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Kommentar: Die Zeit für digitale Investitionen in den Immobilienbestand ist jetzt

In der Zeit des Booms und einer jahrelangen Nullzinspolitik wurde die Zeit zwischen Ankauf und Verkauf oft nicht proaktiv genutzt. Proaktives Asset Management war eine Thematik, die lange Zeit gar nicht unbedingt im Vordergrund stehen musste, da es als keine unerlässliche Maßnahme zur Wertsteigerung des Investments wahrgenommen wurde. Doch diese Zeiten sind vorbei – und damit auch die Zeiten, in denen ESG als gut gemeintes Wohl für die Gesellschaft abgetan wurde. Vielmehr haben wir es heute angesichts der derzeit weitestgehend stillstehenden Investmentmärkte mit dem Gegenteil zu tun: ESG ist zu einem zentralen Werttreiber für Immobilieninvestitionen geworden.

Johanna Fuchs-Boenisch

In einer Branche, in der lange Investmentzyklen von mindestens fünf bis zehn Jahren die Norm sind, ist die Integration von ESG-Maßnahmen zur nachhaltigen Wertschöpfung eine grundlegende Notwendigkeit – und noch viel mehr als das: Es ist eine wirtschaftlich rationale Entscheidung. Denn Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu implementieren, bedeutet nicht nur, regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden, sondern auch, die eigenen Immobilien zukunftsfähig zu machen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Immobilien, die ESG-konform digitalisiert und nachhaltig bewirtschaftet werden, sichern neben kurzfristigen Effizienzgewinnen auch langfristige Wertsteigerungen.

Digitalisierung als Schlüssel
Die Digitalisierung der Immobilienwirtschaft bietet in diesem Kontext enorme Chancen. Sie ist der Schlüssel, um ESG-Maßnahmen effizient und wirtschaftlich sinnvoll umzusetzen, statt nur Reporting-Standards zu erfüllen. Ohne digitale Lösungen wäre es schlichtweg unmöglich, den Energieverbrauch von Gebäuden live zu erfassen und dann auch zu optimieren. Doch stattdessen verschwenden viele Eigentümer und Verwalter noch immer wertvolle Ressourcen auf manuelle Prozesse, die weder effizient noch skalierbar sind. Das muss sich ändern.

Was viele jedoch dabei vergessen, ist, dass es nicht immer das rundum smarte, hochmoderne und KI-gesteuerte Gebäude sein muss. Vielmehr können Eigentümer heutzutage auch noch mit relativ einfachen Maßnahmen signifikante Mehrwerte schaffen – den „low hanging fruits“ –, beispielsweise durch die Automatisierung von Verbrauchsdaten. Technologien, die den Energieverbrauch in Echtzeit überwachen und steuern, ermöglichen es, Ineffizienzen schnell zu erkennen und zu beseitigen. Damit reduziert sich nicht nur der CO2-Ausstoß, sondern auch die Betriebskosten.

Ein Gebäude, das dank digitaler Technologien seine Energieverbräuche präzise überwacht und steuert, ist zukunftssicher und bietet obendrein unmittelbare Kostenvorteile. Ein Beispiel: Eine automatisierte Heizungssteuerung, die den Energiebedarf in Abhängigkeit von der Nutzung des Gebäudes regelt, spart erheblich an Betriebskosten – insbesondere dann, wenn unnötige Energieverschwendungen wie eine unkontrollierte Beheizung am Wochenende vermieden werden. Diese Einsparungen sind gut für die Umwelt und fließen direkt in die Rentabilität der Immobilie ein. Ein Mieter, der beispielsweise 20% seiner Nebenkosten spart, ist mitunter auch eher dazu bereit, einen Teil dieser Einsparungen in Form einer höheren Miete zu investieren.

Doch die Digitalisierung geht weit über einfache Energieeinsparungen hinaus. Sie schafft Transparenz. Daten, die live erfasst und digital bereitgestellt werden, ermöglichen es, den tatsächlichen Zustand und die Effizienz eines Gebäudes zu bewerten und es mit anderen Immobilien zu vergleichen. Dieser Benchmarking-Prozess zeigt nicht nur, wo das eigene Gebäude im Vergleich steht, sondern auch, wo noch Potenziale liegen. Solche datengestützten Entscheidungen schaffen Vertrauen bei Investoren und Mietern – und sichern langfristig Wettbewerbsvorteile.

Der Early-Adopter-Vorteil
Wer jetzt in die Digitalisierung und ESG-Konformität investiert, kann auch von einem entsprechenden Vorteil profitieren: dem sogenannten Early-Adopter-Bonus. Denn momentan befinden sich noch viele Marktteilnehmer in der Phase des Zögerns – die Wichtigkeit der Digitalisierung ist zwar in der Theorie bei den meisten angekommen, in der Praxis hapert es jedoch an vielen Stellen. Diejenigen, die jetzt frühzeitig handeln, können ihre Immobilien in eine Pole-Position bringen. Wenn der Markt wieder anzieht, werden sich digitalisierte und ESG-konforme Gebäude einen Vorteil sichern können. Denn keine Frage: Die Nachfrage nach modernen, transparenten und energieeffizienten Immobilien wird auch in Zukunft weiter zunehmen.

Dieser Early-Adopter-Vorteil wird nicht ewig bestehen. Je länger Marktteilnehmer warten, desto kleiner wird auch der Wettbewerbsvorsprung sein. Irgendwann wird das digitale Gebäude Standard sein – der positive Effekt wird schwinden, und für diejenigen, die bis dahin noch nicht nachgezogen haben, werden sich die negativen Effekte häufen und sie werden unter starkem Druck geraten, um mithalten zu können. Dann ist es wahrscheinlich, dass der Markt Immobilien ohne digitale Infrastruktur und ESG-Konformität stark abwerten wird.

Mit gutem Beispiel voran
Denn auch die politischen Rahmenbedingungen ändern sich rapide. Auf europäischer und nationaler Ebene wird der Druck, Bestandsimmobilien energieeffizient und nachhaltig zu bewirtschaften, immer größer. Zwar sorgt der derzeitige Regulierungs-Dschungel für Unsicherheit, doch es ist klar, dass die Richtung feststeht.

Fazit
Der derzeitige Stillstand bei traditionellen Immobilieninvestitionen bietet nun die Chance, den Bestand gezielt zu modernisieren. Der Fokus verschiebt sich: Anstatt auf den schnellen Gewinn durch Kauf und Verkauf zu setzen, rückt nun die langfristige Wertsteigerung durch nachhaltiges Wirtschaften in den Vordergrund. Zwar werden Bestände, die diese Eigenschaften nicht vorweisen können, vermutlich nicht all ihren Wert verlieren, doch auch die Finanzierung solcher Immobilien ohne neue Standards wird sich merklich schwieriger gestalten. Wer also nicht in die Digitalisierung investiert, riskiert auch, künftig nur eingeschränkten Zugang zu Fremdkapital zu haben. ESG ist also kein Wohlfühlthema, sondern eine Investition in die Zukunft – und zwar in die eigene wirtschaftliche Zukunft.

Das Credo heißt dabei: Bitte einfach loslegen und mit gutem Beispiel vorangehen. Vor allem bei anfangs niedrigschwelligen Investitionen und Maßnahmen in Richtung Digitalisierung braucht es keine vielschichtigen Pilotprojekte und langwierigen Pro-Kontra-Listen. Die Vorteile liegen auf der Hand.

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*) Johanna Fuchs-Boenisch, CEO bei Susteco Solutions GmbH – A Bosch Company