Hill: Was genau macht die Bank für Sozialwirtschaft?
Bonnländer: Wir konzentrieren uns ganz auf das Geschäft mit Unternehmen, Verbänden, Stiftungen und anderen Organisationen, die in den Branchen Soziales (Senioren-, Behinderten-, Kinder- und Jugendhilfe), Gesundheit und Bildung tätig sind. Unser Schwerpunkt liegt auf Einrichtungen in freigemeinnütziger Trägerschaft und Stiftungen. Hier steht nicht die Gewinnmaximierung im Vordergrund, sondern die Sicherstellung von Versorgungsleistungen. Die Bank für Sozialwirtschaft (BFS) offeriert die Bankdienstleistungen, die eine spezialisierte Universalbank ausmachen, also Finanzierungen, Geldanlagen und spezielle Zahlungsverkehrsangebote – beispielsweise Fund-Raising für unsere Kunden im Sozialbereich. Wir sehen uns als eine Art Family Office für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft. Branchenkenntnis und Vernetzung machen die BFS aus – wir bieten betriebswirtschaftliche Beratung sowie Sozialmarktanalysen, Standort- und Potenzialanalysen, in denen wir Chancen und Risiken von Investitionen transparent machen. Die BFS hat ein Büro in Brüssel, um die kommenden Impulse aus Europa früh aufzugreifen oder um spezielle EU-Förderpakete nutzbar zu machen. Im Finanzierungs- und Investmentbereich wird dieses Schauen über den Tellerrand von unseren Kunden sehr geschätzt. Die Kernaufgabe der BFS besteht darin, Geld aus der Sozialwirtschaft für die Sozialwirtschaft verfügbar zu machen. Zudem hat die Bank selbst Anlagebedarf im Investmentbereich und bietet auch spezielle Lösungen für institutionelle Investoren. Als „Trusted Advisor“ sind wir uns unserer Verantwortung bei der Entwicklung oder der Auswahl von Produkten sowie der Einwertung der damit verbundenen Risiken sehr bewusst.
Hill: Was sind die Besonderheiten Ihres Geschäftsmodells?
Bonnländer: Jeder spricht heute von Nachhaltigkeit. SRI, ESG und Themen wie Impact Investing begleiten die Bank schon seit ihrer Gründung durch die Wohlfahrtsverbände im Jahr 1923, obwohl diese Begriffe damals noch nicht existierten. Wenn Sie so wollen, sind wir in Deutschland einer der klassischen Pioniere in diesem Bereich. Die BFS ist innerhalb der Branche schon aufgrund der Gründerstruktur sehr speziell positioniert. Dies sieht man auch an unseren Kundengruppen. Hierzu zählen ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Spezialkliniken, Medizinische Versorgungszentren, Krankenkassen, Sozialversicherungsträger, Werkstätten und Wohnheime für Menschen mit Behinderung, Wohn- und Tageseinrichtungen für Kinder und Jugendliche, Schulen in freier Trägerschaft und andere Bildungsträger. Die Bank ist stark im „Ökosystem“ ihrer Kunden verwurzelt. Wir leben Nachhaltigkeit, insbesondere mit dem Schwerpunkt S (Social) und G (Governance), wobei die ökologische Seite der ESG im täglichen Geschäft immer mitschwingt. So wird beispielsweise bei Finanzierungsprojekten die ökologisch effiziente Planung und Ausstattung der Gebäude und Betriebe mitgeprüft (Energieeinsatz und -verbrauch, schonender Ressourceneinsatz in der Architektur und den Betriebsabläufen, Müllvermeidung, Digitalisierung etc.).
Hill: Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich im Anlagebereich?
Bonnländer: Unsere Anlagekunden sind risikoavers und ausschüttungsorientiert. Das ist ein sehr relevanter Punkt. Die BFS verbindet bei ihren Produktideen und der Due Diligence Wertqualität mit stabiler Ausschüttung. Ich kenne beide Seiten sehr gut in meiner Funktion als Verantwortlicher für die Auswahl von Eigenanlagen und für Produktkonzeptionen. Stiftungen benötigen Cash-flows, um ihrem Stiftungszweck nachzukommen. Gemeinnützige Organisationen können umso mehr bewirken, je besser kontinuierliche Erträge fließen. Ein absolutes No-Go sind Investmentmöglichkeiten, die ethischen und ökologischen Prinzipien schlicht widersprechen. Weiterhin beschäftigt sich das Anlagemanagement intensiv mit der Synthese von wirtschaftlicher und sozial-ethischer Nachhaltigkeit bei Anlagelösungen. Mittlerweile hat der Begriff Nachhaltigkeit auch den Mainstream erreicht, insbesondere die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit wird intensiv diskutiert. Wir sehen es als unseren Auftrag, sinnvolle Anlagelösungen verfügbar zu machen und Lücken zu schließen. So hat die BFS als erstes Kreditinstitut für die Sozialbranche einen Mezzanine-Fonds aufgelegt. Dabei war die Produktkonstruktion eher nebensächlich, die Wirkung, der Impact war uns wichtig: Die Versorgung von gemeinnützigen Unternehmen mit Kapital über dieses Vehikel. Jeder Euro, den man konsumiert oder investiert, zeigt Wirkung. Wir wollen positiven Impact erzeugen. Daran orientiert sich unserer Anlagemanagement. Der Nachhaltigkeitsgedanke steht im Vordergrund. Man kennt diese Denke auch aus dem persönlichen Bereich. Ich selbst treibe gerne Wassersport, bin viel in der Natur unterwegs und mache mir so meine eigenen Gedanken, auch zu nachhaltigem Tourismus. Ich spüre beim Kiten am eigenen Leib die Umweltveränderungen, insbesondere die Verschiebungen der Windlandkarten. Die Natur gibt uns bereits Anzeichen: Seit 2018 hat plötzlich jeder erfahren, was passiert, wenn die Binnenschifffahrt aufgrund rekordniedriger Wasserstände plötzlich komplett ausfällt, wenn die Nahrungsmittel auf den Feldern verdorren. Wie wird die Welt aussehen, wenn diese Phänomene zum Dauerzustand werden? Impact Investing ist kein Gutmenschentum, sondern ein Gebot der Stunde. Wir sind hier nicht alleine, aber neben uns gibt es nur wenige andere, glaubwürdige Finanzinstitute, die dies tatsächlich konsequent in ihrer Beratung umsetzen. Und zwar mit Engagement und Authentizität!
Hill: Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich aktuell intensiver?
Bonnländer: Die Bank hat bisher nachhaltige Publikumsfonds für ihre institutionellen Kunden aufgelegt. Die BFS möchte zukünftig diese Publikumsfonds ins Blickfeld von Privatanlegern rücken. Privatanleger können zwar nicht unsere Kunden werden, sie können aber die Anlagephilosophie der Bank über unsere Publikumsfonds erwerben. Unser Ziel ist es, Kapital aus der Gesamtgesellschaft für die Sozialwirtschaft stärker verfügbar zu machen. Im Bereich der Produktkonzeption für Institutionelle beschäftigen wir uns aktuell mit dem Thema Private Debt. Ein Kreditfonds ist ein Werkzeug für Interessenausgleich zwischen Investor und Kapitalnachfrager. Die BFS verknüpft in ihrem Kreditfonds Know-how, Netzwerk und Reputation auf überzeugende Weise. Negativzinsen und niedrige Bondrenditen treiben derzeit Investoren um. Verknüpft man stabile, alternative – im Idealfall sogar konjunkturunabhängige – Renditequellen mit einem Wachstumsmarkt, trifft man einen wichtigen „Anlagenerv“ von institutionellen Anlegern. Generell wird zu stark in kurzfristigen ökonomischen Renditen gedacht und nicht in Richtung langfristiger sozialethischer Renditen. Damit meine ich: Wodurch entstehen Finanzkrisen, gesellschaftlichen Krisen, und ökologische Schieflagen? Es wird immer zu Lasten der schwächsten Glieder eines Systems gearbeitet, bis uns das System am Schluss die rote Karte zeigt. Würde man die tatsächlichen Kosten von umweltschädlichem Verhalten sofort spüren und diese bezahlen müssen, würde man die Folgekosten bei der Gesamtbetrachtung mit ganz anderen Augen betrachten. Soziale Unruhen, „Systemzusammenbrüche“ und Fluchtbewegungen aufgrund verfehlter Bildungs-, Entwicklungs-, Integrations-, Gesundheits- und Sozialpolitik bezahlen wir heute schon alle mit, mehr unbewusst als bewusst. Wären uns alle finanziellen Faktoren bewusster, würden viele Produktanbieter, Dienstleister und Investoren schon heute deutlich wirkungsorientierter denken, handeln und steuern. In Zukunft wird man mit bewusstem Investieren Geld verdienen! Sie merken an meinen Ausführungen, dass wir hier mit Herzblut bei der Sache sind und nicht unbedingt die „klassische“ Bankerbrille tragen. Wir wollen interessante Partner im Markt kennenlernen, sozusagen Koalitionen für „Gutes“ bilden und einen positiven Impact für die Gesellschaft bewirken.
Hill: Wir danken Ihnen für das Gespräch.
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Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main. Kontakt: info(at)markus-hill.com; Website: www.markus-hill.com
Anton Bonnländer leitet den Bereich Anlagemanagement der Bank für Sozialwirtschaft AG (BFS) und verantwortet neben dem Kundenwertpapiergeschäft auch die Eigenanlagen der BFS. Er ist 55 Jahre alt und Vater von zwei Töchtern und ehrenamtlich als Beirat der Hilde-Ulrichs-Stiftung in Frankfurt am Main tätig.
Link zur Bank für Sozialwirtschaft Aktiengesellschaft