IPE Institutional Investment: Infrastruktur ist ein vieldiskutiertes Thema am Markt, wie sehen Sie aber die tatsächliche Investitionsbereitschaft institutioneller Anleger in Deutschland?
Rieder: Unsere Studie hat ein sehr interessantes Ergebnis hervorgebracht: Obwohl bereits 87% der befragten Versicherer, Pensionskassen und Versorgungswerke sagen, dass sie schon einmal in Infrastruktur investiert haben, machen diese Investments doch nur 0,7% ihres gesamten Kapitalanlagevolumens aus. Eine hohe Bereitschaft, diesen Anteil zu steigern, zeigt sich in ihrer Mehrjahresplanung: In den nächsten zwei bis drei Jahren würde sich danach das Investitionsvolumen auf 23,4 Mrd. Euro deutlich mehr als verdoppeln.
IPE Institutional Investment: Welche Vorteile der Assetklasse stehen bei den Investitionsüberlegungen im Mittelpunkt?
Dr. Kreuter: Etwa zwei Drittel der befragten Anleger halten Infrastruktur für attraktiv oder hoch-attraktiv. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen, die alle mit der Kernaufgabe der befragten Branche zusammenhängen: Die langfristigen Verpflichtungen, die sie gegenüber den Versicherungsnehmern und Rentenbeziehern eingegangen sind, mit ebenfalls langfristigen planbaren Erträgen zu erfüllen. Strukturelle Eigenschaften von Infrastrukturinvestitionen wie etwa planbare, wiederkehrende Cash-flows spielen gerade im derzeitigen Zinsumfeld eine große Rolle. Als wichtigstes Ziel von Infrastrukturinvestitionen steht demnach für 94% der Befragten die Erzielung von Renditen, die ihren jeweiligen Rechnungszins übersteigen, im Vordergrund. Nahezu keine Rolle spielen hingegen absolute Renditen; eine Renditemaximierung halten nur 12% für „wichtig“; keiner der Befragten hält sie für „sehr wichtig“.
IPE Institutional Investment: In welche Bereiche fließen die Gelder derzeit? Erneuerbare Energien sind zumindest in aller Munde…
Rieder: Es ist richtig, dass ein Großteil der bisherigen Investitionen in dem Segment Erneuerbare Energien allokiert ist, 45% des Infrastrukturportfolios der Befragten. Die Förderung durch das EEG hat hier einen deutlichen Anreiz gesetzt. Eine ebenso große Rolle spielen auch Investments in Netze, bisher 42% deren Allokation. Im Gegensatz dazu fehlen für PPP-Projekte unter anderem ein stabiler, erprobter Rechtsrahmen und gut durchdachte Rahmenbedingungen zwischen allen Beteiligten, weshalb die im Ausland durchaus erfolgreichen PPP-Modelle offensichtlich in Deutschland bisher nur geringe Anwendung finden. Auch die föderale Struktur erschwert entsprechende Initiativen. Allerdings verschiebt sich das Interesse der Anleger für zukünftige Investitionen hin zu PPPs. Nur noch knapp fünf Prozent der Anleger halten Erneuerbare Energien für „hoch-attraktiv“, während dies bei mehr als dreimal so vielen Befragten z.B. auf PPPs zutrifft. In dieser Aussage spiegeln sich zwei Effekte wider. Zum einen sind es ja gerade die Erneuerbaren Energien, in die bereits am meisten Geld geflossen ist; eine Verlagerung entspricht also durchaus einer vernünftigen Diversifikation. Zum anderen könnten die laufenden Äußerungen zu möglichen zukünftigen Reformen des Erneuerbaren Energien Gesetzes in Deutschland und die Unsicherheit über deren konkrete Ausgestaltung und eventuelle Auswirkungen auf die Investitionen zu einer deutlichen Zurückhaltung geführt haben.
IPE Institutional Investment: Welche Investorengruppen sind bislang am stärksten am Markt aktiv?
Dr. Kreuter: Innerhalb der Versicherungen, Versorgungswerken und der betrieblichen Altersvorsorge sind jeweils ca. 90% der Befragten bereits in Infrastruktur aktiv. Lediglich bei Stiftungen und sonstigen institutionellen Anlegern haben bisher nur 37% in die Anlageklasse investiert. Dies ist vor allem auf das oft kleinere Kapitalanlagevolumen der Zielgruppe und deren Fokus auf die Anlageklassen Aktien und Renten zurückzuführen.
IPE Institutional Investment: Welche Vehikel bzw. welche Verpackung wird bei Investments vorrangig umgesetzt?
Dr. Kreuter: 27% der Investitionen werden bereits direkt in Projekte getätigt. Dachfonds sind dagegen kaum verbreitet. Die Mehrheit der Mittel fließt in Einzelfonds, die zumeist klassisch als Personengesellschaften ausgestaltet sind. Komplexere Strukturierungen sehen wir nur in Einzelfällen.
IPE Institutional Investment: Wie fällt das bisherige Fazit der Investoren mit der Assetklasse bzw. ihren Investments aus?
Rieder: Bisher wurden, wie ausgeführt, 0,7 Prozent des gesamten Kapitalanlagevolumens der Befragten in Infrastruktur investiert. Diese Befragten haben durchgehend klar zum Ausdruck gebracht, Ihre Quote erhöhen zu wollen und die Mehrjahresplanungen weisen im Durchschnitt Zielquoten von bereits ca. zwei Prozent des gesamten Kapitalanlagevolumens auf. Ein deutlicheres Signal für die Anlageklasse gibt es kaum.
IPE Institutional Investment: Beim Blick auf den Investitionsstandort – schätzen deutsche Anleger grundsätzlich den Heimvorteil?
Rieder: Wenn man die Vergangenheit betrachtet, eindeutig ja: 41% des Investitionsvolumens fließen bislang in heimische Infrastrukturmaßnahmen. Anders sieht das aus bei der Beurteilung zukünftiger Attraktivität. Auch wenn Deutschland nach wie vor als der attraktivste Standort betrachtet wird, halten ihn nicht einmal ein Viertel für „hoch-attraktiv“. Daneben lässt die hohe Attraktivität anderer Länder bei den Befragten den Schluss zu, dass den Anlegern die Möglichkeiten in anderen Regionen zu investieren durchaus bekannt sind und eine Abwanderung von Kapital droht, wenn die Rahmenbedingungen in Deutschland sich verschlechtern.
IPE Institutional Investment: Dennoch, allein die deutschen Kommunen schieben einen Investitionsstau im Bereich Infrastruktur in Höhe von 100 Mrd. Euro vor sich her. Was muss getan werden um hier das Potenzial im Markt weiter zu entfalten?
Dr. Kreuter: Hier sind sich die Befragten einig: 97% sagen, dass ein beständiges regulatorisches Umfeld und Rechtssicherheit für höhere Infrastrukturinvestitionen essentiell sind. Dieses Umfrageergebnis korrespondiert auch mit einer von uns publizierten Fallstudie: Ein Vergleich der „Zubauraten“ in Windenergie in Deutschland mit denen in Frankreich, Großbritannien und den USA zeigt, dass in den Ländern, in denen sich die regulatorischen Rahmenbedingungen stärker geändert haben (Großbritannien und USA), Windenergie mit sehr starken Schwankungen zugebaut wurde. In Deutschland und Frankreich hingegen gibt es stabile Zubauraten über die vergangenen zehn Jahre. Wir sehen hier deutlich den unmittelbaren Zusammenhang zwischen stabilen Rahmenbedingungen und der tatsächlichen Investitionstätigkeit. Auch gibt es auf beiden Seiten sicher noch nicht ausreichend Vertrauen. So hat sich zum Beispiel in der öffentlichen Debatte über die kommunale Wasserversorgung in Deutschland eine geringe gesellschaftliche Akzeptanz für die private Finanzierung gezeigt. Ein Viertel der Investoren sehen darin ein Risiko. Und die politische Seite befürchtet, dass die private Finanzierung teurer wird als die öffentliche. Hier muss mehr über die gegenseitigen Erwartungen und Vorteile gesprochen werden. Jedoch erfahren Investoren praktisch keine konkrete Ansprache durch die Politik. Nur sieben Prozent der Befragten wurden von der Politik konkret angesprochen, in lokale Infrastrukturprojekte zu investieren. Dabei lässt gerade die Präferenz für Direktinvestitionen (19% der Befragten bezeichnen diesen Zugang als hoch-attraktiv) den Schluss zu, dass bei direkter Ansprache institutioneller Anleger für konkrete Projekte Geld bereitgestellt werden könnte. Im Zusammenhang mit der hohen Bereitschaft der Befragten, in der eigenen Region tätig zu werden, zeigt sich das große Potenzial, das in einer verstärkten politischen Aktivität liegt.
IPE Institutional Investment: Welche Risiken dominieren aus Sicht der institutionellen Anleger?
Rieder: Mit weitem Abstand rangiert eine mögliche Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen an erster Stelle, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Investorengruppe. Dass „mangelnde Erfahrung“ von mehr als der Hälfte der bereits investierten Anleger noch als hohes Risiko eingestuft wird, macht deutlich, dass es in dieser recht jungen Anlageklasse noch weiterer Aufklärung und Transparenz bedarf. Mehr als die Hälfte der Befragten schätzt auch Konstruktionsrisiken als hoch ein. Das könnte an der Unklarheit liegen, wie die Risiken bei solchen Frühphaseninvestitionen verteilt werden und wie zukünftige Cash Flows zu kalkulieren sind. Eine weitere Hürde sehen die Befragten, vor allem die Versicherungen, in der Unsicherheit über die zukünftig notwendige Unterlegung von Infrastrukturinvestitionen mit haftendem Eigenkapital. Dies sollte im Zuge von Solvency II und der nachfolgenden Verordnungen berücksichtigt werden.
IPE Institutional Investment: Welche Erwartungshaltung gibt es Seitens der Investoren an die Politik?
Dr. Kreuter: Die Anleger fragen sich, ob sich die deutsche Politik für die Förderung privater Investitionen engagiert. Nur gut ein Fünftel der Befragten sieht ein (sehr) großes Interesse, wohingegen fast ein Drittel der Politik mangelndes Interesse attestiert. Daneben vermissen knapp zwei Drittel ein klares Programm mit erkennbaren Schwerpunkten für den zukünftigen Bedarf - eine Art „Agenda 2023“. Eine solche Agenda gibt es beispielsweise in Großbritannien mit dem National Infrastructure Plan (NIP), der in der Konstruktionsphase Garantien für institutionelle Anleger vorsieht. Solche Programme schaffen Planbarkeit und legen die Rahmenbedingungen fest – die beiden wichtigsten Zutaten für die Mobilisierung privaten Kapitals.
IPE Institutional Investment: Besten Dank für diese ausführlichen Erläuterungen!