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„Die Investoren haben längst die Macht über das Pricing am Bond-Markt übernommen“

Zwar legt sich etwas der Staub der Marktverwerfungen vom September und Oktober, doch noch immer ist an den Märkten keine Ruhe eingekehrt. Auch am Bondmarkt sind noch immer Themen wie Illiquidität und fehlendes Vertrauen an der Tagesordnung. IPE Institutional Investment-Chefredakteur machte mit Juan Esteban Valencia, Credit Strategy, Société Générale, eine Bestandsaufnahme der Situation.

IPE Institutional Investment: Herr Valencia, wie schätzen Sie die aktuelle Verfassung der Bond-Märkte ein?
Valencia: Die Märkte sind zweifelsfrei noch immer in einer schlechten Verfassung, die Risikoaversion ist noch immer sehr ausgeprägt. Schauen Sie sich beispielsweise die Spreadausweitung im iBoxx Corporates an, der von rund 60bps auf über 460 bps gelaufen ist. Es gibt im Markt aber auch einige positive Nachrichten, so zum Beispiel das gestiegene Interesse an Senior Papers. Grundsätzlich anders sieht der Markt bei synthetischen CDS aus, wo deutlich mehr Liquidität aber auch mehr Volatilität herrscht. Hier hat es über die letzten Monate natürlich auch eine massive Ausweitung der Spreads gegeben, aber es besteht Hoffnung, dass die Decke erreicht wurde. Allerdings gibt es noch einige offene Punkte, die für eine weitere Ausweitung der Spreads sorgen könnten, beispielsweise eine längere oder tiefere Wirtschaftskrise als erwartet oder der Bankrott eines oder mehrerer US-Autohersteller. Aber es ist auch richtig, dass es hier extrem teuer geworden ist short zu gehen, was das Interesse hierfür oftmals im Keim erstickt.

IPE Institutional Investment: Wie sehen Sie die Märkte in den kommenden Monaten?
Valencia: In erster Linie ist es eine Frage des Vertrauens, das wieder hergestellt werden muss. Viele Maßnahmen wurden bereits getroffen, wie Zinssenkungen, Zuführung von Liquidität und auch Verstaatlichungen. Dennoch sehe ich hier noch einen weiten Weg. Entsprechend volatil werden sich die Märkte meines Erachtens weiterhin verhalten – ein Einengung erwarte ich daher erst in Richtung Jahresende 2009. Beim iBoxx Corporates kann ich mir auf Jahressicht rund 100 bps weniger im Spread vorstellen.

IPE Institutional Investment: Das heißt auf der anderen Seite, Investoren bleibt durchaus noch Zeit sich zu positionieren...
Valencia: Richtig, das entscheidende Kriterium wird die Kreditselektion, aber dafür wird in den nächsten Monaten noch Zeit sein. Man muss nicht überstürzt handeln. Wichtig ist vielmehr, die Zeitbomben am Markt zu identifizieren und zu meiden.

IPE Institutional Investment: Wie sehen Sie die Nachfrageseite?
Valencia: Nun, es gibt zweifelsfrei einen Paradigmenwechsel am Bondmarkt. Die Investoren haben Geld, und Sie haben damit die Macht über das Pricing übernommen. Mit dem richtigen Pricing auf der Emittentenseite gibt es damit im positiven Sinne auch genügend Nachfrage – wie die jüngsten Volumina zeigen (23 Mrd. Euro im November, 7,8 Mrd. Euro im Dezember). Man sieht natürlich, dass es weniger konjunktursensitive Titel wie Versorger leichter haben an Geld zu kommen.

IPE Institutional Investment: Letztlich zeigt der Bondmarkt aber dennoch auf die große Depression der 30er Jahre, wenn die Spreads recht bekommen...
Valencia: Grundsätzlich ja, aber ich bin der festen Überzeugung, dass die Szenarien zwischen damals und heute kaum verglichen werden können. Zudem sind auf Unternehmensseite – um bei Corporates zu bleiben – die Debt/Equity-Ratios besser als bei der letzten Krise 2002. Gerade auch die europäischen Markte sind zudem weniger tangiert als die US-amerikanischen. Wir sehen deshalb gerade auf dem Kontinent deutlich Potenzial. Allerdings unter der Prämisse eines guten Stock Pickings und mit der zeitlichen Perspektive auf das zweite Halbjahr.

IPE Institutional Investment: Besten Dank für diese Einschätzungen.