IPE Institutional Investment: Unabhängig vom aktuellen Zinsumfeld, inwieweit haben die vergangenen Jahre die Stiftungslandschaft verändert? In welcher Situation befinden sich Stiftungen derzeit?
Seifart: Mit den guten Nachrichten fange ich an, denn der Stiftungsmarkt wächst. Pro Jahr werden zwar nicht mehr ganz so viele rechtsfähige Stiftungen wie vor einigen Jahren gegründet. Allerdings wächst die Anzahl der Treuhandstiftungen insbesondere im Rahmen der Nachfolgeberatung immer mehr. Damit gewinnt ein in der Vergangenheit unterschätztes Instrument an Bedeutung, was gut ist.
IPE Institutional Investment: Dennoch hat sich das Umfeld in Sachen Erträge massiv zum schlechteren verwandelt, Stiftungen sitzen mit ihren meist sehr Fixed Income-lastigen Portfolios in der Zinsfalle. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Seifart: Da Stiftungen per Definition ihr Vermögen ertragreich anlegen müssen, sind sie vom Finanzmarkt abhängig in guten, aber auch in schlechten Zeiten. Und man sieht, dass viele der oft ehrenamtlich geleiteten Stiftungen hier an ihre Grenzen stoßen. Selbst in über 50% der kapitalstärksten deutschen Stiftungen sind keine hauptamtlichen Spezialisten für die Vermögensverwaltung beschäftigt – so ist die Realität. Das ist zwar einerseits richtig, weil die Stiftungen das Geld in erster Linie ausgeben sollen. Andererseits so ganz ohne Know-how, wie man die Gelder erwirtschaftet, geht es nun auch nicht.
IPE Institutional Investment: Ist der Gang in risikoreichere Assets die richtige Antwort auf die Anlagemisere?
Seifart: Die Vermögensverwaltung allein kann es bei Stiftungen nicht sein, um erfolgreich zu sein. Und ändern können sie den Markt nun einmal nicht. Solange Sie in ausschüttungsstarke Titel investieren, kann man noch darüber nachdenken, eine gewisse Volatilität zu tolerieren. Viel zu kurz kommt mir allerdings, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, als Stiftung zu performen, die aber zum Teil nichts mit dem Management der Assets zu tun haben. Das sind die Bereiche Kennzahlen, Ausgabeverhalten und Mitteleinwerben, hier gilt es Stellschrauben zu identifizieren, die große Hebelwirkung haben – der sogenannte ABC-Approach. Das ist die Abkürzung für A(ccounting), B(argaining) und C(ampaingning). Wie Sie sehen, gibt es auch in meiner Branche Anglizismen.
IPE Institutional Investment: Wie kann eine Stiftung dann ihre Kennzahlen optimieren?
Seifart: Zunächst muss man wissen, dass Stiftungen ihre eigene Logik haben. Performance als Kennzahl ist für sie nicht relevant, weil man strikt zwischen Wertzuwachs und Ausschüttung trennen muss. Dazu kommt noch, dass nicht jeder Zahlungseingang für Stiftungen ausgabefähig ist, weil z.B. bei manchen Beteiligungen Substanzanteil zurückgezahlt werden. Klar, weil Sie einen Wertzuwachs nicht für den Stiftungszweck ausgeben können. Allein deshalb brauchen Sie eine Rückkopplung mit der Buchhaltung, weil der Substanzanteil wieder angelegt werden muss. Auch wenn weder Vermögensverwaltung und Buchhaltung für viele Stiftungsvorstände nicht unbedingt Lieblingsthemen sind, sollte man beides aktiv nutzen. Denn mit einer idealerweise tagesaktuellen Rechnungslegung können Sie der Vermögensbewirtschaftung Handlungsempfehlungen und Gestaltungsspielräume aufzuzeigen.
IPE Institutional Investment: Da hake ich doch gleich einmal ein. Handlungsempfehlungen und Gestaltungsspielräume, das klingt sehr interessant. Können Sie uns ein Beispiel geben, wie die Kommunikation zwischen Stiftung und Vermögensverwalter idealerweise aussehen sollte?
Seifart: Nehmen Sie die Umschichtungsrücklage – ein häufig unterschätztes Instrument. In Stiftungslogik bilden Sie dort die saldierten realisierten Gewinne und Verluste ab, die ja nicht ergebniswirksam sind. Ist sie positiv, haben Sie drei Effekte erzielt, die für die Vermögensverwaltung relevant sind. Erstens ist sie eine bilanzielle Möglichkeit den Kapitalerhalt darzustellen, neben oder als Alternative zu der steuerrechtlichen Drittelrücklage. Effekt ist, dass weniger oder keine Ausschüttungen zum Nachweis des Kapitalerhalt zurückgestellt werden müssen. Die Stiftung also mehr Geld für ihre Zwecke zur Verfügung hat. Des Weiteren kann die Umschichtungsrücklage als zur Verfügung stehendes Risikobudget im Rahmen der Vermögensverwaltung berücksichtigt werden. Hier ist der Effekt, dass sich Stiftungen bei einer entsprechend hohen positiven Umschichtungsrücklage leichter tun, Buchverluste von nicht mehr aussichtsreichen Kapitalanlagen zu realisieren. Und drittens ist sie eine stille, ordentliche Ertragsreserve, wenn eine entsprechende Satzungsregelung vorsieht, Mittel umwidmen zu können. Der Effekt ist, dass ein zweiter Ertragstopf aufgebaut wird, der ausgegeben werden kann, aber nicht muss. Eigentlich müsste man in der heutigen Zeit konsequent Wertzuwächse realisieren, um die Möglichkeit weit aktiver zu nutzen. So ist Stiftungslogik.
IPE Institutional Investment: Lassen Sie uns auf die andere Seite im Anlageprozess schauen. Wie professionell sehen Sie die Asset Manager gegenüber Stiftungen eingestellt?
Seifart: Allein die Frage nach der Umschichtungsrücklage und ob man die Möglichkeit sie zu nutzen, aktiv betreiben soll, wird selten thematisiert. Eher stelle ich in der Praxis fest, dass viel zu oft Welten auf einander prallen und das ist in der jetzigen Zeit eigentlich ärgerlich, weil es gar nicht genug gute Berater für Stiftungen geben kann. Stiftungen fühlen sich mit ihren Sorgen nicht verstanden und dementsprechend findet selbst ein vielleicht passender Lösungsansatz kein Gehör. Es ist nun einmal Sache des Anbieters, die Denke und Bedürfnisse seines Kunden zu kennen und zu verstehen, um diesem entsprechende Lösungsvorschläge sozusagen „mundgerecht“ präsentieren zu können. Nicht zuletzt deshalb bieten wir bieten aus diesem Grund seit zwei Jahren eine eigene Seminarreihe für Finanzberater an. Dabei sind Stiftungen für einen interessanten und wachsenden Markt für Ihre Leser. Gerade in der jetzigen Situation kann es eigentlich nicht genug qualifizierte Berater geben.
IPE Institutional Investment: Besten Dank für diese Einblicke.
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