Hedgework: Herr Zink, Ihr Haus widmet sich dem Thema Mikrofinanz-Investitionen. Was genau ist darunter zu verstehen?
Zink: Über Mikrofinanzfonds werden Darlehen an spezialisierte Mikrofinanzinstitute (MFI) in Entwicklungs- und Schwellenländern vergeben. Diese Finanzinstitute vergeben dann ihrerseits kleine Darlehen an Menschen, denen die Banken keinen Kredit gewähren, weil keine ausreichenden Sicherheiten vorhanden sind. Mit den Darlehen können diese Menschen dann einkommensgenerierende Tätigkeiten aufnehmen oder soziale Ausgaben bestreiten, etwa die Schulgebühren der Kinder entrichten. Mikrofinanzfonds erwirtschaften also zusätzlich zur finanziellen Performance auch eine soziale Rendite.
Hedgework: Wie sieht dabei die finanzielle Performance aus?
Zink: Aus Investorensicht bieten die Fonds einige Vorteile: Sie sind von Bewegungen am Anleihemarkt unabhängig und weisen eine geringe Volatilität auf. Berechnungen zeigen darüber hinaus, dass sie die Effizienz von Investmentportfolios steigern, die aus Aktien und Rentenprodukten zusammengestellt sind. Durch die Beimischung eines Mikrofinanzfonds kann ein gemischtes Aktien-Rentenportfolio bei gleichem Risiko eine höhere Rendite erzielen oder es lässt sich das Risiko senken, während die Portfoliorendite gleichbleibt. Auch während der Corona-Pandemie und in diesem Frühjahr in Folge des Krieges in der Ukraine trugen Mikrofinanzfonds zu einer Stabilisierung der Erträge und der Risikokennzahlen in Multi-Asset-Portfolien bei.
Hedgework: Bis vor kurzem haben Mikrofinanzinstitute sich in einer Art Goldilock-Szenario bewegt. Wie sah das aus?
Zink: Mikrofinanzfonds haben von der politisch gewollten Transformation der Finanzströme hin zu nachhaltigen Geldanlagen profitiert. Während Sozialbanken und kirchliche Einrichtungen, nachhaltig orientierte Stiftungen und Family Offices schon von Beginn an Investoren in den von uns gemanagten Fonds waren, sind in letzter Zeit zunehmend Versicherungen und Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge (EbAV) auf diese Fonds aufmerksam geworden. Und natürlich gilt es, das wachsende Bedürfnis privater Anleger:innen zu erwähnen, ihr Geld nicht nur rentabel, sondern auch sinnvoll und nachhaltig anzulegen.
Hedgework: Hat sich das auch in den Mittelzuflüssen gezeigt?
Zink: Ja, dies hat unter anderem dazu geführt, dass wir kürzlich das Durchbrechen der Schallmauer von 1 Milliarde Euro verwalteter Assets under Management verkünden konnten. Eine Zahl, die uns freut und gleichzeitig anspornt. Zusätzlichen Rückenwind haben wir vom Kapitalmarkt erhalten: Das seit Jahren vorherrschende Negativ-Zinsumfeld in der Eurozone macht eine von uns jährlich erreichte Rendite von rund 2 Prozent attraktiv. Insbesondere, wenn diese Performance mit minimalen Preisschwankungen erreicht wird. Die jährliche Performance des IIV Mikrofinanzfonds lag in den meisten Jahren seit der Auflegung im Jahr 2011 über der Entwicklung des Konsumentenpreisindex in Deutschland. Das wäre im aktuellen inflationären Umfeld allerdings eine echte Herausforderung für unser Portfoliomanagement.
Hedgework: Was hat sich wie verändert?
Zink: Auf Makroebene konnten wir vom jahrelangen Aufholprozess der Entwicklungs- und Schwellenländer in der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren. Zweistellige Wachstumsraten waren in einigen der Zielländer, in denen die von uns gemanagten Fonds investieren, keine Seltenheit. Durch die Pandemie wurde dieser Prozess jäh unterbrochen. Und zu guter Letzt lagen die Absicherungskosten für auf USD denominierten Darlehen in den letzten Jahren auf historisch tiefem Niveau. Nachdem diese Forex-Hedges noch 2017 bis 2019 einen Teil der Performance „aufgefressen“ hatten, hat die Performance der von uns betreuten Portfolien in den letzten drei Jahren bis Anfang 2022 vom Gleichklang der amerikanischen und europäischen Geldmarktzinsen profitiert.
Hedgework: Das hat sich inzwischen grundlegend geändert – was bedeutet das für Sie?
Zink: Durch das Ende der 30-jährigen Hausse der Anleihen-Assetklasse und dem bemerkenswerten Renditeanstieg bei Staats- und Unternehmensanleihen erscheint eine Zielrendite von rund 2 Prozent natürlich auf den ersten Blick weniger attraktiv. Auch sind die bereits erwähnten günstigen Absicherungskosten wieder teurer geworden, nachdem die US-Notenbank Fed in einen Zinserhöhungszyklus eingestiegen ist und die USD/EUR-Zinsdifferenz sich signifikant ausgeweitet hat. Die folgende Grafik zeigt diese „Zinswende“
Grafik: Entwicklung der Währungsabsicherungskosten US-Dollar/Euro seit 2018
Quelle: Invest in Visions
Auf der anderen Seite haben insbesondere die letzten Monate von „Zins- und Zeitenwende“ ein bekanntes Argument für Mikrofinanzinvestments nochmals verstärkt: Die Unkorreliertheit zu anderen Assetklassen und die vergleichsweise stabile Wertentwicklung. Während Aktien- und Rentenfonds mit teilweise zweistelligen Renditeverlusten zu kämpfen haben, liegt zum Beispiel der IIV Mikrofinanzfonds seit Jahresbeginn bei einer positiven Rendite von 0,83 % (Stand 30.04.2022).
Hedgework: Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine?
Zink: Wir sind erschüttert über den Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine und sprechen der ukrainischen Bevölkerung unsere Solidarität aus. Die Auswirkungen dieses kriegerischen Konflikts auf den IIV Mikrofinanzfonds sind demgegenüber bislang kaum wahrnehmbar, da der Fonds weder Mikrofinanzinstitute in Russland noch in der Ukraine refinanziert. Gleichwohl ist die enge wirtschaftliche Verflechtung einiger unserer Zielländer zu Russland ein Anlass zu besonders genauer Betrachtung. Der Fonds ist in mehreren Ländern Osteuropas und Zentralasiens investiert. Am stärksten sind die wirtschaftlichen Verbindungen mit Russland in Belarus, in Kirgisistan und in Tadschikistan ausgeprägt. Selbstverständlich haben wir den Datenaustausch und die Kommunikation mit den MFIs in der Region nochmals intensiviert, um bei Bedarf entsprechende Maßnahmen einleiten zu können.
Hedgework: Wie geht Ihr Haus mit den veränderten Marktverhältnissen um?
Zink: Der Anstieg des globalen Renditeniveaus fließt auch in unsere Konditionengestaltung ein. Wir erkennen einen langsamen Anstieg der neu vergebenen Darlehenszinsen im Portfolio, insbesondere bei USD-denominierten Ausleihungen. Der Anteil jener Darlehen, die direkt in Lokalwährung vergeben werden, wächst seit Jahren stetig. Nach wie vor finden sie für viele Währungen unserer Zielländer keinen effizienten Terminmarkt. Aber das Angebot wächst und inzwischen machen Darlehen in Lokalwährung bereits ca. 12 Prozent des IIV Mikrofinanzfonds-Portfolios aus. Zudem ist ein wachsender Teil der Darlehen mit einem variablen Zinssatz ausgestattet. Insbesondere in Indien und bei syndizierten Darlehen ist dies die verbreitetste Form der Kreditvergabe.
Hedgework: Wie können Sie sich gegebenenfalls absichern?
Zink: Bei den Hedgingkosten sehen wir zwar den oben beschrieben Anstieg der Kosten, aber die Fälligkeiten der Devisentermingeschäfte sind über die nächsten zwei Jahre gut verteilt. Der Investitionsgrad im Portfolio hat auch wieder das Zielniveau von 85 Prozent erreicht. Zu Beginn der Pandemie war dieser Wert kurzzeitig eingebrochen. Aus Gründen der Sorgfaltspflicht war dies im Frühjahr 2020 sicher geboten. Wir freuen uns aber, dass es aktuell viele gesunde Mikrofinanzinstitute gibt, die einen höheren Refinanzierungsbedarf haben, weil die lokale Kreditnachfrage anzieht.
Hedgework: Gibt es Segmente oder Länder, die weniger stark betroffen sind?
Zink: Ich glaube von Warren Buffett stammt der Ausspruch „Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer keine Badehose trägt“. Durch die Pandemie und die aktuellen Marktkapriolen kann man gut erkennen, welche Mikrofinanzinstitute ordentlich aufgestellt sind, erfolgreich wirtschaften, gut kapitalisiert sind und über eine robuste und wirtschaftlich gesunde Kundschaft verfügen.
Hedgework: Können Sie Namen nennen?
Zink: Obgleich in der Pandemie die Länder des globalen Südens unterschiedlich stark betroffen waren, können wir auf Ebene der MFIs kaum Unterschiede in der Rückzahlungsbereitschaft und -fähigkeit erkennen. Nach wie vor ist die Ausfallquote auf Ebene der Enddarlehensnehmer und auch auf Ebene der MFIs äußerst gering. Wir beobachten die Regionen Zentralasien und Kaukasus wegen der Nähe zu Russland zurzeit besonders aufmerksam. Dagegen zeigt das von Invest in Visions durchgeführte Scoring der MFIs eine stetige schrittweise Verbesserung der finanziellen Kennzahlen der MFIs an.
Hedgework: Also eigentlich gute Nachrichten für Anleger?
Zink: Ja! Investoren, die einen Anlagezeitraum von mindestens drei bis fünf Jahren haben, die eine unkorrelierte Assetklasse mit stabilen Erträgen und sozialer Rendite suchen und ihr Geld in ein nachhaltiges Investment in einem Artikel-9-Produkt gemäß Offenlegungsverordnung anlegen möchten, sind weiterhin bestens beraten, sich über den IIV Mikrofinanzfonds zu informieren. Neben Produktinformationen findet man auf unserer Homepage www.investinvisions.com und in unseren Social-Media-Kanälen viele Informationen rund um das Thema Impact Investing. Hier haben wir die Frequenz der Veröffentlichungen in den letzten Jahren kontinuierlich gesteigert.
Hedgework: Abschließend gefragt, wie ist Ihr längerfristiger Ausblick für das Mikrofinanz-Segment?
Zink: In einem volatilen Marktumfeld hat das Nischenprodukt Mikrofinanz als Portfolio-optimierende Beimischung seine Berechtigung. Die Nachfrage nach Mikro-Finanzierungen ist angesichts von der Weltbank geschätzten 1,7 Milliarden Menschen ohne Zugang zu Finanzdienstleistungen nach wie vor hoch. Durch die Pandemie ist diese Zahl vermutlich noch angewachsen. Es gibt daher noch viel Investitionspotential. Die von uns refinanzierten Mikrofinanzinstitute werden sich weiter professionalisieren und mittelfristig in der Lage sein, die herausfordernden Reporting-Anforderungen der internationalen Gesetzgeber zu bedienen. Das bedeutet auch für Invest in Visions in Zukunft eine noch granularer nachweisbare Wirkungsmessung im sozialen Bereich.
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*) Michael Zink ist seit Herbst 2020 bei Invest in Visions als Chief Customer Officer tätig. Das ehrenamtliche Verwaltungsratsmitglied von Eintracht Frankfurt e.V. begann seine berufliche Laufbahn 1989 auf dem Trading Floor von JP Morgan in Frankfurt, bevor er 2001 zu Goldman Sachs wechselte, wo er 16 Jahre lang im Fixed Income Sales tätig war. Nach einem Sabbatical unterstütze er den Studienförderer Deutsche Bildung AG in Frankfurt als Investor Relations-Verantwortlicher. Die Invest in Visions GmbH wurde 2006 von Edda Schröder mit dem Ziel gegründet, institutionellen und privaten Anleger:innen den Zugang zu Impact Investments zu ermöglichen. Dies sind Anlagen, die neben finanziellen Erträgen auch eine soziale Rendite bieten. Als Mikrofinanzinvestor der ersten Stunde haben wir im Jahr 2011 mit der Auflegung des IIV Mikrofinanzfonds als erstem Fonds dieser Anlageklasse in Deutschland für private und institutionelle Anleger:innen einen wichtigen Meilenstein erreicht. Neben Mikrofinanz beschäftigen wir uns mit den Bereichen Bildung, Erneuerbare Energien (dezentrale Projekte) sowie mit der Finanzierung kleiner und mittelständischer Unternehmen und ganz allgemein mit sozialen Projekten und Wirkungskrediten. Der Fokus unserer Produktlösungen liegt dabei immer auf den Schwellen- und Entwicklungsländern.
Veranstaltungshinweis:
Edda Schröder von Invest in Visions spricht auch im Rahmen der IPE DACH Frühstücksseminare „(Re-)Defining ESG“ im Juni.
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