Wenn nationale Pläne, die einen Ausstieg aus der Kohlestromerzeugung und einen erheblichen Ausbau erneuerbarer Ressourcen fordern, technisch nicht realisierbar, unwirtschaftlich oder aufgrund der kurzen Fristen unmöglich wären, würde man erwarten, dass die europäischen Stromterminkontrakte dieses Risiko durch Höchstpreise widerspiegeln. Das war nicht der Fall.
Reform des Elektrizitätssektors
Die Deutsche Kohle-Kommission, die die Strategie Deutschlands zur Erreichung der CO2-Reduktionsziele des Pariser Abkommens im Bereich der Stromerzeugung festlegen sollte, legte im Januar vorläufige Leitlinien vor, in denen die vollständige Beseitigung der kohlebefeuerten (und Braunkohle-) Stromerzeugung bis 2038 dargelegt wird.
Derzeit spielen Braunkohle und Steinkohle nach wie vor eine große Rolle im gesamten Erzeugungsportfolio Deutschlands. Im Jahr 2018 erzeugte Steinkohle 73 Terawattstunden (TWh) Strom, Braunkohle 131 TWh. Das waren zusammen 38% der deutschen Stromerzeugung. Dies ist ähnlich wie im Jahr 2017, als 15% der gesamten deutschen Stromerzeugung auf Steinkohle und 25% auf Braunkohle entfielen.
Spanien – das letzte EU-Land, das seinen nationalen Energie- und Klimaplan für den Zeitraum 2021-2030 vorgelegt hat – genehmigte im Februar ein Programm in Höhe von 101,6 Mrd. Euro, das bis 2030 etwa 74% des Strombedarfs durch erneuerbare Energien decken soll. Die Stromerzeugungskapazität aller spanischen Kohlekraftwerke wird zwischen 2030 und 2035 stillgelegt. Bis 2030 strebt Spanien eine Windkapazität von mehr als 50 Gigawatt und eine kombinierte Solar-PV- und Solarthermie von über 40 Gigawatt an. Um diese Ziele zu erreichen, plant Spanien jährlich Ausschreibungen für über 3 Gigawatt erneuerbare Kapazität.
Reaktion im Markt für Stromterminkontrakte
Vor den angekündigten Empfehlungen der Deutschen Kohlekommission handelten die Strom-Futures des deutschen Grundlast-Kalenderjahres 2020 knapp über 51 Euro pro Megawattstunde (MWh). Zum 1. April 2019 sind diese Preise mit knapp 51 Euro pro MWh kaum verändert. Future Strips, also Grundlast-Futures für 2021 und 2022, während der ersten Welle der Stilllegung der Kohle- und Braunkohlekapazitäten, zeigen ein ähnliches Handelsverhalten. Für den weiteren Kontext werden die monatlichen deutschen Basislast-Futures im Mai 2019 bei 42 Euro/MWh gehandelt, während die Kontrakte im Sommermonat bei 50 Euro/MWh liegen. Der Bestand der Futures aus dem Jahr 2019 wird bei rund 50,50 Euro/MWh gehandelt, was nur eine geringfügige Preisdifferenz zwischen 2019 und 2020/21/22 anzeigt.
Spanische Strom-Futures sind davon ebenso unberührt. Für das Baseload-Kalenderjahr 2020 starten spanische Strom-Futures 2019 knapp über 54 Euro/MWh. Nach der Genehmigung des Nationalen Energie- und Klimaschutzplans 2021-2030 in Spanien haben sich die im April 2019 eingegangenen Kontrakte kaum geändert und notierten bei knapp unter 56 Euro/MWh. Noch bedeutsamer ist, dass länger laufende Verträge (Stand April 2019) auf einen Preisrückgang hindeuten, wobei das Kalenderjahr 2021 mit 51,38 Euro/MWh und 2022 mit 49,05 Euro/MWh angegeben wurde. Wie in Deutschland weisen die Strom-Futures vom Mai 2019 mit datierten Kontrakten nur eine geringe Streuung auf und werden bei 55,18 Euro/MWh gehandelt.
Das nächste Energiemodell
Deutschlands und Spaniens Ankündigungen sind wichtig. Für große Volkswirtschaften mit kohlelastigen Stromerzeugungssektoren dient Deutschland als Modell dafür, dass postindustrielle Volkswirtschaften mit erschwinglichen Kostenstrukturen an der Energiewende teilnehmen können. Darüber hinaus signalisieren die deutschen Strommärkte, dass Argumente, die eine Verschlechterung der Systemzuverlässigkeit voraussagen, derzeit unbegründet sind. Für Staaten mit einem großen inhärenten Solar- und Windpotenzial dient Spanien als Modell dafür, dass erneuerbare Energien in Strom-, Transport-, Heizungs- und Kühlsystemen eingesetzt werden können.
Mit Blick auf die Zukunft sehen wir daher Zustimmung für die Kohlestilllegungsstrategie der Kommission, die Umsetzung der Pläne Spaniens und der anderen EU-Staaten 2021 bis 2030 sowie die Diskussionen auf Nutzenebene über den Aufbau von Portfolios künftiger Generationen als Katalysatoren für Anleger. Im weiteren Sinne werden wir auf Signale aus anderen kohlelastigen Volkswirtschaften warten, die Pläne zum Nachbilden oder Abweichen vom von Deutschland angeführten Kohleausstieg haben.
Fazit
Wir betrachten die Stromerzeugungsbranche als einen der Haupttreiber bei den Bemühungen um die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft und unterstützen die Maßnahmen, den Emissionsfußabdruck der Sektoren wie etwa aus Deutschland und Spanien zu reduzieren.
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*) John Miller ist Vice President und ESG Senior Research Analyst bei Calvert Research and Management, einer Tochtergesellschaft von Eaton Vance Management.