Der enorme Anstieg an neuen ESG-Produkten und grünen Indizes „überfordert viele Schweizer Pensionskassen“, so Dorothea Baur, unabhängige Ethik-Beraterin, in einem Interview mit IPE.
„Einige wollen auf den neuen Trend aufspringen, haben sich aber noch keine Gedanken gemacht, was ESG für sie bedeutet“, fügt Baur hinzu.
Als unabhängige Beraterin hat sie seit einigen Monaten ein Mandat einer großen Schweizer Firmenpensionskasse mit rund 15 Mrd. Schweizer Franken (13,2 Mrd. Euro) an verwaltetem Vermögen erhalten, womit sie „zu den Top 10 Pensionskassen des Landes“ zählt.
„Diese Pensionskasse will ihre ESG-Vision von innen heraus entwickeln, ihre Ansichten intern koordinieren und eventuell einen Fragebogen ausarbeiten, der bei der Auswahl von Asset Managern eingesetzt werden kann“, erläutert Baur.
Ihre unabhängige Beraterfirma Baur Consulting hat das Mandat gegen zwei Mitbewerber gewonnen.
Es ist ihr erster Großauftrag in der Pensionskassenwelt, aber Baur berät Institutionen in der Finanzwelt bereits seit mehreren Jahren.
Ein Langzeit-Mandat besteht mit der Alternativen Bank Schweiz, die sich auf ethische und grüne Investitionen fokussiert hat. Baur ist dort die Unabhängige Ethikbeauftragte.
Baur hatte unter institutionellen Investoren oftmals „jegliche Reflexion, Passion und Mission“ in einigen Diskussionsrunden über ESG vermisst.
„Pensionskassen und andere institutionelle Investoren sollten ESG zunächst für sich selbst definieren; festlegen was für sie stimmig ist und was nicht.“
Bei ihrem jüngsten Auftraggeber hat Baur Einzelgespräche mit Mitgliedern der Geschäftsführung und des Stiftungsrates geführt, „um ein Gefühl dafür zu bekommen, was unterschiedliche Personen in Schlüsselpositionen in der Pensionskasse tatsächlich über ESG denken und wo die Ideen voneinander abweichen.“
„Mit der ESG-Arbeitsgruppe haben wir dann besprochen, wie ESG die Pensionskasse in ihrer Rolle als Treuhänder betrifft und wie weit das Engagement mit Unternehmen gehen soll“, so Baur.
Ihre Einschätzungen der Schweizer Pensionskassenlandschaft und deren oftmals mangelhaften Beschäftigung mit dem Thema Nachhaltigkeit deckt sich mit der jüngsten Studie des World Wildlife Fund (WWF).
Zusammen mit der ESG-Ratingagentur Inrate hat der WWF dabei Schweizer Pensionskassen und ihre Fortschritte in der Implementierung von Nachhaltigkeitskriterien in ihrer Investmentstrategie gereiht.
Noch immer hätten „nur wenige Pensionskassen Nachhaltigkeit relativ konsequent in ihre Investitionsprozesse und -entscheide integriert“, so die Autoren des Berichts.
Seit der letzten ähnlichen Studie 2015/16 stellten die Analysten jedoch „deutliche Verbesserungen“ bei einigen Pensionskassen fest. Allerdings gab es auch einige wenige, die ihr Ranking verschlechtert haben.
„Damit ist die Mehrheit der 20 größten Schweizer Vorsorgeeinrichtungen, die rund ein Drittel der beruflichen Vorsorgevermögen verwalten, noch relativ weit davon entfernt, entsprechend der Vision des WWF Schweiz für die 2. Säule proaktiv ihren Anteil am Umbau hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft beizutragen“, so die Studienautoren abschließend.
Als beste drei Pensionskassen – die alle ihre Position gegenüber den letzten Ranking verbessern konnten – kürten WWF und Inrate die drei folgenden:
Bernische Pensionskasse (BPK)
Caisse de prévoyance de l’État de Genève (CPEG)
Pensionskasse der Stadt Zürich (PKZH)