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Invesco-Studie: Staatsinvestoren wenden sich von Europa ab

Im Gegensatz dazu steht China stärker im Fokus.

Alex Millar

Invesco hat vor kurzem die siebte Global Sovereign Asset Management Studie veröffentlicht, eine umfassende jährliche Analyse des komplexen Anlageverhaltens von Staatsfonds und Zentralbanken. Die Ergebnisse der diesjährigen Studie zeigen, dass sich die Staatsinvestoren vermehrt von Europa abwenden.

Für die diesjährige Studie wurden insgesamt 139 Staatsinvestoren und Reservemanager von Zentralbanken aus aller Welt befragt, die zusammen ein Vermögen von insgesamt 20,3 Billionen US-Dollar verwalten. Die Tatsache, dass es sich in diesem Jahr bei 71 der Befragten um Zentralbankvertreter handelte (nach 62 im Jahr 2018), verdeutlicht die wachsende Bedeutung der Notenbanken als staatliche Investoren.

Anleihen ersetzen Aktien als größte Anlageklasse für Staatsinvestoren
2018 war ein schwieriges Jahr für staatliche Investoren, da die schwachen und volatilen Aktienmärkte zu rückläufigen Anlagerenditen führten. Im Schnitt erzielten Staatsinvestoren im Jahr 2018 eine Rendite von 4% nach 9% im Jahr 2017. Trotz der rückläufigen Renditen verzeichneten Staatsinvestoren vor dem Hintergrund der negativen Erträge aus globalen Aktien noch eine gute Performance. Die globalen Aktienmärkte haben das Jahr 2018 gemessen am MSCI World Index auf US-Dollar-Basis mit minus 8,7% geschlossen.

Die meisten Staatsinvestoren (89%) gehen dabei davon aus, dass der aktuelle Konjunkturzyklus innerhalb der nächsten zwei Jahre zu Ende gehen wird. In Verbindung mit Sorgen über eine erhöhte Volatilität und der Aussicht auf negative Erträge aus Aktien hat das zu höheren Anleiheallokationen und einer breiteren Diversifikation mit Allokationen in Infrastruktur, Immobilien und Private Equity geführt.

Die Anleiheallokationen sind 2019 auf 33% gestiegen, nach 30% im Jahr 2018, und damit die aktuell größte Anlageklassen der Staatsinvestoren. Dagegen sind die Aktienallokationen von 33% auf 30% gesunken, nachdem die Anleiheallokationen in den fünf Jahren von 2013 bis 2018, als Aktien haussierten, von 35% auf 30% zurückgegangen waren.

Das schwierige Aktienmarktumfeld des Jahres 2018 hat die Beschränkungen kapitalisierungsgewichteter passiver Strategien sowie einiger einfacherer Faktorstrategien verdeutlicht. Die Ergebnisse einiger der populärsten Faktorstrategien wie Value und Momentum haben die Erwartungen der Staatsinvestoren 2018 nicht erfüllt und einige Staatsinvestoren, die ihre Faktorallokationen nicht aktiv gesteuert haben, verzeichneten negative Renditen. Das hat zu einer stärkeren Verlagerung von einem Einzelfaktoransatz zu Multi-Faktor-Positionen geführt, mit denen besser auf ein verändertes Marktumfeld reagiert werden kann.

Staatsinvestoren optimistisch für China
Was die Attraktivitätseinstufung möglicher Anlagemärkte durch staatliche Investoren angeht, hat kein Markt seit 2017 so deutlich zugelegt wie China. Rund 82% der Studienteilnehmer geben an, dass die Handelsspannungen ihre Asset-Allokation-Entscheidungen beeinflusst haben. Trotzdem wird Chinas Attraktivität als Anlagemarkt auf Sicht der nächsten drei Jahre mit durchschnittlich 6,1 von 10 bewertet. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Rating von 5,2 im Jahr 2017.

Obwohl die Studie in einem Zeitraum durchgeführt wurde, in dem ein Handelskriegsszenario permanent im Raum stand, zeigten sich die Studienteilnehmer durch Chinas Zusage, den Schutz geistigen Eigentums zu verbessern, optimistisch bezüglich einer möglichen Lösung in diesem Konflikt.

Wie die Studie feststellt, ist Chinas einzigartige Wettbewerbsdynamik attraktiv für Staatsinvestoren, die ihre Portfolios breiter aufstellen wollen. Dabei sind Aktien die bevorzugte Anlageklasse. Etwa 90% der staatlichen Investoren, die in China engagiert sind, halten chinesische Aktien. Damit scheinen die Maßnahmen, mit denen die chinesische Regierung den Markt stärker für ausländische Investoren öffnen will, Wirkung zu zeigen.

Auch die Allokationen in chinesische Anleihen dürften steigen, nachdem ausländische Investoren jetzt durch Chinas Aufnahme in wichtige Anleiheindizes und Initiativen wie Bond Connect Zugang zum lokalen Anleihemarkt haben. Die Transparenz bleibt eine bedeutende Hürde, die Staatsinvestoren daran hindert, ihre China-Allokationen noch stärker auszubauen. Für Staatsinvestoren, die noch nicht in China investiert sind, sind Anlagebeschränkungen und das Währungsrisiko die größten Hürden.

Investoren halten Europa für wirtschaftlich nicht attraktiv
Durch das schwächere Wirtschaftswachstum und das zunehmende politische Risiko in Europa sind die großen europäischen Volkswirtschaften in den Augen der Staatsinvestoren inzwischen deutlich weniger attraktiv. Insgesamt geben 64% der befragten Staatsinvestoren an, dass der Brexit Einfluss auf ihre Vermögensaufteilung hat. Mit Blick auf die Eurozone nennen 46% der Staatsinvestoren zunehmende politische Ungewissheiten durch den Vormarsch populistischer Bewegungen in wichtigen europäischen Volkswirtschaften wie Deutschland und Italien als Faktoren, die ihre Asset Allokation beeinflussen. Das hat zu einer stärkeren Abkehr von Europa geführt – fast ein Drittel der Staatsinvestoren haben ihre Allokation in Europa 2018 reduziert. Ähnlich viele planen für 2019 eine weitere Rückführung ihres Engagements in der Region. Nur 13% der Staatsinvestoren wollen ihre Allokationen in Europa in diesem Jahr erhöhen, während 40% in Asien und 36% in Emerging Markets investieren wollen.

Wichtigere Rolle für den Renminbi in den Zentralbankenreserven
Die Zentralbanken sind insgesamt überzeugt, dass sich der aktuelle Konjunkturzyklus eher mit einem allmählichen Abschwung als mit einer Wirtschaftskrise verabschieden wird. Das unsichere Marktumfeld und die zunehmend restriktiv ausgerichtete US-Notenbank (Fed) haben jedoch zu einer stärkeren Umschichtung in vermeintlich sichere Cash-Investments und in einigen Fällen Gold geführt.

Die Zentralbanken haben 2018 insgesamt 651,5 Tonnen Gold angekauft. Dieses Ankaufvolumen wurde bislang überhaupt nur einmal übertroffen und war 74% höher als ein Jahr zuvor. Mehr als ein Drittel (35%) der Zentralbanken haben ihre Goldbestände in den letzten drei Jahren erhöht und 32% rechnen auf Sicht der nächsten drei Jahre mit einer weiteren Aufstockung ihrer Goldreserven. Insgesamt bewegen sich die Goldbestände aber auf einem stabilen Niveau von rund 4% der gesamten Zentralbankreserven. Die Studienteilnehmer berichten über weitere Herausforderungen im Zusammenhang mit Goldreserven wie zum Beispiel der Volatilität, den Einlagerungskosten und den politischen Implikationen von Goldverkäufen. 75% der Zentralbanken sind der Ansicht, dass der Verkauf von Goldbeständen zu einer negativen Medienberichterstattung im Inland führen würde.

Die Zentralbanken diversifizieren weiter weg von negativ verzinsten Staatsanleihen (vor allem in Europa) in Bankeinlagen sowie weg vom US-Dollar. Größter Gewinner dieses Trends ist der Renminbi. Von 2017 bis 2018 haben die Allokationen in die chinesische Währung die Allokationen in australische und kanadische Dollar überholt. Inzwischen halten 43% der Zentralbanken Renminbi-Reserven, verglichen mit 40% im Jahr 2018. Mehr als ein Viertel (27%) der Zentralbanken planen einen weiteren Ausbau ihrer Renminbi-Reserven im Jahr 2019. Damit ist der Renminbi die gefragteste Währung des Jahres 2019, die Allokationen vom US-Dollar, Euro und GBP abziehen dürfte. Obwohl der US-Dollar weiterhin die wichtigste Reservewährung der Welt ist, sind die Allokationen auf ein Fünf-Jahres-Tief von 61,7% der globalen Währungsreserven gefallen, nach zuvor 62,7%.

Umwelterwägungen rücken ESG in den Vordergrund
Für Staatsinvestoren und Zentralbanken ist ESG ein zunehmend wichtiges Thema. Der Anteil der Staatsinvestoren mit spezifischen ESG-Richtlinien ist seit 2017 von 46% auf 60% gestiegen. 20% der Zentralbanken haben inzwischen ESG-Richtlinien. 2017 waren es erst 11%. Die Staatsinvestoren verfolgen zunehmend fortschrittliche ESG-Ansätze und sind von einfachen ESG-Screenings zu komplexeren Ansätzen der ESG-Integration übergegangen.

Gleichzeitig haben sich die inhaltlichen ESG-Schwerpunkte verlagert. In der Vergangenheit hatte der Fokus aufgrund klarerer Risiko-Ertrags-Vorteile auf Governance-Themen gelegen. Inzwischen werden diese Faktoren häufig als gegeben angenommen. Für die Staatsinvestoren stehen Umweltfaktoren zunehmend im Fokus, wobei CO2-Emissionen und der Klimawandel unter den ESG-Themen ganz klar an erster Stelle stehen.

Alex Millar, Head of EMEA Institutional Distribution Sales, Invesco, kommentierte: „Unsere maßgebliche jährliche Untersuchung zeigt, dass sich staatliche Investoren und Zentralbanken auf das in den nächsten zwei Jahren erwartete Ende des aktuellen Konjunkturzyklus vorbereiten. Dadurch richten sie ihre Portfolios defensiver aus und setzen auf eine breitere Diversifikation. Die staatlichen Investoren haben ihre Aktienquoten reduziert und dafür verstärkt in Zinsprodukte investiert, engagieren sich aber auch weiter umfangreich und langfristig im Private-Markets-Segment. Bei den größeren Investoren gehören dazu jetzt auch Direktanlagen in China und dem Technologiesektor.

Dass sich die staatlichen Investoren trotz der globalen Handelskonflikte und ihrer negativen Auswirkungen auf die Aktienmärkte verstärkt in China engagieren, zeigt, dass sie bei allen kurzfristigen geopolitischen Störfaktoren nicht die grundlegende Dynamik der Märkte und attraktive Anlagetrends aus dem Blick verlieren – in diesem Fall den fortschreitenden Reifungsprozess der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Besonders bemerkenswert ist zudem, wie schnell sich ESG-Ansätze bei staatlichen Investoren durchgesetzt haben, wobei sich der Fokus zunehmend vom „G“ – Governance-Initiativen – zum „E“ – Environmental, also Umweltfaktoren – verlagert.“