkeit zu halten. Auch müssen sie bereit sein, eventuell mit signifikanten Mark-to-Market-Verlusten auf solche Investments zu leben.

Hill: Wie kann sich ein institutioneller Investor gegen solche Extremszenarien schützen?
Tilch: Hierbei ist sicher entscheidend, wie risikoavers der jeweilige Investor ist und welchen Anlagerestriktionen er unterliegt. Es erscheint aber grundsätzlich sinnvoll, gerade beim Anleihemanagement eine langfristige Perspektive zu verfolgen. Man sollte bereits beim Kauf der Anleihe auch ein Worst-Case-Szenario berücksichtigen. Beispielsweise mögen griechische Staatsanleihen derzeit kurzfristig lukrativ erscheinen. Man muss sich jedoch fragen, ob man auch auf Sicht von 1-3 Jahren vom Emittenten überzeugt und im Notfall bereit ist, die jeweilige Anleihe bis zur Fälligkeit zu halten. Weiterhin ist es vor allem bei Unternehmensanleihen wichtig, sich nicht nur auf das externe Rating zu verlassen, sondern durch eine eigenständige Fundamentalanalyse die langfristige Fähigkeit des jeweiligen Unternehmens zur Generierung eines freien Cash-flows zu bewerten. Weiterhin sollte man vom jeweiligen Unternehmen langfristig überzeugt sein.

Hill: Welche Optionen empfehlen Sie zur Selektion von Unternehmensanleihen?
Tilch: Bei der Selektion von Unternehmensanleihen gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Banken stützen sich häufig auf eine Einzeltitelselektion anhand eines internen quantitativen Bonitätsratings. Dies wird durch in der Regel durch qualitative Kriterien wie etwa die Qualität des Managements ergänzt. Die meisten Vermögensverwalter verwenden eher einen klassischen Top-Down-Ansatz. Über die volkswirtschaftliche Analyse werden attraktiven Länder und Sektoren identifiziert. In einem zweiten Schritt dient die Branchenselektion der Identifizierung von Unternehmen, die im jeweiligen Segment einen Wettbewerbsvorteil haben und über entsprechendes Wachstumspotenzial verfügen. Der dritte Schritt besteht darin, die Anleihen unterschiedlicher Unternehmen aus derselben Branche anhand eines Relative-Value-Ansatzes zu vergleichen. Auf Basis dieser Auswahlwird eine sogenannte Shortlist von attraktiven Unternehmen erstellt. Abschließend werden diese vorselektierten Unternehmen anhand verschiedener Kennzahlen miteinander verglichen. Im Fokus des Anleiheinvestors stehen vor allem die Profitabilität, die mittelfristige Schuldentragfähigkeit und die dauerhafte Generierung von stabilen Cash Flows zur Bedienung der Verbindlichkeiten. Im Ergebnis werden diejenigen Unternehmensanleihen identifiziert, die relativ zur Vergleichsgruppe das attraktivste Chance-Risiko-Profil aufweisen.

Hill: Vielen Dank für das Gespräch.

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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info(at)markus-hill.com bzw. <link http: www.markus-hill.com>www.markus-hill.com.

Link: Mehr zur Deutsche Oppenheim Family Office AG finden Sie im Web unter <link http: www.deutsche-oppenheim.de>www.deutsche-oppenheim.de.