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Das Investor Office - Full-Service für die Institutionelle Kapitalanlage?

Im vorherigen Artikel „Wege aus der Krise: das institutionelle Depotbankgeschäft als Opportunity für Geschäftsbanken“ wurde die These vertreten, dass sich Geschäftsbanken gegenüber der Dominanz von Master-KAGen (bzw. Service-KAGen) und Global Custodians erfolgreich als Full-Service Anbieter für die institutionelle Kapitalanlage positionieren könnten, wenn sie als Alternative die Funktion eines „Investor Office“ anbieten.

Ernesto Burzic

Dies beruhte auf den Ergebnissen von Studien, bei denen die befragten institutionellen Anleger verschiedene Faktoren werten konnten, die ihnen bei der Entscheidung für einen Anbieter wichtig waren. Eine Studie kam beispielsweise zu dem Ergebnis, dass zwischenmenschliche Faktoren für die Mandatierung einer Depotbank teilweise wichtiger waren als etwaige Reportings oder Zusatzservices.

Die emotionale Bindung zum Kunden ist ein Bereich, der von vielen Anbietern bisher eher vernachlässigt oder oberflächlich behandelt wurde. Sie stellt eine echte Opportunität für Geschäftsbanken dar, wenn sie verstehen warum sie stärker auf die Bedürfnisse der institutionellen Anleger eingehen müssen und wie sie dies tun können. Im folgenden Beitrag soll aufgezeigt werden, dass ein Full-Service Angebot in Form des „Investor Office“ eine wichtige Rolle in der Kundenbeziehung einnehmen kann; dabei werden auch die Funktionen und Ausgestaltung des Dienstleistungskonzepts näher beschrieben.

Für Geschäftsbanken kann die Etablierung eines Investor Offices ein Weg zum Full-Service Provider für die institutionelle Kapitalanlage sein, bei denen alle relevanten Dienstleistungen aus einer Hand angeboten und fehlende Komponenten von anderen Anbietern bezogen werden. Bedingung für den Erfolg als Full-Service Provider ist, dass die Geschäftsbank die Preisgestaltung der jeweiligen Dienstleistungen transparent ausweist und bereit ist ihre Plattform für die Anbindung externer Zulieferer zu öffnen. Das Investor Office übernimmt die Funktion einer zentralen Schnittstelle zwischen dem institutionellen Anleger sowie den Service-Providern wie Master-KAGen, Custodians und Asset Manager.


Family Office vs. Investor Office
Die Funktion ist im Grunde vergleichbar mit einem Family- oder Stiftungsoffice, welches von namhaften Banken schon seit langer Zeit angeboten werden. Consilisto, ein Dienstleister der Berenberg Bank, definiert ein Family Office als „... die organisatorische Einheit, die die Gesamtheit aller Aktivitäten des Planens, Realisierens und Kontrollierens eines umfassenden (…) Vermögens mit dem Ziel übernimmt, das Vermögen für die Zukunft real, d.h. nach Steuern, Kosten und Inflation, zu erhalten und eine nachhaltige Realisierung der Anforderungen einer Familie an ihr gemeinsames Vermögen zu gewährleisten...“

Die Lampe Vermögenstreuhand GmbH, eine Tochter des Bankhaus Lampe, bietet im Rahmen seines Family Offices ein modulares Leistungsangebot an, bei dem die einzelnen Dienstleistungen ein umfassendes Betreuungskonzept ergeben. Hierzu zählen nach eigenen Angaben u.a. die unabhängige Beratung bei der Auswahl von Vermögensverwaltern und sonstigen Dienstleistern, eine transparente Berichterstattung sowie die Koordination zwischen Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und allen Finanzpartnern.

Übertragen auf die Kapitalanlage institutioneller Anleger ist das Investor Office das fehlende Bindeglied, welche die bestehende Infrastruktur mit Master-KAGen, Custodians sowie Asset Managern umklammert und zusammenführt. Das Investor Office übernimmt die Rolle des Primärkontaktes für die Anleger und unterstützt sie bei der Entscheidungsfindung. Dabei übernimmt es einen Teil der Verantwortung für die Vermögensverwaltung, indem es gleichzeitig eine beratende als auch eine umsetzende Instanz ist.

Kritiker werden den Mehrwert hinterfragen, insbesondere auch die entstehenden Kosten für eine weitere Kommunikationsebene. In der Regel fungieren doch bereits die Kundenabteilungen der Master-KAGen, Custodians oder Asset Manager als zentrale Ansprechpartner für diverse Projekte und stehen den Anlegern als Sparring Partner für diverse Ideen zur Verfügung. Warum sollte es eine weitere Schnittstelle geben?


Blick in die Vergangenheit
Mit Aufkommen von Master-KAGen und Global Custodians wurden die verkrusteten Strukturen im deutschen institutionellen Markt und insbesondere die Wertschöpfungs- kette im Asset Management aufgebrochen. Damit sollten die Prozesse im Asset Management transparenter gemacht und mit der einhergehenden Aufgabenteilung fokussiertere Dienstleistungen erbracht werden. Zudem sollte der Zugang zum deutschen institutionellen Markt für ausländische Asset Manager mit einer „Rent-a-KAG“ vereinfacht werden.

Die neue KAG Landschaft hat jedoch einen unbeabsichtigten Nebeneffekt hervorgebracht. Mit dem Aufbrechen der Wertschöpfungskette wurde die Frage, wer nun das alleinige „Face to the Customer“ ist, nie endgültig geklärt. Fungierten in der Vergangenheit die jeweiligen Hausbanken gegenüber den Anlegern als zentrale Ansprechpartner für alle Belange in der Kapitalanlage, gibt es heute oftmals keine absolute, allumfassende und neutrale Kundenbetreuung für institutionelle Anleger, weder von den Master-KAGen, Custodians, Asset Managern als auch von den verbliebenen Full-Service Dienstleistern.


Es kommt drauf an…
Je nach Präferenz der Anleger ist es mal die Master-KAG oder der Custodian welche über Veränderungen im Mandat informiert wird. Manchmal erfahren Master-KAG und Custodian über eine Fondsauflage, wenn sich der Asset Manager nach dem Stand des Vertragswerkes erkundigt. Die Anleger sitzen sprichwörtlich zwischen mehreren Stühlen.

Ein weiterer Schwachpunkt liegt im System selbst begründet. Der Fokus von Master-KAGen und Custodians liegt hauptsächlich auf der effizienten Verwaltung von Kapitalanlagen. In der Vergangenheit wurde daher die betriebliche Effizienz weitgehend zur Unternehmensstrategie erhoben. Dies hat ungewollt einen teilweise ruinösen Preis- bzw. Kostenwettbewerb der Master-KAGen und Custodians untereinander ausgelöst, welcher in diversen Spezialfondsstudien zum deutschen institutionellen Markt regelmäßig festgestellt wird.


Porter
Einer der führenden Managementtheoretiker und Harvard Professor Michael E. Porter hat eine solche Wettbewerbssituation bereits in einem Artikel aus dem Jahr 1996 wie folgt beschrieben: „ ... (das Problem) besteht in der Angleichung des Wettbewerbs- verhaltens ... das wechselseitige Nachahmen von Verbesserungen bei der Qualität, den wiederkehrenden Abläufen oder den Partnerschaften mit Lieferanten endet in einer Angleichung der Geschäftsstrategien. Der Wettbewerb gerät zu Serien von Wettläufen auf identischen Pfaden, die keiner gewinnen kann... die damit erreichten großen Produktivitätszuwächse schlagen sich nicht etwa in überdurchschnittlichen Erträgen nieder, sondern kommen den Kunden (…) zugute...“.

Nach Ansicht von Porter streben Unternehmen als Resultat dieser Entwicklung nach mehr Umsatz und gelangen dadurch in die „Wachstumsfalle“: ... unter allen negativen Einflüssen wirkt sich der Drang nach Wachstum vielleicht am übelsten auf die Strategie aus (...) auf ein breites Kundenspektrum zielende Strategien, die auf niedrige Preise abstellen, führen zu Umsatzeinbußen bei Kunden, die Wert auf bestimmte Produktmerkmale und Service legen. Und bei allzu viel Preisdifferenzierung gehen wiederum Erlöse bei preisbewussten Käufern verloren.“

Geschäftsbanken, die sich als Full-Service Provider positionieren wollen, können sich diese Erkenntnisse zu Nutzen machen. Zunächst sollte das am Markt vorhandene Betreuungsvakuum gefüllt werden. Im Rahmen des Investor Office können Geschäftsbanken pro-aktiv die Führung übernehmen und die Anleger in der Kommunikation mit diversen Anbietern und bei der Entscheidungsfindung in der Kapitalanlage entlasten.


Zentraler Ansprechpartner
Die Funktion des einzigen Ansprechpartners gegenüber den Anlegern, sowie die Möglichkeit einen Anbieter wieder austauschen zu können, sind das wesentliche Unterscheidungskriterium gegenüber der in den Augen von Anlegern fragmentierten Kundenbetreuung, Relationship Management oder Client Service der jeweiligen Dienstleister. Zu beachten ist auch, dass sich Master-KAG, Custodians oder Asset Manager nie selbst in Frage stellen können oder sich selbst austauschen würden, selbst wenn die Dienstleistungen evtl. ein komplettes Desaster wären.

Da sich die Anbieter aufgrund des Wettbewerbs in der Wahrnehmung ihrer Dienstleistungen kaum noch unterscheiden, fungieren sie in der Konstellation mit einem Investor Office lediglich als austauschbare Zulieferer analog der Automobilindustrie. Eine umfassende Betreuung des Anlegers findet nur noch durch das Investor Office statt. Dies hat den Vorteil, dass der Investor nicht an die Anbieter gebunden ist und daher auch keine Rücksicht auf etwaige Befindlichkeiten, Beziehungen, etc. nehmen muss, wenn entschieden wird einen Anbieter auszutauschen.

In der Vergangenheit wurde von den Anbietern stets die Meinung vertreten, dass Master-KAGen oder Custodians langfristig mandatiert werden und ein rascher Wechsel eher unüblich ist. Als Gründe wurden Implementierungsrisiken genannt, die beim Wechsel zu einem anderen Anbieter entstehen könnten. Insbesondere bei großen und komplexen Masterfonds schien der Aufwand beim Aufsetzen der vertraglichen Strukturen, der Reporting-Schnittstellen sowie der operativen Abläufe und ein etwaiger Handelsstopp einen regelmäßigen Austausch nicht zu rechtfertigen.

Wie man seit längerer Zeit beobachten kann, sind aber größere Qualitätsunterschiede zwischen den Anbietern kaum mehr auszumachen. Eine Annäherung in den Dienstleistungen bspw. erfolgte bereits durch den Einsatz von Branchenstandards im Vertragswesen wie auch im Reporting. Eine Entscheidung für oder wider einen Anbieter wird daher zunehmend zu einer Geschmackssache.

Das Investor Office der Geschäftsbank bietet institutionellen Anleger den Mehrwert, dass sie erwägen können außerhalb ihrer bestehenden Master-KAG oder Custodian Struktur zu agieren. Mit dem Investor Office können sie zunächst unverbindlich verschiedene Szenarien und Anlagemöglichkeiten „brainstormen“. Haben sich Anleger und das Investor Office auf die Konzeption einer Anlagestrategie geeinigt, übernimmt von da an das Investor Office alle notwendigen Schritte und führt im Auftrag der Anleger alle Gespräche und gegebenenfalls die ersten Vertragsverhandlungen durch.


How to do it
In der Konzeptionsphase prüft das Investor Office zunächst mit verschiedenen Service Providern inwieweit sich eine Investmentidee umsetzen lässt. Da es sich manchmal um komplexe Konstruktionen handeln kann, läuft die gesamte Kommunikation zunächst nur über das Investor Office. Dabei wird der Anleger bewusst von den Anbietern abgeschirmt. Es werden Argumente für und wider das Projekt zusammengetragen und erste indikative Angebote eingeholt. Nach Aufarbeitung der Information formuliert das Investor Office eine Entscheidungsvorlage, mit der sich der Anleger ein Bild über die mögliche Struktur verschaffen kann und welche Anbieter hierfür in Frage kommen.

Wird das Projekt verworfen, bleiben die Anleger zunächst anonym und treten nicht mehr in Erscheinung. Falls sie sich für das Projekt entscheiden sollten, wird das Investor Office beauftragt die Projektphase einzuläuten, die Mission zu definieren und das Team aus Zulieferern zusammenzustellen. Das Investor Office klärt mit ihnen die notwendigen Schritte ab und erstellt einen Gesamtprojektplan. Den Gesamtprojektplan kennen nur die Anleger und das Investor Office, die Zulieferer sehen nur den Ausschnitt aus dem Projekt der sie betrifft und haben dann keine weitere Kenntnis über Themen in denen sie nicht involviert sind.

Dieser Projektplan ist keineswegs statisch, sondern unterliegt einer ständigen Überarbeitung. Unter Umständen stellt sich beispielsweise in der Projektphase heraus, dass ein Zulieferer doch nicht für die Umsetzung eines Projektes geeignet ist. Hierzu muss das Investor Office in der Lage sein auch während der Umsetzung eines Fondsprojekts zu intervenieren und einen Austausch des betreffenden Dienstleisters vorzunehmen, wenn die Dinge nicht so klappen sollten, wie man es sich anfangs vorgestellt hatte.

Die Anleger können sich so voll und ganz der Umsetzung ihrer Projekte widmen. Sie werden periodisch über den Fortschritt des Projekts informiert, überlassen aber weitgehend dem Investor Office durch entsprechende vertragliche Regelungen die notwendigen Entscheidungen, insbesondere die unangenehmen.

Für Geschäftsbanken die bereits Family oder Stiftungsoffice Dienstleistungen anbieten, sollte es ein Leichtes sein, ihre Dienstleistungen zu erweitern und institutionelle Anleger anzusprechen. Aber auch für Geschäftsbanken die bisher noch nicht in dieser Richtung tätig waren, eröffnet das Investor Office neue Chancen in der Geschäfts- politik. Wie bereits erwähnt, muss das bankeigene Investor Office unabhängig und frei von Konzerninteressen agieren können. Cross-Selling mit weiteren Bankprodukten ist durchaus möglich und auch erwünscht, aber das Investor Office muss immer seine Neutralität wahren können.

Das volle Potenzial eines Investor Office kommt dann zur Geltung, wenn institutionelle Anleger auch operativ entlastet werden. Hier sollten Geschäftsbanken zumindest perspektivisch eine zentrale Reporting Plattform anbieten können, auf der das Reporting aller Master-KAGen und Custodians konsolidiert wird. Hierbei entstehen Mehrwerte, wenn beispielsweise das Reporting einer deutschen Master-KAG mit dem Reporting einer Luxemburger KAG konsolidiert wird. Somit können Anleger gezielt die Expertise von ausländischen Anbietern vor Ort einkaufen und von deren innovativen Lösungen profitieren.

Durch das Investor Office welches ein globales Reporting bietet, werden Anleger zunehmend standortunabhängig und können durch die Flexibilität anderer Jurisdiktionen innovative Strukturen etablieren, die gegebenenfalls im Heimatmarkt nicht ohne weiteres möglich sind. Mit einem zentralen länderübergreifenden Reporting können bspw. auch Alternative Investments stärker in die Entscheidungsfindung bei institutionellen Anlegern einbezogen werden. Luxemburger und Deutsche Sondervermögen können so effizient erfasst werden und ermöglichen mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Kapitalanlage. Zwar bieten einige deutsche KAGen auch die Dienstleistungen ihrer Luxemburger Tochtergesellschaften an, ein neutrales Investor Office wird den Anlegern darüber hinaus weitere Anbieter vorschlagen, die andere Gestaltungsmöglichkeiten anbieten können.


Fazit
Für Geschäftsbanken ist es daher wichtig zu erkennen, dass der Trend hin zu Master-KAG und Global Custodian durchaus verlangsamt oder gestoppt werden kann, wenn sie ihrerseits den institutionellen Anlegern eine echte Alternative im Full-Service Bereich anbieten können. Die enormen Mittelzuflüsse in Master-KAG Strukturen der vergangenen Jahre sind das Resultat eines fehlenden Gegengewichts, einer Alternative im Full-Service Bereich. Trotz aller Kritik muss Full-Service aus einer Hand per se nicht schlecht sein und kann auch institutionellen Anlegern neue Möglichkeiten in der Kapitalanlage eröffnen.

Das bedeutet aber auch, dass die langersehnte Bereinigung des Marktes trotz des Margendrucks bei den Verwaltungsgebühren nicht zwangsläufig eintreten muss, sondern dass es durchaus noch genug Spielraum gibt, um mit intelligenten Dienstleistungen zu punkten. Die aktive Vermarktung der Depotbankfunktion sowie ein Full-Service in Form eines Investor Office sind einige der Möglichkeiten, sich der Konsolidierung in der KAG Landschaft entgegen zu stellen.

Die Frage ob und wann eine Bereinigung der deutschen KAG Landschaft eintreten wird, beschäftigt die Gemüter der Marktteilnehmer schon seit vielen Jahren. Im nächsten Folgeartikel erfolgt daher eine kritische Analyse des Marktes und eine Erörterung, warum die „Schnäppchenjagd“ der deutschen Anleger bei der Auswahl von Anbietern so beliebt ist, warum sich die Anbieter hier selber im Wege stehen und ob Gebühren zwangsläufig nach unten gehen müssen.

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Literaturhinweis:
Michael E. Porter, „What is Strategy?“, Harvard Busines Review, Ausgabe 11/12 1996; auf Deutsch in „Nur Strategie sichert auf Dauer hohe Erträge“, Harvard Business Manager, Ausgabe 3/1997
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*) Ernesto Burzić, Aotea Strategy Consulting.
Der Autor war viele Jahre im institutionellen Vertrieb von KAG Dienstleistungen für Fondsgesellschaften in Deutschland und Luxemburg tätig. Davor verbrachte er einige Zeit in den USA. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Ausarbeitung von Vertriebsstrategien für Anbieter als auch in der Betreuung von institutionellen Anlegern bei der Implementierung von Fondsstrukturen. Sein fachliches Interesse gilt der praktischen Anwendung aktueller Forschungsergebnisse aus den Bereichen Behavioral Finance sowie Neuroökonomie. Er ist unter info(at)aotea-strategy.com erreichbar.