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Gastbeitrag: Anleihen endlich wie Aktien handeln

Es ist paradox. Anleihen gehören zu den ältesten und wichtigsten Anlageklassen der Welt. Derzeit sind allein Staatsanleihen aus der Eurozone im Volumen von knapp 7.000 Mrd. Euro im Umlauf (Quelle: EZB, Monthly Bulletin Oktober, Stand Juli 2012). Auch wächst das ausstehende Volumen der Schuldverschrei- bungen von Unternehmen und Staaten beständig. Aber der Anleihehandel über die Börse ist bislang kaum entwickelt. Anders als bei Aktien dominiert der außerbörsliche Direkthandel. Dies geht zulasten der Transparenz. Die Marktregulierer haben hier reagiert: So schreibt die Neuauflage der europäischen Richtlinie, Markets in Financial Instruments Directive (MiFID), unter anderem vor, die Transparenz im Handel mit Anleihen zu erhöhen. Die Deutsche Börse hat nun mit Xetra Bonds ein neues Handelsseg- ment geschaffen. Es bietet Investoren ähnliche Standards im Anleihehandel, wie sie diese aus dem Aktienbereich gewohnt sind. Gleichzeitig haben der Entry und Prime Standard für Anleihen die notwendige Transparenz geschaffen, die Emittenten und Investoren die Nutzung von Unternehmensanleihen erleichtert.

Rainer Riess

Anleihen gehören seit jeher zu den wichtigsten Anlageinstrumenten. Investoren schätzen die regelmäßigen Ausschüttungen und nutzen sie für ihr Portfoliomanagement. Gleichzeitig haben Unterneh- men insbesondere im vergangenen Jahrzehnt die Schuldverschreibungen als Instrument entdeckt, um ihre Finanzierung breiter aufzustellen. Denn die Bilanzverknappung der Banken und die zunehmende Regulierung erschweren die Kreditfinanzierung. Zuletzt ist das Volumen der Unternehmensanleihen in der Eurozone so mit einer jährlichen Wachstumsrate von rund 10% gestiegen. Das wachsende Anleihevolumen trifft dabei auf eine hohe Nachfrage. Investoren schätzen das attraktive Risiko-Rendite-Profil, das viele Unternehmensanleihen auch im derzeitigen Niedrigzinsumfeld bieten.

Der Handel mit Anleihen hat mit dieser rasanten Entwicklung bislang nicht Schritt gehalten. Denn die Rentenpapiere werden fast ausschließlich außerbörslich, auf meist intransparenten Märkten direkt zwischen Investor und Bank oder zwischen den Banken gehandelt. Investoren erhalten so keine fortlaufenden Preise, sondern müssen die Handelsdaten gezielt anfordern. Teilweise läuft der Handel auch noch telefonisch. Ein Vergleich der einzelnen Quotes fällt so selbst institutionellen Investoren schwer. Hinzu kommt: Privatanleger haben vielfach keinen Zugang zu diesen Märkten. In der Regel gelten somit Mindestgrößen für einzelne Orders. Die Marktregulierer haben hier den Finger in die Wunde gelegt. So schreibt die Neuauflage der europäischen Richtlinie, Markets in Financial Instruments Directive (MiFID), unter anderem vor, die Transparenz im Handel mit Anleihen zu erhöhen. Die Richtlinie wird voraussichtlich bereits in den nächsten drei Jahren umgesetzt werden.

Transparenz und höhere Sicherheit: Xetra Bonds bietet viele Vorteile

Der am 1. Oktober 2012 gestartete Anleihehandel über Xetra Bonds erfüllt die hohen Anforderungen seitens der Regulatoren dagegen schon heute. Die Handelsinforma- tionen sind öffentlich. Alle Investoren können auf sie zugreifen und haben einen identischen Marktzugang. Denn im elektronischen Handel werden fortlaufend Preise gestellt. Das heißt: Investoren erhalten so jederzeit real-time Kursinformationen. Das Orderbuch ist dabei offen. Jeweils die besten fünf Kauf- und Verkaufskurse werden ausgewiesen. Investoren sehen so eine Indikation dafür, wie sich die Kurse unmittelbar entwickeln werden und welche Ordergrößen sich problemlos im Markt platzieren lassen. Sie können damit erheblich leichter und effektiver als bisher eine bestmögliche Ausführung, die so genannte Best Execution, ihrer Orders sicherstellen. Beispielsweise können sie das Transaktionsvolumen entsprechend der jeweiligen Marktsituation geschickt splitten, um günstigere Kurse zu erhalten und die Handelskosten insgesamt zu senken. Zudem können sie transparent nach Ausführung prüfen, ob ihre Order zum bestmöglichen Preis ausgeführt wurde.

Neben der hohen Transparenz punktet der Anleihehandel über Xetra Bonds zudem mit geringeren Risiken. Denn als regulierter Markt unterliegt der Handel der Aufsicht der unabhängigen Handelsüberwachungsstelle. Klare Prozesse im Handel und der Abwicklung der Orders sowie eine systematische Reduzierung von Risiken zeichnen den regulierten Markt darüber hinaus aus. Beispielsweise sieht der Handel über Xetra Bonds einen zentralen Kontrahenten, Central Counterparty (CCP), vor. Eurex Clearing wickelt alle über Xetra Bonds gehandelten Bundesanleihen ab. Das Kontrahentenrisiko wird ausgeschlossen. Im herkömmlichen Anleihehandel geht der Investor dagegen ein Gegenparteirisiko mit der jeweiligen Bank ein. Dieses Handelsrisiko beeinträchtigt die Anlageziele von Anleiheinvestoren. So ist beispielsweise ein Investment in deutsche Staatsanleihen in der Regel auf ein möglichst geringes Anlagerisiko ausgerichtet, weshalb auch im Handel Risiken auszuschließen sind. Enge Geld-Brief-Kurse stellen sicher, dass die Vorteile des Handels über Xetra Bonds nicht durch hohe Handels- kosten aufgezehrt werden. Teilweise betragen die Handelsspannen bei Papieren der öffentlichen Hand so lediglich rund drei Basispunkte.

Ein Großteil des Anleihehandels läuft derzeit weiterhin über die Banken. Dies wird sich voraussichtlich nicht unmittelbar ändern. Vielmehr werden die Handelsvolumina schrittweise steigen, insbesondere wenn die neuen regulatorischen Anforderungen in Kraft treten. Dennoch ist schon heute eine hohe Liquidität auf Xetra Bonds sichergestellt. Denn für deutsche Staatsanleihen garantieren die Designated Sponsors einen liquiden Handel und stellen fortlaufend verbindliche Preise. Zudem sichert das Spezialistenmodell eine hohe Liquidität bei weiteren europäischen Unternehmens- und Staatsanleihen. Die Wertpapierhandelsbanken unterstützen den Handel in fortlaufender Auktion und stellen indikative Kurse. Investoren können die bereits rund 2.000 Anleihen bzw. die 60 deutschen Staatsanleihen so jederzeit liquide über Xetra Bonds handeln.

Neue Segmente für die Emission von Unternehmensanleihen
Nicht nur der Anleihehandel sondern auch die Emission neuer Wertpapiere lief bislang fast ausschließlich über die Banken. Privatanleger und kleinere institutionelle Investoren waren hiervon nahezu ausgeschlossen. So bestanden nicht zuletzt hohe Mindestordergrößen. Aber auch für kleinere mittelständische Unternehmen ist die Emission über Banken meistens wenig attraktiv. Die beiden neuen Marktsegmente für die Emission von Unternehmensanleihen, Entry und Prime Standard, richten sich daher bewusst auch an kleinere institutionelle Investoren und erfahrene Privatanleger. Sie können dort Unternehmensanleihen zu geringen Mindestanlagesummen zeichnen und jederzeit handeln. Gleichzeitig finden Unternehmen hier eine Alternative zur Anleiheemission über die Banken. Ähnlich wie im Aktienbereich unterscheiden sich die Anforderungen an die Offenlegungspflichten der Unternehmen.

Im Prime Standard gelten ähnlich wie im entsprechenden Segment für Aktien die höchsten Transparenzanforderungen. Hierzu gehören beispielsweise eine laufende und zeitnahe Finanzberichterstattung sowie jährlich eine Konferenz für Bond-Analysten. Investoren erhalten so stets aktuell die Informationen, die sie für eine Bewertung der Anleihen benötigen. Im Segment notieren Anleihen mit einem Emissionsvolumen von mindestens 100 Mio. Euro.

Der Entry Standard richtet sich dagegen an Anleihen mit einem erheblich geringeren Volumen und sieht keine Mindestgröße für die Emission vor. Die Berichts- und Folgepflichten sind hier so gestaltet, dass sich eine Emission auch für kleinere Volumen und bislang weniger kapitalmarktorientierte Unternehmen lohnt. Gleichzeitig wird jedoch eine Mindesttransparenz sichergestellt. Beispielsweise werden die wichtigsten Kennzahlen zur Bewertung der jeweiligen Anleihe veröffentlicht. Hierzu gehören etwa der Zinsdeckungsgrad, der Verschuldungsfaktor und der Grad der Gesamtverschuldung. Die Kreditrisiken, die mit einem Investment in Mittelstandsanleihen verbunden sind, lassen sich so besser bewerten. Aber wie bei allen Anlagen gilt: Investoren sollten die Risiken objektiv bewerten und auch Ausfälle tragen können. Seit Anfang 2011 haben bereits mehr als 20 Unternehmen im Entry Standard Anleihen platziert. Dabei ist das Verhältnis von institutionellen Investoren und Privatanlegern ausgewogen.

Bislang haben die Standards bei Emission und Handel mit der Bedeutung der Anleihen für Investoren und Emittenten nicht Schritt gehalten. Dies ändert sich nun. Mit dem Handel über Xetra Bonds und neuen Marktsegmenten entwickelt sich der Handel von Anleihen und die Positionierung von Unternehmen mit Anleihen weiter. Die zunehmende Regulierung wird diese Entwicklung noch beschleunigen. Für Investoren wie Emittenten sind dies gute Nachrichten: Sie werden künftig im Anleihebereich die gleichen hohen Standard finden, die sie von Aktien kennen. Die Bedeutung des Anleihehandels wird damit wachsen.

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*) Rainer Riess ist Geschäftsführer der Frankfurter Wertpapierbörse und Managing Director des Bereichs Xetra Market Development der Deutsche Börse AG.