„Das ist ein Fall, der nur langsam seine Geheimnisse preisgibt und der im Moment mehr Fragen aufwirft als beantwortet“, erklärte David Doble, von der Londoner Anwaltskanzlei des gleichen Namens, bei einem Libor-Workshop in London.
Gemeinsam mit Anwälten aus Großbritannien, den USA und Österreich listete er unterschiedliche Anklagen auf, die institutionelle Anleger im Zu- sammenhang mit der angeblichen Manipulation des Interbankenzinssatzes Libor vorbringen können.
Darunter sind Anklagen rund um das Kartellrecht, Vertragsbruch, Wertpapier-Betrug, Verletzung treuhänderischer Pflichten etc.
Allerdings hielt Doble fest, dass es derzeit noch „keine Beweise“ gebe, dass irgendeine Bank tatsächlich „erfolgreich“ war in der Manipulation des Libor.
„Das meiste, das die britische Aufsichtsbehörde FSA oder das US-Verteidigungs- ministerium herausgefunden haben, ist noch nicht öffentlich“, so Doble.
Er fügte hinzu, dass „wir nicht wissen, ob sie ihre Erkenntnisse jemals vollständig veröffentlichen werden“, weil das die Untersuchungen der Staatsanwaltschaften behindern und außerdem zu weiteren Klagen führen könnte.
Aber er erwartet weiterführende Informationen aus laufenden Verfahren, wie einen Fall gegen die Royal Bank of Scotland in Singapur, sowie ein Papier der Europäischen Kommission über Benchmarks und Zinssätze, von dem Doble erwartet, dass es „in Kürze“ publiziert werden wird.
In den USA haben einige Investoren bereits ihr Glück versucht. Darunter ist auch ein Pensionsfonds aus Connecticut, der eine Kartellrechts-Anzeige gegen die Gruppe von Banken, die den Libor festlegt, eingebracht hat, berichtete Bruce Grace von der Anwaltskanzlei Lewis Baach in Washington.
Die meisten dieser Fälle seien vor einer Richterin in Florida, Naomi Buchwald, zusammengefasst worden, die im kommenden Monat eine Entscheidung über die Weiterführung der Verfahren treffen wird. Auf dieses Urteil dürfe man gespannt sein, so Grace.
„Europäische Pensionsfonds sind viel vorsichtiger, wenn es darum geht, Anklagen einzubringen“, bestätigte Marcus Rutherford von der Londoner Anwaltskanzlei Enyo Law gegenüber IPE. Er ergänzte, dass viele „darauf warten, dass ein anderer den ersten Schritt macht“.
Alle Anwälte hielten fest, dass es fragwürdig sei, in wie weit die Manipulation Inves- toren nur geschadet hat, oder ob einige auch davon profitiert haben und das im Falle einer Untersuchung offenlegen müssten.
Doble präsentierte Berechnungen über den möglichen Umfang der Verluste, die Investoren in einen Zinszertifikat mit einer Knock-Out-Schwelle auf eine hypothe- tischen Zins-Swap mit 15-jähriger Laufzeit erlitten haben: Falls der Zinssatz erfolgreich manipuliert wurde und unter den Auslöser X am Fälligkeitsdatum gefallen ist, wären die Verluste bis zum Jahr 15 in diesem Beispiel auf über 300 Mio. Euro angewachsen. Doble fügte hinzu, dass die Auswirkungen auf andere Produkte ohne eine Knock-Out-Schwelle wesentlich geringer gewesen wären.
Er erläuterte, dass Zins-Swaps zwischen der Hälfte bis zu zwei Drittel (je nach Quelle) des weltweiten Marktes von Produkten, die mit dem Libor zusammenhängen, aus- machen. Der Gesamtmarkt beläuft sich auf ungefähr 300 Bio. US-Dollar.