Eigentlich ist Andes überzeugt, dass „eine Versicherungstochter wie wir in jeder Marktphase kauft“. Aber gerade im Moment ist auch er etwas zurückhaltend.
„In einen fallenden Markt vor der Bodenbildung zu investieren wäre falsch, wir warten noch etwas ab“, so Andes. Er betont jedoch, dass dieses Abwarten viel Aktivität beinhaltet: „Wir warten aktiv ab, prüfen ganz viel – aber wir sehen, dass die Preise oft noch nicht passen.“
In jedem Fall werde sich der Markt nicht mehr auf dem Niveau der letzten Jahre einpendeln, zeigt sich Andes überzeugt: „Teilweise waren da Übertreibungen, die wir nicht mehr sehen werden. Das extrem billige Geld war nicht gesund für den Markt und das schlägt jetzt zurück.“
Er glaubt eher an Niveaus, wie vor etwa 10 Jahren mit einem 20fachen Kaufpreisfaktor als Standard. „Ein bisschen mehr für bessere Immobilien, aber weit entfernt vom 28-32fachen, was wir derzeit sehen.“
Anders als andere Häuser, hat die HanseMerkur Grundvermögen trotz des Verfalls der Immobilienpreise in den letzten zwei Jahren das gesamte Investmentteam an Bord behalten. Der 2014 geschaffene Immobilienarm der Versicherung hat mittlerweile über 100 Angestellte und verwaltet über 6 Mrd. Euro an Immobilienvermögen – was sich auf einen nennenswerten Anteil der HanseMerkur sowie über 70 Drittinvestoren verteilt. Viel Konkurrenz am Immobilienmarkt erwartet Andes im Moment noch nicht: „Nicht allzu viele Marktteilnehmer suchen Kaufgelegenheiten, viele bleiben sehr zurückhaltend und abwartend und versuchen mit Anleihen ‚zu überwintern‘“.
Vernachlässigtes „S“ in ESG
Derzeit sieht die HanseMerkur Grundvermögen im Wohnbereich vor allem den Sektor „Gefördertes Wohnen“ als einen Bereich „wo wir dichter an unsere Zielrendite herankommen“, so Andes. Hier will die Versicherungstochter in Zukunft stärker investieren – „vielversprechende Förderungsansätze“ sehe man hier vor allem in Baden-Württemberg und Bayern. Der Vorstand dazu: „Bei ESG ist im Moment der Fokus vielfach noch auf E aber der soziale Sprengstoff ist im ‚S’ und die Politik wird stark gefordert sein, Wohnen zu fördern“.
Im Bereich Büro sieht Andes im Moment Opportunitäten „in Lagen zu investieren, die man nur in Krisensituationen auf den Markt kommen sieht“. Hier fokussiert sich die HanseMerkur Grundvermögen derzeit auf innerstädtische Lagen statt auf die Peripherie, auch wenn Andes nicht ausschließt, „dass sich auch diese Lagen erholen können“.
Das Thema Home Office hat sich für Andes mit Ende von Corona verändert: „Wir haben jetzt eine andere Art von Krise und brauchen Kreativität, Austausch und Zusammenarbeit – auch wenn Home Office in einem gewissen Ausmaß bleiben wird.“ Im Bürobereich sehe er auch „keine deutliche Abnahme des Raumbedarfs, weil Raum für Kommunikation geschaffen wird“.
Nicht viel Kopfzerbrechen bereitet der HanseMerkur Grundvermögen die Null-Karbon-Strategie, die die EU bis 2050 für Immobilien erreichen will. Weil die Versicherungstochter erst seit Gründung vor knapp zehn Jahren in Immobilien investiert, und zwar ganz überwiegend in Neubauten, sind viele Objekte modern genug, um den Anforderungen gerecht zu werden. Des Weiteren werden alle Anlagen nach ESG-Kriterien durchleuchtet und gegebenenfalls optimiert.
Andes sieht bei anderen Investoren Initiativen Bestand zu sanieren, „aber nur da, wo es sich lohnt“. Und er ergänzt: „Beim aktuellen Zinsniveau sind selbst diese Maßnahmen schwierig finanzierbar, und viele werden Mietsteigerungen oder ein sich änderndes Zinsniveau abwarten.“