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Kommentar: Das ökologische Konjunkturpaket der EU: fünf Bereiche im Fokus der Anleger

Die ökologischen Aspekte des 750 Mrd. Euro schweren Konjunkturpakets der EU, das im Juli angesichts Covid-19 verkündet wurde, sind weitgehend bekannt. Nun fangen die Anleger jedoch an, die Auswirkungen gewisser ökologischer Elemente des Konjunkturpakets auf das breitere Anlageumfeld einzuschätzen sowie ihre Folgen für die Bewertungen von Vermögenswerten weltweit.

Alessia Falsarone

Es gibt zwar gewisse Vorbehalte, das ökologische Konjunkturpaket der EU verspricht jedoch, über die reine Verringerung des CO2-Fußabdrucks hinauszugehen und eine Klimaneutralität anzustreben. Hierbei stehen dann die breiteren gesellschaftlichen Vorteile eines „ökologischeren“ Wachstums im Vordergrund.

Das „Next Generation EU“ genannte Paket ist so besonders, da gemeinsam, und nicht auf Landesebene, Geld von den Märkten ausgeliehen wird. Denn knapp die Hälfte der Gelder werden als Beihilfe an die am härtesten von der Krise getroffenen EU-Länder verteilt, der Rest wird als Niedrigzinsdarlehen gewährt.

Im Mittelpunkt des im Juli von den politischen Entscheidungsträgern der Europäischen Union verkündeten Pakets stehen Programme zur Bekämpfung des Klimawandels in Höhe von knapp 550 Mrd. Euro. Das Paket umfasst an die Förderung der Energieeffizienz und die Entwicklung erneuerbarer Energieressourcen, emissionsfreier Fahrzeuge und nachhaltiger Transportmittel gebundene Aufwendungen sowie weitere Maßnahmen zum Umweltschutz, mit denen die Zusage Europas, bis 2050 klimaneutral zu werden, erreicht werden soll.

Die Vorschriften werden auf ähnliche Weise die ökologische Agenda vorantreiben, da die Mitgliedstaaten ihre nationalen Konjunkturpakete auf „schadlose“ Weise gestalten sollen.

Die Umsetzungspläne müssen zwar noch definiert werden, es scheint jedoch, dass zu den offensichtlichen Nutznießern des ökologischen Pakets kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) mit dem Schwerpunkt Digitalisierung gehören. Im Gegenteil hierzu wird erwartet, dass die Schwerindustrie und der Dienstleistungssektor weiter auf die Unterstützung der Regierungen setzen müssen, um ihre CO2-intensive Infrastruktur zu modernisieren und gleichzeitig in Bezug auf die Kosten wettbewerbsfähig zu bleiben.

Dementsprechend gibt es fünf kritische Bereiche der ökologischen Agenda des EU-Pakets, die die Anleger aus der Nähe beobachten sollten.

Erstens ist die Methode zur Überwachung der Ausgaben im Rahmen ökologischer Initiativen von wesentlicher Bedeutung, um der EU-Politik mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Insbesondere werden die Marktteilnehmer die Kontrollstruktur als Nagelprobe für die ausgewählten ökologischen Projekte ansehen. Dementsprechend muss die EU einen Rahmen für das Management des Klimarisikos festlegen, um die Gelder an die nationalen und Unternehmensprojekte anzugleichen. Ein eindeutiges Rahmenwerk dürfte dazu beitragen, dass die Unsicherheit der Marktteilnehmer in Bezug auf die Effizienz der Überwachung der Fortschritte von Projekten im Rahmen des ökologischen Pakets bei der Zahlung der Gelder verfliegt.

Zweitens muss die EU angesichts der jahrzehntelangen Bemühungen zur CO2-Verringerung auch darauf achten, Gemeinden zu schützen, die noch auf traditionelle Wirtschaftszweige angewiesen sind, um kontraproduktive sozioökonomische Schäden an lokalen Gemeinden zu vermeiden. Das im Juli verkündete EU-Konjunkturpaket wies ebenfalls lediglich 17,5 Mrd. Euro dem Just Transition-Programm zu, was knapp der Hälfte des ursprünglichen Angebots darstellt.

Drittens machen diese Herausforderungen deutlich, dass das ökologische Paket potenziell hinter den Erwartungen liegende Ergebnisse ausweisen könnte, wenn das Ganze nicht mit den lokalen Regionen eng abgestimmt wird. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass CO2-Neutralität und Emissionsverringerung nicht dasselbe sind. Zahlreiche europäische Unternehmen hatten sich bereits lange vor dem aktuellen EU-Konjunkturpaket für die CO2-Neutralität eingesetzt, es bedarf jedoch gemeinsamer Bemühungen, unter Einschluss von öffentlich-privaten Partnerschaften, damit die EU eine wettbewerbsfähige globale Drehscheibe für nachhaltiges ökologisches Wachstum werden kann, im Gegensatz zu einer reinen Gewährung von Finanzierungen für ökologische Projekte. Genauer gesagt muss der private Sektor sicherstellen, dass die bestehenden unternehmensspezifischen Pläne zur CO2-Neutralität auch den ökologischen Plänen der EU entsprechen. Dies könnte sich allerdings als schwierig erweisen, da man den Produktlebenszyklus nicht einfach so über Nacht ändern kann, insbesondere in der Schwerindustrie.

Viertens kommt das Konjunkturpaket zu einem Zeitpunkt, in dem Covid-19 die weltweiten Lieferketten belastet. Die Pandemie könnte die Bemühungen der Klimaneutralität erschweren, indem eine „doppelte Zusage“ geschaffen wird: Der operative Fußabdruck der Unternehmen muss ihre geografische Präsenz widerspiegeln und ihre Produkte müssen gleichzeitig entweder positive oder neutrale Umweltauswirkungen haben. Eine dieser Bemühungen kann die andere nicht aufwiegen. Ein funktionsfähiges Handelssystem für CO2-Emissionen, das zeitnahen Zugang zu Unternehmen und lokalen Regierungen bietet, ist eine Übergangslösung zwischen Zielen der Klimaneutralität und der ökologischen Neugestaltung von Produkten.

Als letztes müssen Anleger die Folgen für den Welthandel berücksichtigen, da die EU weiterhin den weltweit größten Ausfuhrmarkt für über 80 Länder darstellt und der größte Exporteur von Industrieerzeugnissen ist. In Zukunft werden ihre Klimaverpflichtungen zweifelsohne die handelspolitischen Entscheidungen der EU beeinflussen.

Sollten die Handelspartner, darunter die USA für Ausfuhren und China für Einfuhren, niedrigere Auflagen bei Umweltpraktiken festlegen und die grenzübergreifende Zusammenarbeit in Bezug auf das Klima behindern, würde ein an den Grenzen wirksamer CO2-Ausgleich zwangsläufig etablierte Handelsabkommen auf die Probe stellen. Hierbei handelt es sich um einen Faktor, der von den Anlegern weiterhin unterschätzt werden könnte.

Die EU ist beispielsweise nach wie vor der größte Importeur landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Entwicklungsländern. Eine CO2-Steuer der EU würde sehr wahrscheinlich zusätzliche Hürden für die verantwortungsvolle Beschaffung von Rohstoffen aus den Schwellenländern schaffen. Laut vor Kurzem veröffentlichter Eurostat-Daten trägt die Landwirtschaft zwar weniger als 1% zum BIP der EU bei, dabei werden jedoch beinahe 40% des Landwirtschaftshaushalts der EU für die Förderung von Klimamaßnahmen und die Unterstützung nachhaltiger Anbaumethoden in der EU aufgewendet.

Zusammengefasst gibt es zwar gewisse Vorbehalte, das EU-Paket ist jedoch ein positiver Schritt, um die Wirtschaftszweige auf einen nachhaltigeren Wachstumspfad zu bringen. In den kommenden Jahren werden die Betriebsmodelle CO2-intensiver Wirtschaftstätigkeiten wie Transport, Förderung fossiler Brennstoffe und Stromerzeugung strukturelle Veränderungen erfahren mit dem Ziel, die finanzielle Stabilität sowohl auf Länder- als auch auf Unternehmensebene neu zu definieren. Es gibt zwar noch zahlreiche unklare Aspekte, ein globaler Konjunkturaufschwung scheint jedoch immer stärker davon abzuhängen, dass Anleger und politische Entscheidungsträger ganzheitlich in ihr Szenario Planungsfaktoren integrieren, die sowohl auf finanzieller als auch auf gesellschaftlicher Ebene von Bedeutung sind.

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*) Alessia Falsarone, Head of Sustainable Investing, Senior Portfolio and Risk Strategist, PineBridge Investments.