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Invesco: Q1-Daten geben erste Hinweise auf die Schwere der wirtschaftlichen Folgen von Covid-19

Wie schwer die durch die Covid-19-Krise ausgelöste Rezession sein wird, ist eine Frage, die Investoren zurzeit besonders umtreibt. In vielen Ländern deuten die Wirtschaftsdaten auf einen nie zuvor gesehenen Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität hin.

Paul Jackson

Da weiterhin unklar ist, wie lange die beispiellosen Lockdown-Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie aufrechterhalten werden müssen und welche Auswirkungen sie haben werden, greifen die Entscheider in den Notenbanken und Regierungen inzwischen vermehrt auf Szenarien zurück, anstatt klare Prognosen abzugeben.

Wie Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research, Global Thought Leadership bei Invesco, erläutert, haben alle diese Szenarien zwei Gemeinsamkeiten: erstens einen dramatischen Einbruch des BIP und zweitens eine rasche Erholung. Das Global Market Strategy (GMS) Team von Invesco hat diese Annahmen genauer unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse seiner Analyse der bislang verfügbaren Q1-Daten für mehrere große Volkswirtschaften und ihre Implikationen für seine Modell-Asset-Allokation hat das Team in der aktuellen Ausgabe seiner Researchpublikation „Uncommon Truths“ veröffentlicht.

Demzufolge ist China unter den Ländern, die bislang BIP-Daten für Q1 veröffentlicht haben, mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 9,8% gegenüber dem Vorquartal am schwersten betroffen. Da China Ende Januar auch als erstes Land in den Lockdown gegangen ist, ist das sicherlich keine Überraschung. Am besten gehalten hat sich die US-Wirtschaft mit einem BIP-Rückgang von nur 1,2% (nicht annualisiert). „Da die Wirtschaft in diesen Ländern erst im Quartalsverlauf heruntergefahren wurde, spiegeln diese BIP-Zahlen den Rückgang der Wirtschaftsaktivität während des Lockdowns aber nur teilweise wider“, so Jackson.

Am nächsten kam demnach China einem vollen Quartalseffekt, da der Shutdown hier bereits in der letzten Januarwoche verhängt wurde – wo er zudem mit dem chinesischen Neujahrsfest zusammenfiel. Auf Grundlage des bis Ende des ersten Quartals andauernden Shutdowns und der Annahme, dass Chinas Wirtschaft ohne Covid-19 mit einer Jahresrate von 6% gewachsen wäre, schätzt das GMS-Team von Invesco, dass der BIP-Rückgang von 9,8% im ersten Quartal einem Einbruch der chinesischen Wirtschaftsaktivität um 13% während der Lockdown-Phase gleichkommt.

„China hat die Beschränkungen im zweiten Quartal nur vorsichtig gelockert, daher rechne ich im zweiten Quartal mit einem möglicherweise positiven, aber nicht enormen BIP-Wachstum“, so Jackson. Auf Basis des aktuellen Kenntnisstands geht er in China von einem BIP-Wachstum von 2% im zweiten Quartal aus. „Das ist mehr, als wir sonst überall erwarten, aber nicht die V-förmige Erholung, auf die wir ursprünglich gehofft hatten“, ergänzt Jackson.

In den europäischen Ländern ist das BIP insgesamt weniger stark geschrumpft. Aufgrund der kürzeren Lockdown-Phase war der implizite Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität während des Lockdowns hier aber stärker als in China. Beispielsweise ergibt sich bei Anwendung der gleichen Methodik auf Frankreich, wo das BIP in Q1 um 5,8% gegenüber dem Vorquartal geschrumpft ist, ein Einbruch der Wirtschaftsaktivität von 35-36% in den zwei Wochen ab Beginn des Lockdowns Mitte März.

Berechnungen des französischen Statistikamtes INSEE zufolge würde jeder Lockdown-Monat bei einem derartigen Rückgang der Wirtschaftsaktivität das Gesamtjahres-BIP um 3 Prozentpunkte reduzieren. Die Bank of England schätzt die negativen BIP-Auswirkungen von jeweils zwei oder vier Wochen Lockdown für die britische Wirtschaft im Gesamtjahr 2020 auf 1,25% bzw. rund 2,5%.

In den USA hingegen haben die weniger restriktiven staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und eines der umfangreichsten fiskalpolitischen Rettungspakete unter den großen Volkswirtschaften dazu geführt, dass die Wirtschaftsaktivität während des Lockdowns im ersten Quartal nur um rund 9% zurückgegangen ist. Grundlage für diesen Wert sind ein BIP-Rückgang um insgesamt 1,2% im ersten Quartal und ein Mitte März begonnener Shutdown. Auf Basis der Annahme, dass sich die Wirtschaft im April noch gar nicht erholt hat und im Mai und Juni nur langsam Fahrt aufnimmt, würde dies Jackson zufolge auf einen BIP-Rückgang von rund 5% in den USA in Q2 bzw. einen annualisierten BIP-Rückgang von 18% hinauslaufen.

„Das könnte eine Unterschätzung sein und klingt moderat im Vergleich zu dem, was andere Länder durchmachen, ist aber weitaus dramatischer als alles, was wir seit dem Zweiten Weltkrieg gesehen haben“, betont Jackson. Der zuvor stärkste BIP-Einbruch in einem Quartal war ein Minus von 2,6% im ersten Quartal 1958. Jackson rechnet in den nächsten Monaten auch mit einem Rückgang der Industrieproduktion um mindestens 20%.

Das hätte auch negative Auswirkungen auf die Ausfallraten hochverzinslicher Anleihen in den USA. Wie Jacksons Analyse signalisiert, könnte die Ausfallrate auf 20% ansteigen, mit Kreditverlusten von über 10%. Aller Erfahrung nach erreichen die High-Yield-Spreads zwar zumeist ihren Höhepunkt, bevor die Industrieproduktion ihren Tiefpunkt markiert – was wiederum zumeist der Fall ist, bevor die Ausfallrate ihren höchsten Stand erreicht. Jackson bezweifelt aber, dass die Spreads schon im März ihren Höchststand erreicht haben – auf einem Niveau, wie es typisch für normale Rezessionen ist, die mit dem dramatischen Einbruch der Wirtschaft, den wir derzeit erleben, aber kaum vergleichbar sind.

„Erklären lässt sich dies vermutlich durch die Maßnahmen der Notenbanken, eine Art Hypnoseversuch, damit die Märkte durch den aktuellen Wirtschaftseinbruch nicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden und den Blick ausschließlich auf die Erholung fixieren“, argumentiert er. „Das kann funktionieren, wenn die Märkte nur nach vorne schauen und nicht nach unten. Unser Versuch abzuschätzen, wie tief der Abgrund ist – also wie hoch der Verlust der Wirtschaftsaktivität wirklich ist –, hat bei uns aber Schwindelgefühle erzeugt. Aus diesem Grund bevorzugen wir aktuell auch Investment-Grade-Anleihen gegenüber Hochzinspapieren.“