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Kommentar: Private Markets - Kapitalbeschaffung zurück in die Zukunft

Zehn Jahre nach der Finanzkrise zeichnet sich ein klares Bild ab, wie sich die Investmentwelt für Anleger verändert hat und welche Anlagestrategien auch im kommenden Jahrzehnt Erfolge versprechen. Insbesondere haben alternative Investments an außerbörslichen Märkte an Bedeutung gewonnen – sowohl für die Wirtschaft als auch für Anlageportfolios.

Anthony Tutrone

Seit der Jahrtausendwende schrumpft in den USA die Zahl börsennotierter Unternehmen. Darüber hinaus hat an den öffentlichen Märkten die Liquidität abgenommen. Während immer mehr Firmen von der Börse genommen werden oder auf einen Börsengang verzichten, wurden seit der Finanzkrise zudem in einem noch nie da gewesenen Ausmaß eigene Aktien zurückgekauft. Auch führen neue Vorschriften wie Basel III und der Dodd-Frank Act dazu, dass Investmentbanken und Broker-Dealer deutlich mehr Kapital binden müssen, um in ihren Bilanzen Handelsbestände an Wertpapieren vorzuhalten. Broker, aber auch alternative Liquiditätsgeber wie Hochfrequenzhändler und algorithmische Handelsplattformen sind zu einem risikobasierteren Market Making übergegangen. Dabei schaffen sie aber eine Scheinliquidität, die womöglich dann verschwindet, sobald die Risikoaversion steigt – und damit genau dann, wenn Liquidität am dringendsten nötig ist.

Die Entwicklung bei außerbörslichem Eigenkapital ist genau gegenläufig. Nach wie vor handelt es sich hierbei vor allem um langfristige Anlagen, doch der Sekundärmarkt für Fonds, die in außerbörsliche Anlagewerte investierten, ist gewachsen und hat seit der Finanzkrise an Tiefe gewonnen. Für Investoren bringt er jedoch eine völlig neue Art von Liquidität hervor.

Nicht börsennotierte Titel werden wichtiger und flexibler
Weltweit entfallen noch immer nur 2,5 Prozent der Marktkapitalisierung auf nicht börsennotierte Anlagen. Und doch gibt es deutlich mehr Firmen, die nicht an der Börse notiert sind. Sie zählen zu den wachstumsstärksten Unternehmen der Welt und ihre wirtschaftliche Bedeutung wächst stetig – wer hier nicht investiert, lässt Ertragschancen aus.

Private Equity sollte für Anleger daher schon bald Pflicht sein, wenn sie wirklich von langfristigen Risikoprämien von Aktien profitieren wollen. Denn privates Beteiligungskapital erwirtschaftet im Schnitt Mehrertrag, schließlich haben Investoren meist einen besseren Informationszugang, können stärker in die Corporate Governance eingreifen und weisen eine höhere Flexibilität rund um ihre Einstiegs- und Ausstiegspunkte bei Kapitalanlagen auf.

Private Equity und Private Debt werden zunehmend wichtigere Finanzierungsquellen zahlreicher Unternehmen aus verschiedenen Sektoren. Setzten Investoren früher auf Leveraged Buyouts von wachstumsschwachen, kapitalintensiven Unternehmen, die unterbewertet waren, bieten heute auch wachstumsstarke Technologiefirmen, die bislang sehr früh an die Börse gingen, Chancen. Beispiele wie Uber und Lyft zeigen aber auch, dass einige solcher Firmen heute außerbörslich mit vielen Milliarden US-Dollar finanziert werden und Umsätze in Milliardenhöhe erzielen.

Während die Börsen schrumpfen und an Liquidität verlieren, etablieren sich die außerbörslichen Märkte sukzessiv und werden immer vielfältiger und liquider. Waren Handelsvolumina an den Sekundärmärkten vor der Finanzkrise noch sehr niedrig, sind sie seither jedoch kontinuierlich gestiegen.

Neben Limited Partners nutzen nun auch General Partners den Sekundärmarkt. Anlegern ist es so möglich, ihre Vermögensallokation anzupassen und Portfolios im Bedarfsfall zu erneuern, auch wenn andere Marktteilnehmer sich dazu entschließen, an ihrer Anlage festzuhalten. Für Fondsmanager stellt dies eine günstige Entwicklung dar, da sie an ihren Beteiligungen für immer längere Zeit festhalten können.

Schwindender Einfluss der Banken schafft Chancen für Investoren
Nicht nur die Börsen verlieren für die Kapitalströme zwischen Unternehmen und Anlegern an Bedeutung, auch bei der Kreditvergabe kommt es zu einer zunehmenden Fragmentierung. Denn während früher bei der Kreditvergabe das Bankensystem dominierte, gewinnen jetzt Kapitalmärkte, Private-Debt-Fonds, Crowdfunding und Kreditplattformen an Relevanz. Das liegt nicht nur an der verschärften Regulierung, die die Wertpapierbestände der Investmentbanken nach der Krise sinken ließen, auch die Kreditvergabe selbst wurde für die Banken kapitalintensiver, da mehr Eigenkapital für Risiken hinterlegt werden muss. In gewisser Weise nähern wir uns wieder der Praxis des 19. Jahrhunderts, aber mit der Technologie und dem Rechtsrahmen des neuen Jahrtausends.

Für institutionelle Investoren wachsen die Möglichkeiten, Risiken aus den Bankbilanzen zu übernehmen und einzuspringen, wenn sich die Banken aus dem Kreditmarkt zurückziehen. Sie können dann die höhere Volatilität und mangelnde Marktliquidität nutzen – beides Folgen der geringeren Handelsbestände der Broker-Dealer.

Zudem werden auch immer mehr Hypothekenkredite von institutionellen Investoren vergeben, da Kreditnehmer wie Selbstständige, trotz guter Bonität, die neuen Underwriting-Standards für Bankkredite nicht mehr erfüllen. Weil sie neben größerer Diskretion, Flexibilität und Schnelligkeit bei der Umsetzung oft auch mehr Sicherheit bieten als Banken, setzen Private-Equity-Manager daher zunehmend auf Private-Debt-Fonds.

Neben Direktkrediten institutioneller Investoren gibt es auch den Aufstieg disruptiver Kredit- und Finanzierungsplattformen für Privatanleger und kleinere Unternehmen. Sie reichen von Crowdfunding- und Zahlungssystemen ohne Bankbeteiligung bis zur Blockchain-Technologie, sodass viele kleinere Investoren jeweils eher symbolische Beteiligungen an illiquiden Assets halten können. Viele dieser Unternehmen werden ihrerseits an den Private-Equity-Märkten finanziert.

Am Ende zählt Kompetenzvielfalt
Die wachsende Bedeutung außerbörslicher Investitionen zeigt sich nicht nur darin, dass sich immer mehr Unternehmen in Privatbesitz befinden und auf eine Börsennotierung verzichten, sondern auch an der Kreditvergabe. Diese stammen zunehmend von Investmentfonds und Unternehmen, hinter denen Private-Equity-Gesellschaften stehen.

Die Mehrgenerationenteams der ältesten Private-Equity-Firmen und ihre Kompetenzvielfalt machen eine Verschiebung zu den außerbörslichen Märkten möglich. Diese Teams können auch über die früher üblichen klassischen Leveraged Buyouts hinaus Chancen nutzen, denn heutzutage gibt es eine große Vielfalt, von Direktkrediten und Mezzaninfinanzierungen über Sekundärmarkttransaktionen und Co-Investments bis hin zu Beteiligungen am Eigenkapital alternativer Investmentfirmen selbst. Da unvermindert Investorenkapital in die außerbörslichen Märkte fließt und der Wettbewerb um Anlagemöglichkeiten steigt, wird eben diese Kompetenzvielfalt in Zukunft enorm wichtig sein.

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*) Anthony Tutrone ist Global Head of Alternatives bei Neuberger Berman.