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Kommentar: Optimierung in der Schutzzone

Immer öfter nehmen Private-Equity-Firmen gelistete Unternehmen von der Börse. Institutionelle Investoren können davon profitieren.

Dr. Matthias Reicherter

Seit Jahren nimmt die Zahl börsennotierter Firmen ab. Allein zwischen 2017 und 2020 ist sie laut OECD weltweit um etwa tausend auf rund 40.000 zurückgegangen, weil mehr Unternehmen den öffentlichen Kapitalmarkt verlassen haben, als neu hinzugekommen sind. Das bedeutet keineswegs, dass die Börse als Eigenkapitalquelle unbedeutend würde: Die Marktkapitalisierung ist im genannten Zeitraum deutlich gestiegen, weil bereits notierte Firmen zusätzliches Kapital aufgenommen haben. Aber insbesondere in Europa sinkt die Zahl der Erstnotierungen, und vor allem kleinere und mittelgroße Unternehmen ziehen sich von der Börse zurück.

Manchmal ist der Grund für ein Going Private eine Fusion oder die Übernahme durch einen Wettbewerber. Immer häufiger jedoch stehen Private-Equity-Investoren hinter Delistings. Dafür gibt es unterschiedliche Motive.

Im seit Jahren andauernden, durch niedrige Zinsen geprägten Kapitalmarktumfeld, in dem traditionelle Assets stark an Attraktivität verloren haben, nimmt die Bedeutung alternativer Anlageformen zu. Vor allem Private Equity ist gefragt, weil es deutlich bessere Renditen liefert als Public Equity, also börsennotierte Aktien. Auf lange Sicht liegt die Outperformance gegenüber den Aktienmärkten bei knapp zehn Prozentpunkten pro Jahr, wie eine Auswertung von mehr als 4.000 europäischen und amerikanischen Private-Equity-Transaktionen der letzten 20 Jahre zeigt. Die Studie, die Professor Oliver Gottschalg von der HEC School of Management Paris gemeinsam mit Golding Capital Partners durchgeführt hat, zeigt außerdem, dass die Outperformance in Krisenzeiten regelmäßig mehr als drei Mal so hoch ist.

Weil Private Equity das Rendite-Risiko-Profil eines Portfolios deutlich verbessern kann, legen institutionelle Investoren zunehmend größere Summen in die Assetklasse an, manche von ihnen zum ersten Mal. Auf der Suche nach Akquisitionszielen für die ihnen zufließende massive Liquidität weiten Private-Equity-Firmen ihr Spielfeld vom Privatmarkt zunehmend auf die Börse aus.

Raus aus dem Rampenlicht
Das ist durchaus keine Notlösung, denn auf den Kurszetteln stehen viele Unternehmen, die gerade wegen ihrer Börsennotierung unterbewertet sind. Das gilt insbesondere für Firmen mit erklärungsbedürftigen Geschäftsmodellen. Lässt sich das Potenzial eines Unternehmens nicht einfach verständlich im Rahmen der Investor Relations erläutern, führt das an der Börse häufig zu Bewertungsabschlägen.

Der wichtigste Grund für ein Delisting aber ist aus Private-Equity-Sicht, dass es im Rampenlicht der Börse ungleich schwieriger ist, wertsteigernde Repositionierungen vorzunehmen. Anpassungen des Geschäftsmodells sind aufgrund der Publizitäts- und Mitspracheanforderungen, die das Aktienrecht vorsieht, erheblich langwieriger oder unter Umständen gar nicht umsetzbar. Aus Sicht von Private-Equity-Investoren kann es auch sinnvoll sein, Gewinne lieber in die Weiterentwicklung des Unternehmens zu reinvestieren anstatt sie auszuschütten. Für gelistete Firmen, die gute Gewinne erwirtschaften, ist es dagegen schwieriger, einen Dividendenverzicht zu begründen.

In bestimmten Fällen kann auch die Zerlegung einer Unternehmensgruppe das Ziel eines Private-Equity-Investors sein. Für ein gelistetes Konglomerat sind die Kapitalkosten einheitlich, und mit Delisting und anschließender Zerschlagung kann es gelingen, die Gesamtrendite zu verbessern, wenn nun jedes Unternehmensteil adäquate Kapitalkosten aufbringen muss.

Zu guter Letzt ist eine Börsennotierung kostspielig. Die Rechnungslegungs-, Reporting- und Publizitätsanforderungen des Aktienrechts fallen umso mehr ins Gewicht, je kleiner ein Unternehmen ist. Unter anderem deshalb sind es typischerweise kleinere bis mittelgroße Firmen, für die sich die Erwartungen, die sie an das Listing hatten, nicht erfüllen.

Immer komplexere Transaktionen
Allerdings ist es für einen Private-Equity-Investor in aller Regel erheblich aufwendiger, ein gelistetes Unternehmen von der Börse zu nehmen, als eine Firma am Privatmarkt zu erwerben. Wegen der regulatorischen Verpflichtungen, die mit einem Delisting verbunden sind, ist dieser Weg kostspieliger und langwieriger, und das Risiko, dass die Transaktion nicht zustande kommt, ist größer.

Damit verändert sich auch die Arbeit von Private-Equity-Unternehmen. Generell geht der Trend in Richtung komplexerer Transaktionen, seien es Delistings oder aufwendigere Deals am Privatmarkt. Das erfordert größere Teams und mehr spezialisiertes Know-how. Dafür greifen die Firmen weiterhin auf externe Berater zurück, stellen zunehmend aber auch Branchenspezialisten fest an.

Damit all dieser Aufwand lohnt, werden Private-Equity-Transaktionen tendenziell größer. Dennoch finden die Firmen geeignete Akquisitionsziele weiterhin hauptsächlich im Segment der kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Gerade der deutsche Markt bietet eine Vielzahl an mittelständischen Unternehmen unterschiedlicher Größe und mit aussichtsreichen, aber nicht leicht verständlichen Geschäftsmodellen, die abseits der Börse bessere Chancen haben, ihr Potenzial zu entfalten.

Der Trend zum Going Private wird anhalten, solange es noch attraktive Delisting-Ziele gibt und die relative Unattraktivität der traditionellen Assetklassen bestehen bleibt. Die Börse bleibt trotzdem wichtig, nicht zuletzt als ein möglicher Exit-Kanal für Private-Equity-Investments. Doch die wachsende Bedeutung von Private-Equity bietet Investoren immer bessere Chancen, auch im schwierigen aktuellen Umfeld ihre Performance zu verbessern.

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*) Dr. Matthias Reicherter, CIO, Golding Capital Partners