Zugleich halten sich in dieser Debatte hartnäckige Irrtümer. So wird noch immer häufig lediglich die aktive Nutzungsphase einer Immobilie bewertet. Dabei entsteht ein Großteil der Emissionen beim Rückbau, Abriss und Neubau eines Objekts.
Technologie führt nicht immer zu einer Verbesserung
Zwar achten mittlerweile Bauherren stärker darauf, mehr recycelte Baustoffe zu verwenden. Ein konkreter Mehrwert entsteht für Unternehmen jedoch nur, wenn sie mit der Klimaverträglichkeit ihrer Immobilie auch werben können. Voraussetzung hierfür ist, dass diese im Alltag tatsächlich auch messbar ist.
Die hierfür eingesetzte Technologie führt allerdings nicht immer zu einer Verbesserung. Da veraltete Technik selten wieder einem Kreislauf zugeführt wird, erscheint energieaufwendige Technologie zum bloßen Zwecke der Messung der Nutzungsnachhaltigkeit als wenig sinnvoll. Somit sollte der Einbau von Technologie zwar weiter ermöglicht werden, nicht aber verpflichtend sein. Zumal es für die Messbarkeit von Energieeffizienz in Gebäuden durchaus Alternativen gibt, um Projekte langfristig nachhaltig zu entwickeln.
Nutzungsneutralität als Nachhaltigkeitsfaktor
Hierzu zählt ganz besonders die Nutzungsneutralität von Immobilien. Nutzungsneutral sind vor allem Gebäude, die über mehrere Vermietungszeiträume und sogar über die ursprünglich angedachte Nutzungsdauer hinaus flexibel genutzt werden können. Diese Umnutzung ermöglicht es, dass beispielsweise Gewerbeflächen wie Büros schnell und unkompliziert in bewohnbare Flächen, etwa Wohnungen oder Hotels, umgenutzt werden können. Moderne Flächenkonzepte erlauben sogar eine Umnutzung innerhalb der gleichen Assetklasse.
Das Prinzip der Nutzungsneutralität muss von Bauherren und Planern zwingend schon zu Beginn der Planung beachtet werden. Dies bedingt allerdings zugleich ein effizientes Verbauen von Ausstattung und Komponenten. Allerdings ist gerade Hochtechnologie hierfür weniger geeignet. Wird doch Gebäudetechnik oftmals für einen sehr spezifischen Anwendungsfall konzipiert. Dies führt nicht nur zu einer erschwerten Umnutzung der Immobilie. Auch der Break-even-Point der Klimaneutralität des Objekts verschiebt sich.
Digitale Lösungen sind keine Wundermittel
Liegt zugleich der Schwerpunkt einseitig auf der primären Nutzungsphase und -art, erschwert dies zusätzlich eine nachhaltige Entwicklung des entsprechenden Gebäudes. Zumal es für Investoren keineswegs nur darum geht, ihren Mietern lediglich ökologisch nachhaltige Flächen zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich ist es entscheidend, diese selbst auch nachhaltig zu bewirtschaften.
Voraussetzung hierfür: eine effiziente Kalkulation. Nur so kann es gelingen, den komplexen Nachhaltigkeitsanforderungen im Gebäudesektor langfristig gerecht zu werden. Zwar leisten digitale Lösungen einen guten Beitrag zur Energieeinsparung während der Gebäudenutzung. Nur sind diese weder selbsttragend noch stellen sie ein „Wundermittel“ für die Probleme im Gebäudesektor dar. Für die regulatorische Ebene bedeutet dies andererseits: Nutzungsneutralität statt Technologie-Zwang.
Mit mehr Flexibilität zum effizienteren Gebäude
Zugleich gilt es, eine „Milchmädchenrechnung“ zu vermeiden: Zwar verbrauchen hochtechnologisierte Gebäude wesentlich weniger Energie während der Nutzungszeit, die im Übrigen kürzer kalkuliert wird. Doch zugleich frisst die verbaute Technologie ein Vielfaches an Energie. Die Energieemissionen werden also tatsächlich bloß verlagert.
Somit führt mehr Flexibilität unterm Strich zu einem effizienteren Gebäude. Schafft es der Bausektor, digitale Lösungen smart einzusetzen und gleichzeitig die Nutzungsdauer, etwa durch Umfunktionierung, zu verlängern, wird es auch gelingen, einen positiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
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*) Patrick Herzog, Vorstand, DKW Deutsche Kapitalwert AG