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Marktkommentar: Wird sich die Talfahrt der globalen Aktienmärkte fortsetzen?

Hinter uns liegt wieder einmal eine Woche, die sich angefühlt hat wie 100 Wochen. Das größte Einzelereignis war natürlich der Kursabsturz an den Aktienmärkten. Angeführt von den USA brachen alle globalen Märkte ein. Dann verlor der Ausverkauf aber bereits wieder an Schwung und der Trend begann sogar zu drehen.

Kristina Hooper

Jetzt fragen sich Investoren vor allem eines: Ist der Schrecken vorbei? Oder werden die Märkte noch stärker einbrechen? Bevor wir abschätzen können, wie wahrscheinlich eine Fortsetzung dieser Korrektur ist, müssen wir zunächst ihre Ursachen verstehen. Für den Absturz der Aktienmärkte gibt es zwei Gründe — und zwar genau die zwei großen Risiken, vor denen ich seit über einem Jahr warne: die Normalisierung der Fed-Geldpolitik und die Handelspolitik.

Fed-Aussagen schüren Ängste vor stärkerer Straffung der Geldpolitik
Die Talfahrt der globalen Aktienmärkte begann bereits vor dem Ausverkauf in der vergangenen Woche, als die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe (Treasury) stark anstieg. Diesem Anstieg waren vermeintlich restriktive Kommentare des Fed-Vorsitzenden Jay Powell zum Monatsanfang vorausgegangen. Mit seiner Aussage, dass wir aktuell wahrscheinlich noch weit von einem neutralen Zinsniveau entfernt seien, überraschte Powell die Märkte, da viele davon ausgehen, dass wir uns einem neutralen Zinsniveau annähern.

Ich glaube zwar nicht, dass die Fed „verrückt geworden ist“ (wie US-Präsident Donald Trump vor kurzem seine Kritik an der US-Notenbank formulierte). Die Botschaft, dass die Fed die Zinsen noch deutlich weiter anheben muss, um ein neutrales Zinsniveau zu erreichen, hätte Powell aber vermutlich geschickter formulieren können. Tatsächlich halte ich die Fed-Politik für gefährlich, da die Bank zwei Hebel gleichzeitig betätigt: indem sie den Leitzins, die Fed Funds Rate, erhöht und ihre Bilanz immer schneller schrumpft.

Die Fed-Politik war auch Thema beim jüngsten Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) — vor allem in Bezug auf ihre negativen Auswirkungen auf die Schwellenmärkte. An dieser Stelle lohnt sich ein Blick zurück in den Juni, als der Gouverneur der indischen Notenbank, Urjit Patel, in einem Gastkommentar in der Financial Times vor den Auswirkungen der Fed-Politik auf die Schwellenländer warnte. Durch den Anstieg der Zinsen und die Aufwertung des US-Dollars – sowie länderspezifische Probleme – ist die Lage der Schwellenländer seither noch prekärer geworden. Die Antwort der Fed fällt denkbar simpel aus: „Die richtige Antwort lautet, dass wir eine möglichst vorhersagbare und schrittweise Geldpolitik verfolgen müssen“, so der Vize-Chef der Fed, Randal Quarles.

IWF warnt vor den Folgen von Handelskriegen
Ein direkterer Auslöser des Ausverkaufs in der vergangenen Woche waren die deutlicher werdenden Belastungen durch die internationalen Handelskonflikte. Benannt wurden diese im neuen World Economic Outlook (WEO) des IWF. So nahm der IWF seine Wachstumsprognosen für China und die USA zurück — und zwar nicht nur die längerfristigen Schätzungen, sondern auch den Wachstumsausblick für das kommende Jahr.

Der IWF ist der Ansicht, dass die bislang verhängten Zölle schon jetzt das Wachstum bremsen — und prognostiziert, dass ein echter Handelskrieg das Wachstum der Weltwirtschaft im Jahr 2020 um mehr als 0,8 Prozentpunkte reduzieren könnte. So erklärte IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld: „Es gibt Wolken am Horizont. Das Wachstum hat sich als weniger ausgewogen erwiesen als wir gehofft hatten.“ Nicht nur seien einige Abwärtsrisiken eingetreten, die im letzten WEO identifiziert wurden. Auch die Wahrscheinlichkeit weiterer negativer Schocks sei gestiegen. Insgesamt war dies ein sehr pessimistisches IWF-Treffen, bei dem viele Teilnehmer vor Entwicklungen wie einer Umkehr der Globalisierung warnten, die das globale Wachstum gefährden.

Mehr Volatilität zu erwarten?
Die mit diesen Entwicklungen verbundenen Risiken nehmen seit einiger Zeit zu und werden sich kaum über Nacht in Luft auflösen. Daher glaube ich auch nicht, dass die Marktkorrektur bereits überstanden ist. Ich rechne mit einer anhaltend erhöhten Volatilität und dabei vor allem mit Kursausschlägen nach unten. Allerdings glaube ich auch, dass die Unternehmensergebnisse ein wichtiger stützender Faktor am Aktienmarkt sein werden. Zudem ist die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe deutlich gesunken, was den Abwärtsdruck auf Aktien ebenfalls mindert. Anders ausgedrückt glaube ich, dass der Ausverkauf – ähnlich wie der Kurssturz im Februar – von relativ kurzer Dauer sein wird, solange es nicht bei einem der zwei großen, von mir skizzierten Risiken zu einer dramatischen Zuspitzung der Lage kommt. Kompetente aktive Manager sollten in diesem Umfeld für eine Absicherung nach unten sorgen und sich bietende Chancen nutzen können.

Vier Dinge, die Anleger diese Woche im Blick haben sollten
Neben dem Ausverkauf der Märkte gibt es einiges, das wir nun aufmerksam beobachten sollten, zum Beispiel:
1. Anleiherenditen in Italien Die Rendite der 10-jährigen italienischen Staatsanleihe ist in der vergangenen Woche von 3,42% auf 3,57% gestiegen, nachdem Italien an seinen Plänen festgehalten hat, die Staatsausgaben in den nächsten Jahren stärker auszuweiten als nach den Regeln der Europäischen Union (EU) erlaubt ist. Die EU hat klargestellt, dass Italien damit die EU-Richtlinien verletzen würde. Gleichzeitig ist die Rendite der deutschen Bundesanleihe trotz der politischen Spannungen im Zusammenhang mit den Landtagswahlen in Bayern auf 0,50% gesunken. Die Schlappe der CSU bei dieser Wahl signalisiert auch, dass die Unterstützung für Bundeskanzlerin Angela Merkel schwindet. Der Risikoaufschlag, den Anleger für 10-jährige italienische Staatsanleihen gegenüber 10-jährigen deutschen Bundesanleihen zahlen müssen, ist in beunruhigendem Maße gestiegen. Wir werden uns genau anschauen, wie die EU mit der fehlenden Haushaltsdisziplin in Italien umgeht, da die EU-Reaktion Italien einem EU-Austritt näher bringen könnte — oder zumindest die Bindung an die EU noch weiter schwächen könnte. Ich wäre nicht überrascht, wenn italienische Staatsanleihen in einem zunehmend unsicheren Umfeld weiter steigen würden.

2. EU-Gipfel Die EU und Großbritannien haben fieberhaft an einem Entwurf für ein Brexit-Abkommen gearbeitet, um diesen rechtzeitig zum EU-Gipfel in dieser Woche vorlegen zu können. Allerdings sieht es aktuell nicht danach aus, dass dies gelingen wird. Damit steht der restliche Zeitplan ebenfalls auf der Kippe. Eigentlich sollte der Entwurf nach dem Gipfel ausgearbeitet werden, so dass beim Gipfeltreffen im November ein rechtskräftiger Vertrag abgeschlossen werden könnte. Wir werden diese Situation genau beobachten, insbesondere die Frage, ob die EU und Großbritannien die Übergangsphase nach dem Brexit verlängern werden, wodurch beide Seiten mehr Zeit hätten, um über die Konditionen ihrer Handelsbeziehungen nach dem EU-Austritt Großbritanniens zu verhandeln. Dadurch nehmen die geopolitischen Spannungen und die wirtschaftspolitische Unsicherheit nur weiter zu.

3. Halbjährlicher Währungsbericht des US-Finanzministeriums Der US-amerikanische Finanzminister Steve Mnuchin wird in der kommenden Woche voraussichtlich den Halbjahresbericht zur internationalen Wirtschaft und Währungspolitik seines Ministeriums vorlegen. Einige Beobachter haben Sorgen geäußert, dass die USA China in diesem Bericht als Währungsmanipulierer bezeichnen werden — obwohl Einschätzungen von Vertretern des US-Finanzministeriums bekannt geworden sind, wonach China seine Währung nicht manipuliert. Sollte China in diesem Bericht auf diese Weise beschuldigt werden, würden sich die Spannungen zwischen beiden Ländern sicherlich nochmals verschärfen.

4. Unternehmensgewinne Die Berichtssaison für das dritte Quartal hat begonnen und ich rechne mit insgesamt sehr guten Unternehmensergebnissen. Noch genauer als die tatsächliche Gewinnentwicklung werde ich mir aber die Prognosen der Unternehmen ansehen. Schließlich hatten wir in der vergangenen Woche von mehreren Unternehmen, darunter Fastenal¹, gehört, dass der Handelsstreit bereits zu Störungen ihrer globalen Lieferketten führt. Daher werde ich mir besonders genau anschauen, wie sich die Unternehmen über die Handelskonflikte und ihre erwarteten Auswirkungen auf ihre Gewinne äußern.

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*) Kristina Hooper ist Chief Global Market Strategist, Invesco Ltd.

¹Die Nennung von Einzeltiteln dient ausschließlich der Veranschaulichung und stellt keine Empfehlung zum Kauf, Halten oder Verkauf dar. Wir können nicht garantieren, dass Invesco zukünftig diese Einzeltitel innerhalb seiner Fonds halten wird.