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„Marktunabhängige Strategien zurück im Fokus“

IPE D.A.CH-Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit Pablo Hess und Michael Günther, die bei Tungsten TRYCON einen KI-basierten Fonds verwalten, über die aktuellen Herausforderungen an den Märkten.

Pablo Hess und Michael Günther (v.l.n.r.)

IPE D.A.CH: Herr Hess, Herr Günther: Was sich bis Mitte Februar 2020 noch als freundliches Umfeld für Aktien und Long Only-Strategien darstellte, hat sich innerhalb kürzester Zeit dramatisch geändert…
Hess: Allerdings. Es gab in mehreren Assetklassen enorme Ausschläge. Die Volatilitätsindizes weltweit notierten nahe ihrer Rekordstände, bei 60 Punkten und mehr. Der „Zentralbank-Put“ hat plötzlich nicht mehr funktioniert.

IPE D.A.CH: Was meinen Sie damit genau?
Hess: Die Zentralbanken haben nach 2008 ein sehr günstiges Umfeld geschaffen. Reine Aktien- oder Mischportfolios haben im letzten Jahrzehnt außergewöhnlich stark performt und konnten von einer günstigen Korrelation zwischen Aktien und Anleihen profitieren. Jetzt haben wir einen gewaltigen Dämpfer, der zeigt, wie fragil die Märkte waren. Denken Sie nur an die hohen Liquiditätsspritzen der FED in den Wochen vor dem Sell-Off oder die Tatsache, dass die Rally in den USA am Ende nur noch von wenigen Titeln getragen wurde.

IPE D.A.CH: Sie rechnen nun damit, dass die Situation zwangsläufig wieder zu einer stärkeren Beschäftigung mit aktiv gemanagten Anlagen führen muss?
Günther: Ich denke, marktunabhängige Strategien werden wieder stärker in den Fokus rücken. Dazu eine interessante Zahl: In der letzten Februarwoche lag die Underperformance des MSCI World gegenüber marktunabhängigen Strategien bei 8,5%. Seit 2003 gab es nur einmal eine größere Differenz.

IPE D.A.CH: Während der Finanzkrise?
Günther: Genau. Im Oktober 2008.

IPE D.A.CH: Mit marktunabhängigen Strategien meinen Sie Absolute Return-Ansätze?
Günther: Absolute Return beziehungsweise Liquid Alternatives. Diese sind hinsichtlich der Konzepte am deutschen Markt recht heterogen, nicht alle konnten die letzten Wochen gut meistern. Man mag zudem zu Hedgefonds stehen, wie man will, aber bezieht man diese mit ein, war die Outperformance gegenüber dem globalen Aktienmarkt in der genannten Phase sogar noch ausgeprägter.

IPE D.A.CH: Was bedeutet dies nun für Anleger, die sich fragen, wo künftig eigentlich Rendite und Diversifikation herkommen sollen?
Hess: Wir registrieren auf jeden Fall ein gesteigertes Interesse an marktneutralen Ansätzen. Gemeint ist dabei eine sehr geringe Korrelation mit traditionellen und anderen Assetklassen im Bereich unter 0,2. Für traditionelle Portfolios aus Aktien und Renten stellt sich doch immer drängender die Frage, welche Rolle Anleihen hier noch verlässlich spielen können.

IPE D.A.CH: Ihr Fonds bedient sich künstlicher Intelligenz. Kann dies ein Weg sein, um eine andere Art der Streuung ins Portfolio zu bekommen und vielleicht auch Verluste abzufedern?
Günther: Der Einsatz von KI ist natürlich kein Garant dafür. Wir versuchen mit Hilfe von KI und Machine Learning aus einem Vielfachen an Daten alternative Handelsgelegenheiten, long oder short, zu identifizieren. Die Technologie kann eine unverbrauchte Perspektive auf das Marktgeschehen und auch in widrigen Marktphasen messbare Diversifikationseffekte bieten.

IPE D.A.CH: Haben Sie Zahlen?
Günther: Es ist sicher etwas opportunistisch, nur kurze Zeiträume zu wählen. Wenn wir aber die aktuelle Situation der letzten Wochen betrachten, so können wir feststellen, dass die KI-Strategie die genannten Vorteile unter Beweis gestellt hat. Während europäische und globale Indizes wie der EuroStoxx 50 und der MSCI World über die letzten vier Wochen zweistellige Verluste hinnehmen müssen, liegt unsere Strategie mit 5,1 Prozent im Gewinnbereich.

IPE D.A.CH: Abschließend die Frage: Sie haben unlängst den Namen Ihres Fonds in Tungsten TRYCON AI Global Markets geändert. Was beabsichtigen Sie mit diesem Schritt und welche Herausforderungen für den Einsatz von KI in der Kapitalanlage erwarten Sie?
Günther: Nach unseren Schätzungen existieren weltweit derzeit tatsächlich nur etwa 30 bis 40 vollständig KI-basierte Investmentfonds. Wir wollten die Tatsache, dass unser Fonds seit nunmehr knapp sieben Jahren KI - Artificial Intelligence - nutzt, im Sinne der Produktklarheit stärker im Namen herausstellen.
Hess: In der aktuellen Marktphase bestätigt sich, dass der Einsatz von KI in der Kapitalanlage nicht trivial ist. In der Breite einsetzbare Modelle sollten im Trainingsprozess auch mit der Möglichkeit konfrontiert werden, dass Märkte mal 30% oder mehr fallen können.

IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch.