Aber was ist mit den Sekundärstandorten, also den B-Städten sowie den kleineren Regionalzentren, deren Marktaktivitäten nicht in ähnlicher Tiefe analysiert werden? Insgesamt zeigt sich BNP Paribas Real Estate zufolge, dass der Anteil der Investments außerhalb der A-Standorte nach wie vor überwiegt: Auf die größten deutschen Metropolen entfielen im ersten Halbjahr 48,9% des Volumens, auf die Sekundärstandorte und Regionalzentren demzufolge 51,1%. Die Marktliquidität ist also auch außerhalb von Berlin, Frankfurt am Main oder München durchaus noch gegeben.
Individuelle Herausforderungen und Chancen
Allerdings ist es umso wichtiger, nun genauer auf die potenziellen Käufer- und Verkäufergruppen zu schauen – denn verglichen mit den Metropolen ergeben sich in kleineren Großstädten, Studentenstädten und Regionalzentren einzigartige Herausforderungen.
Wohnungsprivatisierer stehen nun beispielsweise vor der Herausforderung, dass größere Eigentumswohnungen zurzeit deutlich schwieriger an Endkunden zu verkaufen sind als noch vor wenigen Wochen. Schließlich sind auch für private Kapitalanleger und Selbstnutzer die Bauzinsen deutlich gestiegen. Dementsprechend sind vor allem Wohnungen in Preiskategorien oberhalb von 300.000 Euro für Endkunden weniger erschwinglich geworden – oder mit anderen Worten: Die Vorstellungen von den eigenen vier Wänden sind nicht verschwunden, aber kleiner geworden. Während die Privatisierer daher bei einigen solcher Objekte künftig weniger häufig als Käufer auftreten dürften, kann es durchaus sein, dass sie einen Teil ihrer Bestände im Globalvertrieb an professionelle Käufer veräußern wollen.
Einige der größeren Bestandshalter wie Immobilien-AGs oder Fondsmanager sind hingegen nun bestrebt, ihr Portfolio zu arrondieren und Cash-Bestände aufzubauen. Da aktuell wieder Core-Investments bei vielen professionellen Investoren gefragt sind und Metropolen noch immer gedanklich mit einem höheren Sicherheitsniveau in Verbindung gebracht werden (was inhaltlich durchaus zu hinterfragen wäre), könnten nun Bestände an den Sekundärstandorten zum Verkauf angeboten werden.
Nach wie vor gibt es Käufer
Aber wer tritt nun als Käufer auf? Die „Glücksritter“, die übermäßig stark gehebelt beziehungsweise mit Mezzaninkapital ausgestattet sind, jedenfalls nicht mehr. Stattdessen geben an den Sekundärstandorten nun verstärkt lokal agierende eigenkapitalstarke Käufer den Ton an – wobei auch dort wiederum Fondsmanager zu den wichtigen Akteuren zählen. Diese haben nun den Vorteil, dass sie nicht mehr von offensiver orientierten Investoren überboten werden und können somit ihr Portfolio in den Zielregionen sukzessive erweitern.
Ebenfalls als Käufer agieren nun Marktakteure mit eigener Entwicklerkompetenz, die ältere Wohnimmobilien energetisch ertüchtigen, im Einklang der wahrscheinlich kommenden Sanierungspflicht oder anderen ESG-bezogenen Regularien aufwerten oder anderweitig für Wertsteigerungen sorgen, ohne dabei jedoch übermäßig viel selbst zu bauen. Schließlich sind die Renditeniveaus jenseits der Metropolen in aller Regel noch ausreichend hoch, sodass genügend Spielraum für Sanierungsarbeiten oder andere Revitalisierungsmaßnahmen besteht.
Standort-Storys werden neu geschrieben
Allerdings erfordern die sogenannten B-, C- und D-Standorte teilweise eine neue Einschätzung, was das Verhältnis von Rendite und Risiko betrifft. Schließlich sorgt die neuartige wirtschaftliche Ausgangslage dafür, dass branchenübergreifende Verwerfungen und Rezessionsszenarien drohen. Dazu ein Beispiel: Während viele Städte im süddeutschen Raum lange Zeit als krisenfest und im besten Sinne des Wortes als mittelständisch galten, sorgen nun die Probleme im produzierenden Gewerbe zusammen mit den unterbrochenen Lieferketten und dem ohnehin rasant fortschreitenden Strukturwandel (nicht nur im Automotive-Segment) für Unsicherheiten. Dieses Risiko stellt zwar kein Ausschlusskriterium dar, sollte aber entsprechend eingepreist werden.
Umgekehrt verhält es sich mit Hochschulstandorten sowie Standorten mit diversifizierten Wirtschaftsstrukturen. Bestes Beispiel ist die nordhessische Stadt Fulda, die neben einem starken Dienstleistungssektor auch über zahlreiche Tagungsstandorte verfügt – oder auch Darmstadt, das von seiner Lage im Frankfurter Speckgürtel profitiert und gleichzeitig als Hochtechnologiestandort gilt.
Eine Frage der Preisfindung und der Prozesse
Diese unterschiedlichen Ausgangssituationen und die Fülle an potenziell wichtigen Faktoren sorgen dafür, dass die Ermittlung eines angemessenen Verkaufspreises nochmals deutlich individueller ausfallen muss als in den Metropolen. Noch immer gehen viele Verkäufer sehr selbstbewusst in die Verhandlungen und es kann durchaus sein, dass ein weniger erfahrener Käufer oder ein Marktakteur, der neu am Standort ist, zu teuer einkauft. Umgekehrt wiederum sorgt das, eingangs erwähnte, Überangebot in Verbindung mit der abnehmenden Konkurrenz dafür, dass versierte Käufer erstmals seit Jahren wieder gezielt die besten Angebote herauspicken können, ohne im ständigen Wettrennen mit anderen Akteuren zu sein. Neben der dafür nötigen Vor-Ort-Erfahrung kommt es allerdings auch auf die Prozesse bei der Vorauswahl an, um bei der Vielzahl an Exposés die Spreu schnell vom Weizen zu trennen.
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*) Moritz Kraneis, Geschäftsführer, Deutsche Zinshaus GmbH