Kurzfristig sehen die Invesco-Experten die Weltwirtschaft aktuell in der Kontraktionsphase des Konjunkturzyklus mit einem Wachstum unter Trend und einer weiter nachlassenden Wachstumsdynamik. Sie rechnen jedoch bereits in der ersten Jahreshälfte 2023 mit dem Eintritt in die Erholungsphase.
„Einige Volkwirtschaften werden stärker betroffen sein als andere. Insgesamt glauben wir aber, dass es sich bei diesem weltweiten Abschwung nur um eine temporäre Schwächephase handeln wird. Wir gehen davon aus, dass die Inflation in der ersten Jahreshälfte 2023 nachlässt und die Zentralbanken eine Zinspause einlegen. In der Folge sollte sich die Wirtschaft im weiteren Jahresverlauf erholen und wieder mehr Fahrt aufnehmen, auch wenn das Wachstum vermutlich weiter unter Trend bleiben wird“, sagt Dr. Henning Stein, Global Head of Thought Leadership and Market Strategy bei Invesco.
Die Zentralbanken in den USA und Europa haben ihre Geldpolitik trotz des nachlassenden Wirtschaftswachstums, vermehrter Hinweise darauf, dass die Inflation ihren Höhepunkt erreicht haben könnte, und der bereits deutlich verschärften Finanzkonditionen weiter gestrafft. Nach Ansicht der Invesco-Experten werden diese Faktoren die Zentralbanken im ersten Halbjahr 2023 letztlich dazu veranlassen, ihre Zinserhöhungen zu pausieren. „Vermutlich werden die westlichen Zentralbanken mit ihrer Straffung zu weit gehen. Das wird das Rezessionsrisiko erhöhen und für eine anhaltend hohe Marktvolatilität sorgen“, so Stein weiter.
Auch wenn einige Volkswirtschaften weniger rezessionsanfällig sind als andere, nehmen die Risiken für Länder, in denen die Geldpolitik gestrafft wird, nach Ansicht der Invesco-Experten insgesamt zu. Trotz der bereits eingeleiteten und künftig erwarteten Konjunkturmaßnahmen in China rechnet der Asset Manager auch hier mit einem anhaltend langsamen Wachstum.
Die China-Prognose für 2023 hänge maßgeblich von der Stabilisierung des chinesischen Immobilienmarktes und der Erholung der chinesischen Wirtschaft von der strikten Zero-Covid-Politik ab. Die Invesco-Experten rechnen mit einer Stagnation am chinesischen Immobilienmarkt und einer schrittweisen Lockerung der Zero-Covid-Politik, was zu einem BIP-Wachstum im mittleren einstelligen Bereich und einem Gewinnwachstum von etwa 15% an den Onshore-Märkten führen dürfte. Im ersten Halbjahr 2023 bestünden aufgrund des schwächeren Exportumfelds und der verhaltenen Ausgaben der privaten Haushalte Abwärtsrisiken. Infolge der Wiederöffnung seien die Aussichten für die chinesische Wirtschaft im zweiten Halbjahr 2023 deutlich besser.
Unterdessen kämpfen die Volkswirtschaften der Schwellenländer an zwei Fronten zugleich. Zum einen bleibt die Inflation außerhalb Asiens ein großes Problem, obwohl die Emerging Markets die Zinsen früher und deutlicher erhöht haben als die USA. Zum anderen exportiert der starke US-Dollar die Inflation und reduziert die Finanzströme in die Schwellenländer, deren Auslandsschulden hauptsächlich auf US-Dollar lauten. Aufgrund der unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen der Schwellenländer seien auch die Auswirkungen der rohstoff- und dollarinduzierten Inflation von Land zu Land sehr unterschiedlich. Nach Ansicht von Invesco spricht das für einen sehr selektiven Investmentansatz.
Was die taktische Asset Allokation in ihrem Basisszenario angeht, setzen die Invesco-Experten zunächst auf eine defensive Risikopositionierung mit einer deutlichen Untergewichtung von Aktien und einer Konzentration auf defensive Sektoren. Im Aktienbereich hätten sie eine Präferenz für Industrieländeraktien gegenüber Emerging-Market-Aktien und würden den Fokus stärker auf Qualitätstitel und Large-Caps legen. In Erwartung sinkender Zinsen würden sie das Durationsrisiko in diesem Szenario übergewichten und Kreditanlagen im Fixed-Income-Bereich untergewichten, da sie – vor allem in bonitätsschwächeren Segmenten – mit einer Ausweitung der Credit Spreads rechnen. Generell rechnen sie mit einer höheren Volatilität und einer ausgeprägten Renditestreuung zwischen den Anlageklassen. Sie würden im US-Dollar gegenüber anderen wichtigen Währungen wie Euro, GBP und JPY eine neutrale Haltung einnehmen.
Mit dem Übergang der Weltwirtschaft in die Erholungsphase würden die Invesco-Experten in Erwartung stärkerer Wachstumsraten, höherer Anleiherenditen, einer expansiveren Geldpolitik und eines weltweit zunehmenden Risikoappetits zu einer Übergewichtung von Risikoanlagen übergehen. In diesem Umfeld würden sie risikoreiche Kreditanlagen, Value-orientierte Regionen und zyklische Sektoren bevorzugen.
Invesco zufolge können Private Market-Anlagen Anlegern eine Möglichkeit der Portfoliodiversifikation bieten, um ihre Anlageziele zu erreichen – zum Beispiel ein höheres Kapitalwachstum mit Private Equity, regelmäßige Einnahmen mit Direct Lending oder eine bessere Diversifikation durch Real Assets. In ihrem Modell führt die Kombination des aktuell schwierigen Umfelds mit den neuesten verfügbaren Daten zu Private Market-Anlagen zu einer neutralen Einschätzung aller alternativen Assetklassen. Grund dafür sind die starken, aber nachlassenden Fundamentaldaten und die weitgehend dem historischen Durchschnitt entsprechenden Bewertungen.
In ihrem Alternativszenario, das die Investmentexperten von Invesco für möglich, aber weniger wahrscheinlich als ihr Basisszenario halten, würde die Inflation hartnäckig hoch bleiben. Im Szenario einer anhaltend hohen Inflation würden sich die Zentralbanken gezwungen sehen, ihren Straffungskurs noch länger fortzusetzen. Den Invesco-Experten zufolge würde dies eine längere Kontraktionsphase nach sich ziehen, wodurch eine globale Rezession wahrscheinlicher würde. Ihrer Ansicht nach könnte die Kombination einer restriktiveren Zentralbankpolitik und eines größeren Risikos einer globalen Rezession zu engeren Finanzkonditionen und einem anhaltend schwierigen Umfeld für Risikoanlagen führen.