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Niedrigzins trifft nach BAG-Urteil erstmals deutsche Arbeitnehmer direkt

Berater sehen „weiterreichende Auswirkungen“ der Entscheidung zu Garantien in der bAV.

Ein deutsches Unternehmen, das eine „marktübliche Verzinsung“ als Garantie für die Ratenzahlung der Rente eines Arbeitnehmers versprochen hat, kann „Staatsnullkouponanleihen“ für die Berechnung heranziehen, so ein Gerichtsurteil.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte diese Entscheidung im Fall mit dem Aktenzeichen 3 AZR 272/15 letzte Woche gefällt und dabei auch diesen Terminus für niedrig rentierende Anleihen geprägt.

Außerdem hat es damit einer früheren Entscheidung des Landesgerichtes Nürnberg im Frühjahr 2015 widersprochen.

Ein ehemaliger Arbeitgeber hatte gegen das Unternehmen, dessen Namen nicht veröffentlicht wurde, geklagt.

Als er 2011 in Rente ging hatte er mit einer versicherungsähnlichen Verzinsung der im Unternehmen verbleibenden Teilraten zu 3,55% gerechnet.

Das Unternehmen hatte jedoch die Zinsstrukturkurve für deutsche und französische Staatsnullkuponanleihen zugrunde gelegt und eine Verzinsung von 0,87% angewandt.

Das Landesgericht Nürnberg war von einer Verzinsung basierend auf der Rendite aus manchen deutschen Staatsanleihen, die im Februar 2012 am Markt waren ausgegangen und damit von 2,13%.

Das BAG hat jetzt jedoch entschieden, dass der Arbeitgeber selbst die Phrase „marktübliche Verzinsung“, die im Vertrag festgelegt ist, auslegen kann: „Die Bestimmung, welcher Markt für die Marktüblichkeit der Verzinsung heranzuziehen ist und welcher konkrete Zinssatz festgelegt wird, obliegt der Beklagten im Rahmen billigen Ermessens nach Paragraf 315 BGB. Es ist nicht unbillig, für die Verzinsung eines Versorgungskapitals darauf abzustellen, wie dieses sicher angelegt werden kann. Dem entspricht eine Orientierung an der Rendite von Staatsnullkuponanleihen“, so das Gericht in einer Aussendung.

Sascha Grosjean, Partner bei der Anwaltskanzlei Taylor Wessing in Deutschland, sagte gegenüber unserer Redaktion: „Es ist rechtlich interessant, dass das BAG entschieden hat, es sei nicht Sache eines Gerichtes, wie die Phrase ‚marktübliche Verzinsung’, die im Vertrag festgeschrieben ist, auszulegen ist.“

Die Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersvorsorge (aba) stimmte zu, dass es „positiv“ sei, dass das Gericht dem Arbeitgeber sein Interpretationsrecht eingeräumt hat. Eine Sprecherin der aba hielt außerdem fest, dass die Phrase „marktüblicher Zins“ nirgendwo definiert sei.

Bei Mercer kommentierten Thomas Bischopink und Stefan Oecking, dass die deutschen Unternehmen ob des Urteils „aufatmen“ können.

„Der Arbeitgeber kann hinsichtlich der marktüblichen Verzinsung also auf solche risikoärmeren Anlagen abstellen,” so die Berater.

Grosjean hielt fest, dass es bei dem Urteil um die Auslegung eines Vertragsbestandteils, nicht aber um jene einer Gesetzesformulierung geht und das Verträge wie der diskutierte „eher die Ausnahme“ seien.

Bischopink und Oecking sagten, auch die Arbeitgeber werden dem BAG danken: „Arbeitnehmer können damit rechnen, die aus steuerlicher Sicht gegenüber der Kapitalzahlung attraktivere Ratenzahlung auch in Zukunft weiterhin nutzen zu können.”

Grosjean erwähnte auch die weiterreichenden Auswirkungen des Urteils, durch die „das Niedrigzinsumfeld Arbeitnehmer erstmals direkt trifft“.

„Wir sehen, dass einige Pensionskassen und Versicherer bereits mit den Garantien zu kämpfen haben“, so Grosjean.

In den vergangenen Monaten gab es bereits einige Gerichtsurteile – so auch vom BAG -, die es Versorgungsträgern erlauben, die Leistungsversprechen zu senken, wenn der Arbeitgeber für die Differenz einsteht.

<link http: www.institutional-investment.de content am-reports artikel external-link-new-window external link in new>Grosjean ist überzeugt, dass ein „Pay-and-forget“-Modell, wie es z.B. bei den Tarifplänen diskutiert wird, in Deutschland weitere Verbreitung finden wird: „Wie auch bei diesem Gerichtsurteil ist die Frage, ob ein Arbeitgeber das angesparte Kapital vermehren oder nur sicher verwahren muss.“

Bischopink und Oecking betonten, dass „unbestimmte Begriffe – wie vorliegend die „marktübliche Verzinsung“ – häufig Anlass für Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern” seien und deshalb vermieden werden sollten.